Edition – drei Briefgruppen

Brief EK28 – 29.4.1879
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EK28 29.4.1879
Zürich 29. April 1879
[An Hedwig Kappeler]

Eine Freundin der Fräulein H914Evtl. Sophie Heim (1847-1931), erste weibliche Lehrkraft an der Höheren Töchterschule. Sie unterrichtete Italienisch und galt als "pädagogische Pionierin". Sie hatte in Italien studiert und war eine hervorragende Italien-Kennerin. Ihre Italien-Begeisterung verband sie mit Johanna Spyri. Sophie Heim publizierte mehrere Lehrbücher, die viele Auflagen erlebten, das wichtigste war ihr "Elementarbuch der italienischen Grammatik". Aus gesundheitlichen Gründen trat sie als Lehrerin um die Jahrhundertwende zurück; Einer pädagogischen Pionierin, in: Schweizer Frauenblatt, 4. September 1931. - Schwester von Prof. Albert Heim, Schwägerin von Dr. Marie Heim-Vögtlin. Ihre Mutter war Sophie Heim-Fries, eine Schwester von Anna (Netti) Fries; vgl. Stammbaum Wirz, Fries, Heim, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage. - Der Grossvater, Landschreiber Fries, war 1826 von Dr. Heusser auf dem Hirzel geheilt worden; vgl. Meta Heusser-Schweizer, Hauschronik, 94f. - Wohnhaft Zeltweg 16, später Klosbachstr. 119.schliessen kam zu ihr, für die ich mich schon lange interessiert hatte, sie ist sehr krank u. unglücklich, hatte seit einem Jahr einen völlig kranken Mann zu pflegen, von Morgen bis am Abend Musikstunden zu geben, dabei zwei Kinder zu hüten u. für sie zu sorgen. Als sie hieher kam, um wenigstens acht Tage auszuruhen, sahn wir gleich, daß sie halb tot war u. der Arzt hier bestätigte dies u. erklärte, wenn sie zurückkehre zur Pflege des Mannes u. den Musikstunden, sei sie in wenig Wochen wirklich tot. Sie aber erklärte nun, ohne die Kinder könne sie nicht bleiben u. so handelte es sich nun darum, daß ihr Jemand die Kinder hole u. gleich einen Koffer u. der Kinder Betten zusammenpacke, da es sich nun natürlich um ein längeres Hierbleiben handelt. Fräulein H konnte das nicht allein ausführen, so begleitete ich sie dann nach Heidelberg, packte u. schnürte mit ihr einen halben Tag lang Betten u. Koffern u. brachte dann alles samt den zwei Kindern hieher. Die Reise war schon etwas gewagt, denn das Kleinste ist erst 1,5 Jahr alt u. kannte uns beide garnicht, kann auch noch nicht reden. Es ging aber alles gut u. ich bin so froh, die arme, blasse Frau, die so verlitten aussieht, in Ruhe zu wissen u. womöglich auf dem Wege der Erholung. Studiert habe ich in all der Zeit gar Nichts, es waren auch Ferien. Erst seit heute ist die Schule offen u. hat Herr Prof. Schweizer915Johann Heinrich Schweizer-Sidler (1815-1894), seit 1849 ao., ab 1864 o. Professor der Sprachwissenschaft an der Zürcher Hochschule und Mitleiter des Philologischen Seminars, seit 1875 Lehrer für Latein an der Höheren Töchterschule in Zürich; ADB LIV, 282-285; Salomon Stadler, Rückblick auf die Geschichte der höheren Töchterschule, 42.schliessen die Lateinstunde begonnen. Ich gedenke, schon noch etwa beizuwohnen.916Johanna Spyri, die schon mit ihrem Sohn etwas Latein gelernt hatte, besuchte gerne - bereits zusammen mit Hedwig, als diese noch Schülerin der Höheren Töchterschule war - die Lateinstunden bei Johann Heinrich Schweizer-Sidler; vgl. Jahresberichte der Höheren Töchterschule 1875-1880; Verzeichnis der Schülerinnen der Höheren Töchterschule 1875-1893, Klasse I und II ("im Wintersemester eingetreten"), Schuljahr 1877/78.schliessen