Edition – drei Briefgruppen

Brief EK9 – 28.12.1876
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EK9 28.12.1876
Zürich 28. Dezember 1876
[An Hedwig Kappeler]

Mir ist es ganz curios, so allein zu sein, ich bin es gar nicht mehr gewohnt, mir mangelt immer etwas u. mein Solo Thee am Abend schmeckt mir gar nicht.853Hedwig verbrachte ihre Ferien, in diesem Fall die Weihnachtsferien, jeweils zuhause in Frauenfeld. Johanna Spyri vermisste während dieser Zeit ihre Anwesenheit, den gemeinsamen abendlichen Tee und die Lektüre (s. auch EK2, EK11, EK17).schliessen So habe ich mich unter die Lampe gesetzt, um noch ein wenig mit Dir zu plaudern, am Neujahr u. Berchtoldstag bleibe ich nun verschont mit einem Abendfest. Ich bleibe so gern still über diese Tage, die schmerzlichen Erinnerungen vom vergangenen Jahre sind noch gar so frisch. Am 2. Januar ist ja der Todestag unsrer seligen Mutter854Meta Heusser-Schweizer (1797-1876), Schriftstellerin und Mutter von Johanna Spyri, starb am 2. Januar 1876.schliessen u. mein Mann855Johann Bernhard Spyri (1821-1884), Stadtschreiber von Zürich und Ehemann von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 349 und Stammbaum, 341; HBLS VI, 484.schliessen begreift, wohl, daß ich lieber still für mich bin. Sind dann diese vorüber, so bin ich herzlich froh, ins gewohnte Leben wieder einzutreten.

Ja, meinen Jungen856Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen in Davos857Johanna Spyris Sohn Diethelm Bernhard war mehrmals zur Kur in Davos (s. HK12, vgl. auch EK53, EK54).schliessen hätte ich wohl gern besucht, doch kann ich ja froh sein für die guten Nachrichten. Bernhard schrieb am Tag nach ihrer Bescheerung. Er hatte die Geschichte schließlich recht amüsant gefunden. Jedem seien ein paar Witze an den Kopf geflogen, ihm natürlich auch. Zum Schluß u. als Krone des Festes sei dann noch seine Schachtel angekommen.

Ich hoffe auf unser Zusammenleben im vergehenden wie im kommenden Jahr legt der liebe Gott seinen Segen, so daß ein bleibendes Gut für uns beide daraus erwächst. Ich freue mich, daß das enge Band eines gemeinsamen, tiefgehenden Interesses uns verknüpft, nicht nur für eine kurze Zeit, denn in alle Zukunft wird meine Liebe u. mein mütterliches Interesse Dich begleiten.