Edition – drei Briefgruppen

Brief HK27 – 2.9.1877
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HK27 2.9.1877
Zürich, den 2 Sept[em]b[er] [18]77
Meine liebe Mutter!

Da Du Dir einen langen Brief von mir wünschest, habe ich mich heute Abend noch hingesetzt. Ob der Brief aber lang wird kann ich nicht sagen; denn ich bin so halb versimpelt, da ich den ganzen Tag nicht draußen gewesen bin. Heute morgen habe ich die Verlobungsanzeige Herminens657Hermine Labhardt (geb. 1853), Hedwig Kappelers Cousine mütterlicherseits, Tochter von Philipp Gottlieb Labhardt und Natalie Labhardt-Wüest. Am 10. Juli 1878 Heirat mit Konrad Gottlieb Wilhelm Jänike; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen erhalten, u. ihr darauf sogleich einen Gratulationsbrief geschrieben der dumm genug ausgefallen ist. Was habt ihr nun zusammen ausgemacht wegen dem Brautkranz, ich finde eigentlich, daß Henr[iette]658Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen den Kranz u. Ernestine659Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen u. ich den Schleier geben könnten; ich will doch auch was geben u. um eine große Arbeit zu machen habe ich keine Zeit, berathe das doch einmal mit den beiden Schwestern.660Henriette (1856-1916) und Ernestine Kappeler (1857-1897); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen Ich weiß gar nicht warum man mich bei diesen Sachen so immer bei Seite schiebt, ich bin doch nun auch im gleichen Verhältnis wie die Schwestern.

[2] Nächsten Sonntag wird die silberne Hochzeit von Herrn Spyris661Johann Bernhard Spyri (1821-1884) und Johanna Louise Spyri-Heusser (1827-1901) heirateten am 9. September 1852; Regine Schindler, Spurensuche, 334.schliessen sein. Nun ist es die höchste Zeit daß Du Dich zu etwas entschließest. Jedenfalls muß man ein Geschenk geben; denn ich habe nun so viele Spaziergänge etc. mitgemacht u. dann hat Fr. Sp[yri] vorgeschlagen, daß sie beide mit mir Herrn Sp[yri]662Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen der beschlossen hat diesen Winter wieder in Göttingen zu studieren,663Diethelm Bernhard Spyri hatte bereits zuvor, von April bis August 1877, ein Semester lang in Göttingen studiert. Im Herbst 1877 entschloss er sich, auch den Winter 1877/78 in Göttingen zuzubringen, musste jedoch bereits im Februar 1878 krankheitshalber nach Zürich zurückkehren (s. EK14 und EK18).schliessen bis nach Basel od. Strassburg [zu] begleiten. Natürlich ablehnen kann ich ja nicht, da sie mich nicht allein hier lassen wollen, u. die Reise selbst bezahlen werden sie wahrscheinlich nicht annehmen, da müssen wir doch ein rechtes Geschenk geben. Aber ganz bestimmt ist dieser Plan noch nicht, da der alte H[err] Sp[yri]664Johann Bernhard Spyri (1821-1884), Stadtschreiber von Zürich und Ehemann von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 349 und Stammbaum, 341; HBLS VI, 484.schliessen sich noch nicht darüber ausgesprochen hat. Ich bitte Dich sehr mir bald zu schreiben was ich in diesem Falle zu thun habe. Warum schreibt auch Henr[iette]665Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen mir nie, u. schickt mir die Photographie von K.666Unsichere Lesung, evtl. "B.".schliessen ich habe immer umsonst gewartet? Hoffentlich ist sie nun wieder hergestellt, ich finde man sollte doch Mathilde für einige Wochen zu uns einladen, da K.667Unsichere Lesung.schliessen jedenfalls nicht noch nach Karlsr[uhe] gehen kann, sprich doch einmal ruhig u. deutlich [3] mit dem l[ieben] Vater668Hermann Kappeler (1808-1884), Oberst, Kaufmann und Verwaltungsratspräsident der Thurgauischen Hypothekenbank, Hedwigs Vater; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen darüber, er muß das doch gewiss erlauben. Wirst Du in der Schöpfung669Joseph Haydn, Die Schöpfung, Uraufführung 1799.schliessen mitsingen, thue es doch, Du bist gar nicht zu alt, u. dann thut dem Frauenfelder Chor jede ordentliche Stimme gut. Ich würde gerne zur Aufführung kommen, aber es fällt gerade auf den zweitletzten Sonntag vor den Herbstferien, da würde es der l[iebe] Vater doch nicht gern erlauben, es ist eigentlich auch nicht nöthig. Die Ferien fallen in die 2 u. 3 Woche vom Oktober u. 2 letzten Wochen vorher werde ich noch allein sein, da Fr. Sp[yri] vielleicht Ende nächster Woche schon nach Bex670Kurort im Kanton Waadt, am Rande des Rhonetals. Auf den Aufenthalt in Bex beziehen sich die Briefe EK14, EK15 und EK16. Johanna Spyri hat in Bex offenbar einen Schützling, "D.", mit einer Unterleibsentzündung. Es handelt sich wohl um Hans Heinrich Dithmer, dessen "Unterleibsentzündung" im Brief HK26 erwähnt wird. Siehe zu Bex auch Johanna Spyri, Im Rhonetal, 1880.schliessen zu einer Kur für ihr Bein, verreist. Ist nicht nächsten Samstag der Geburtstag671Hedwigs Schwester Ernestine wurde am 10. September 1857 geboren, die Grossmutter Maria Wüest-Merkle am 10. September 1795.schliessen von Ernestine672Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen u. der Grossmama673Maria Wüest-Merkle (1795-1887), Hedwigs Grossmutter mütterlicherseits, welche im Bernerhaus wohnt; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen bitte schreibe mir doch daß ich ja noch der Letztern besonders nicht verfehle zu gratulieren. Bei Frau Pf[arrer] Hafner674Vermutlich Johanna Hafner-Vetter (geb. 1807), Witwe von Pfarrer Friedrich Ludwig Hafner (1802-1833). Ihr Sohn ist Pfarrer Rudolf Friedrich Hafner (1830-1913), Greifensee (s. HK9); ZhPfrB, 315, 317.schliessen bin [ich] einmal gewesen habe sie aber nicht getroffen, hingegen sahen wir sie gestern auf der Strasse, daß Frau Sp[yri] mich ihr vorstellen konnte. Aber eine so besonders angenehme Persönlichkeit finde ich sie nicht. Ich kann nicht begreifen, daß Du solche Freundschaft mit ihr geschlossen hast. [4] Sende Dir u. Tante Natalie675Natalie Labhardt-Wüest (1823-1904), Hedwig Kappelers Tante mütterlicherseits, Schwester von Aline Kappeler-Wüest und Witwe von Philipp Gottlieb Labhardt; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen viele Grüße, auch Fräulein Schweizer hat sich wieder nach Dir erkundigt u. mir Grüße für Dich aufgetragen. Mir geht es ganz gut, besonders was die Gesundheit anbetrifft, besser als meiner Geige, denn [sie] ist schon wieder invalid. Der Zapfen woran der Saitenhalter befestigt ist, ist hinausgesprungen, da er mitten entzwei ist, es war jedenfalls schlechtes Holz. Jedoch ist dabei kein erheblicher Schaden, es muß eben ein neuer Zapfen eingesetzt werden. Im Spielen mit Herrn Sp[yri]676Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen war ich hauptsächlich nicht fest im Takt, jedenfalls muß ich suchen von jetzt an mehr mit Begleitung zu spielen, vielleicht kann ich mit Luise Grob677Wahrscheinlich Hanna Luise Grob (geb. 1851), Tochter von Heinrich Grob, Prorektor und Professor am Gymnasium, Mitglied des Grossen Stadtrats; BB 1879, 139.schliessen etwas Bestimmtes abmachen, wenn sie dann zu uns kommt im Herbst. Ernestine678Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen wird nun wieder gehörig eingehaust sein, u. wird nun wieder was leisten können, denn die Engadiner Athmosphäre hat ihr gar nicht übel angeschlagen. Ich kannte sie zuerst gar nicht als ich ein so dickes rothes Gesicht plötzlich zum Kutschenfenster herausblicken sah, als sie über den Stadthausplatz fuhr. Jetzt habe ich Dir aber wahrhaftig eine lange Epistel geschrieben, ich muß nun noch weniges überlesen. Viele herzliche Grüße an die ganze Familie [4 am Rd.] auch von Frau Sp[yri]

Empfange noch einen herzlichen Kuß von Deinem treuen Kinde
Hedwig.

[2 am Rd.] Schicke Dir beiliegend den Schlüssel zum Koffer mit der Wäsche. Grüße mir dann auch Lisbeth679Lisbeth, im Brief HK1 "Lisabeth", wird in zehn Briefen von Hedwig gegrüsst. Sie ist offensichtlich die Hausangestellte bei Familie Kappeler-Wüest in Frauenfeld, die aber sehr familiär behandelt wird u. z.B. auch ein Foto von Hedwig bekommt (vgl. HK12 und 13). Gemäss HK35 wohnt sie im Dachstock von Hedwigs Elternhaus.schliessen u. Jungfer Fehr.680Jungfer Fehr wird viermal gemeinsam mit Lisbeth gegrüsst, sie gehört offenbar auch zum Haushalt der Familie Kappeler-Wüest, evtl. als Büglerin oder Hausdame.schliessen