Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer
1.3.–12.3.1798
Aus diesen Tagen – Was soll ich sagen?
1. Mitten in dem Solothurn u. Bern an die Franzosen übergiengen,99
2. Das Land siegte: die Stadt gienge ein, was vom Lande begehrt ward; u. so ward eine anscheinende Eintracht gestiftet.100
3. Wir aber verharrten im Gebeth u. Anrufen des Herrn Nammen, daß die gegen die Stadt ausgezogenen Landleüte von allen Seiten sie nicht berühre. u.
4. Siehe – es geschahe auch – sie mussten wieder zurük an ihre Oerter.101
5. Für alle Pfarrhaüser wurden Landwachten gestellt, u. allso auch für das unsre. Wozu? Das war den meisten Wachten nicht bekannt, aber uns nicht verborgen: wir sollten Geisel werden dem Landvolk für allfälliges, das nach seinem Bedünken wieder ihns102
6. Bey diesen Wachtanstalten begegnete mir u. den l[ieben] Meinen nichts Wiedriges. Nur einmal wollte man mir einen Brüggelmann103
1. Mitten in dem Solothurn u. Bern an die Franzosen übergiengen,99
Solothurn kapitulierte am 2. März, Bern nach den Kämpfen bei Neuenegg und Grauholz am 5. März 1798.schliessen
kam unsre Stadt u. unser Land in den heftigsten Kampf miteinander u. 2. Das Land siegte: die Stadt gienge ein, was vom Lande begehrt ward; u. so ward eine anscheinende Eintracht gestiftet.100
Die verschiedenen Komitees auf dem Land, das Stäfner, das Küsnachter und das Meilener Komitee, die sich als Gegenregierung verstanden, hatten seit Anfang März immer neue Forderungen und Ultimaten an die provisorische Regierung gestellt, so etwa die des Rücktritts der provisorischen Regierung, der Wahl einer neuen Regierung durch die Landeskommission und der Aufnahme einer Landgarnison von 1000 Mann in der Stadt. Am 10. März schloss Statthalter Wyss einen Vertrag mit der "Nationalversammlung" von Meilen, "wonach die Regierung resignierte und die Gewalt an die Landeskommission abgab." Dändliker III, 106.schliessen
3. Wir aber verharrten im Gebeth u. Anrufen des Herrn Nammen, daß die gegen die Stadt ausgezogenen Landleüte von allen Seiten sie nicht berühre. u.
4. Siehe – es geschahe auch – sie mussten wieder zurük an ihre Oerter.101
Das geschah aufgrund der Annahme des Ultimatums der Landvertreter, der Stationierung einer Garnison von 1000 Mann und dem Rücktritt der alten Zürcher Regierung am 13. März.schliessen
5. Für alle Pfarrhaüser wurden Landwachten gestellt, u. allso auch für das unsre. Wozu? Das war den meisten Wachten nicht bekannt, aber uns nicht verborgen: wir sollten Geisel werden dem Landvolk für allfälliges, das nach seinem Bedünken wieder ihns102
Mundartl. für: es.schliessen
in der Stadt verhandelt und vorgenohmen würde. 6. Bey diesen Wachtanstalten begegnete mir u. den l[ieben] Meinen nichts Wiedriges. Nur einmal wollte man mir einen Brüggelmann103
Prügelmänner waren mit Prügel bewaffnete Männer vom Land, die sich im Zuge des Protestes gegen die Eidesformel auf die neue Regierung gebildet hatten. Über die Tradition der Prügelmänner vgl. Graber, Zeit des Teilens, 180, 419.schliessen
zum 2ten Wächter stellen, der aber bald wieder abgeführt ward. Gleichwohl ward dieser Vorfall uns Merkzeichen, daß wir auf unsrer Hut seyn müssen, wie noch nie. ––
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