Edition – drei Briefgruppen
Ich danke Dir tausendmal für die herrlichen Geburtstagsgeschenke563Hedwig Kappeler wurde am 22. Mai 1860 geboren.schliessen die Du mir geschickt hast, besonders die Klosterkräpfli u. dann so viel! O ich war ganz entzückt. Du kannst Dir denken, daß sofort gespiesen wurde, auch Frau Zürcher die eben da war, fand sie ausgezeichnet. Frau Spyri liebte besonders die weißen großen u. verspies sie mit dem größten Wohlbehagen. Sie lässt Dich vielmal grüßen u. für Deinen Brief danken, u. besonders auch für die Spargeln, die sie sehr liebt. Damit ich's nicht vergesse schreibe ich Dir gleich am Anfang, daß Du mir doch mit der Wäsche noch einige Hefte von P. Walder564Peter Walder, Buchbinder und Papeterist in Frauenfeld; Thurgauer Adressbuch 1876.schliessen für 16 u. 10 ct [cents] schicken möchtest u. auch noch einige kleine Notizheftchen; denn die Frauenfelder Hefte sind besser, aber nicht wahr, Du besorgst mir das.
Letzten Samstag morgens verreiste Frau Sp[yri] nach Teufen,565Ort im Kanton Appenzell-Ausserrhoden. Mädeli Spyri befindet sich als Gesellschafterin bei Frau Landammann Oertle in Teufen, als sie am 25. Mai 1877 stirbt.schliessen wo sie mit ihrer Schwägerin Frau Pfarrer566Maria Elisabeth Spyri-Wild (1829-1885), Frau von Pfarrer Johann Ludwig Spyri.schliessen noch vieles zu ordnen hatte, am Abend verreiste auch noch Herr Spyri,567Johann Bernhard Spyri (1821-1884), Stadtschreiber von Zürich und Ehemann von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 349 und Stammbaum, 341; HBLS VI, 484.schliessen [2] so daß ich also von 6 Uhr an bis am Sonntag abend mit Sina568Haushaltshilfe von Johanna Spyri, die Vorgängerin von Vreneli Vogelsanger.schliessen allein war. Die Krankheit von Fräulein Spyri569Anna Maria Magdalena (Mädeli) Spyri (1833-1877), "Fräulein Spyri", Halbschwester von Johann Bernhard Spyri. Hatte nie einen eigenen Wohnsitz, sondern lebte bei verschiedenen Verwandten in Zürich, auf dem Hirzel, in Richterswil, am Schluss in Teufen; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 176ff.schliessen muß schrecklich gewesen [sein], erstens sehr schmerzhaft u. dann dazu furchtbare Erscheinungen. Sie soll ganz sanft eingeschlafen sein, nachdem sie in der vorhergehenden Nacht noch Abschied genommen hat. Man hatte ihr wirklich nichts besseres wünschen können; denn nach der Sektion ergab sich, daß sie jedenfalls noch mehr Schmerzen hätte erdulden müssen. Auch hat sie nun endlich eine bleibende Heimath gefunden, nach der sie sich auf ihrem steten Pilgerleben, denn das war es wirklich, so sehr gesehnt hatte.570Vgl. zu Anna Maria Magdalena (Mädeli) Spyri (1833-1877) und ihrer Krankheit Regine Schindler, Spurensuche, S. 176 ff. - Mädeli Spyri starb am 25. Mai 1877.schliessen Denk Frau Sp[yri] hat mir nicht einmal zum Geburtstag gratuliert, u. ich weiß ganz bestimmt, daß sie es wusste, ich werde Dir dann den Grund, den ich hatte es anzunehmen, erzählen. Du wunderst Dich vielleicht, daß ich von einem Ausflug an den Pfingsten gesprochen? Dieser fand also nicht statt; erstens mußte Herr Spyri571Johann Bernhard Spyri (1821-1884), Stadtschreiber von Zürich und Ehemann von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 349 und Stammbaum, 341; HBLS VI, 484.schliessen nach Teufen,572Ort im Kanton Appenzell-Ausserrhoden. Mädeli Spyri befindet sich als Gesellschafterin bei Frau Landammann Oertle in Teufen, als sie am 25. Mai 1877 stirbt.schliessen als jene Depesche kam von der heftigen Erkrankung seiner Schwester.573Anna Maria Magdalena (Mädeli) Spyri (1833-1877), "Fräulein Spyri", Halbschwester von Johann Bernhard Spyri. Hatte nie einen eigenen Wohnsitz, sondern lebte bei verschiedenen Verwandten in Zürich, auf dem Hirzel, in Richterswil, am Schluss in Teufen; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 176ff.schliessen Fr. Sp[yri] wollte wegen dem ungünstigen Wetter nirgends hin. Am Sonntag Nachmittag gingen wir dann ins [3] Selnau574Quartier von Zürich, ca. 1 km südlich des Hauptbahnhofs, zwischen Schanzengraben u. linksufriger Zürichseebahn. Gehörte seit 1853 zur Stadt, befand sich aber ausserhalb der alten Stadtbefestigung. Kommt bei Johanna Spyri immer wieder als Wohnort ihrer Schwester Anna Ulrich-Heusser, genannt "Netti", vor.schliessen zu Frau Ulrich,575Anna Elisabetha Dorothea (Netti) Ulrich-Heusser (1825-1907), Schwester von Johanna Spyri, verheiratet mit Friedrich Salomon Ulrich. Anna ist die einzige der drei Schwestern Johanna Spyris, die wie sie in Zürich lebte und zu der sie zeitlebens engen Kontakt pflegte.schliessen die uns sogleich in Beschlag nahmen für den ganzen Abend. Zuerst mußten wir mit Anna576Anna Ulrich (1866-1920), Nichte von Johanna Spyri, Tochter von Anna Elisabetha Dorothea (Netti) Ulrich-Heusser und Friedrich Salomon Ulrich. Entwickelte wie ihre Tante und Grossmutter schriftstellerisches Talent, 1919 veröffentlichte sie die kleine Schrift "Johanna Spyri. Erinnerungen aus ihrer Kindheit.schliessen das Tischcroquet577Croquet oder Crocket bzw. Krocket ist eine Sportart mit dem Ziel, markierte Holzkugeln mit Schlägern durch Tore (U-förmig gebogene Drahtbügel) in vorgegebener Reihenfolge und Richtung zu einem Zielstab zu stoßen.schliessen spielen, wobei sie öfters heftige Auftritte veranstaltete. Dann spazierten wir ein wenig gegen Zollikon u. kehrten bald wieder zurück zum Thee. Nachdem dieser eingenommen wollte Anna sogleich wieder croquet spielen, u. alles mußte mitmachen, die beiden Brüder578Zwei von Anna Ulrichs drei Brüdern Franz Theodor (1855-1910), Paul Gustav (1856-1935) und Karl Ferdinand (1859-1918). Der älteste Bruder Friedrich Salomon (geb. 1854) war bereits 1872 verstorben; vgl. Stammbaum Gessner-Keller in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen Mama579Anna Elisabetha Dorothea (Netti) Ulrich-Heusser (1825-1907), Schwester von Johanna Spyri, verheiratet mit Friedrich Salomon Ulrich. Anna ist die einzige der drei Schwestern Johanna Spyris, die wie sie in Zürich lebte und zu der sie zeitlebens engen Kontakt pflegte.schliessen u. sogar die Tante Hanni.580Johanna Spyri, Anna Ulrichs Tante.schliessen Am Pfingstmontag waren wir fast den ganzen Tag zu Hause. Letzten Donnerstag wurde ich sehr angenehm überrascht durch den Besuch von Onkel Emil581Emil Wüest (1833-1894), Hedwigs Onkel mütterlicherseits; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen u. Emil L.582Emil Labhardt (geb. 1856), Hedwig Kappelers Cousin mütterlicherseits, Sohn von Gottlieb Labhardt und Natalie Labhardt-Wüest; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen Jedoch viel Nachrichten über Euch alle konnte man von ihm nicht bekommen. Gerade viel kann ich nicht erzählen; denn es geht immer gleich fort wie ich Euch schon geschrieben, heute regnets, morgen auch u. dann kommt vielleicht ein schöner Tag, dabei gehts immer in die Schule, dann möglicherweise ein wenig spazieren u. dann üben u. die Aufgaben, wovon ich ziemlich viel habe. Am Abend hört man dann noch einen Augenblick der Tonhallemusik zu, die jeden Abend im Pavillon spielt.583Zwischen der alten Tonhalle und dem Zürichsee befand sich ein Pavillon - nahe vom Stadthaus und gut hör- und sichtbar - welcher auch als Aufführungsort für Chorkonzerte, politische Meetings, religiöse Feste u.ä. diente; Samuel Zurlinden, Hundert Jahre Stadt Zürich, Bd. 2, 101.schliessen Heute morgen war ich ganz erschrocken, als ich mich eben angekleidet hatte u. das Fenster öffnete that ich schnell ein Blick auf den See, u. sah gerade, wie man einen [4] Ertrunkenen aus einem Schiff auf eine Bahre lud u. ihn zwei Polizisten davontrugen, ein schrecklicher Anblick. Auch heut Abend war wieder ein solcher Zusammenlauf der Leute auf der Quaiseite, u. zwei Schiffchen am Land, wahrscheinlich ist auch dort Jemand aus dem Wasser gezogen worden. Es ist wirklich traurig, daß schon so viele Menschen in diesem Zürchersee ihren Tod gefunden haben. Bei Geissert584Karl Geissert (geb. 1830), Klavierfabrikant und Weinschenk, wohnhaft Rindermarkt 18.schliessen bin ich gestern gewesen, u. habe ihm die Geschichte mit unserm Klavier erzählt, er sagte er wolle einmal vorbeikommen. Ich habe Luise Grob585Wahrscheinlich Hanna Luise Grob (geb. 1851), Tochter von Heinrich Grob, Prorektor und Professor am Gymnasium, Mitglied des Grossen Stadtrats; BB 1879, 139.schliessen gesagt, sie solle mich in den Ferien einmal in Frauenfeld besuchen, was sie wahrscheinlich ausführen wird, auf der Rückkehr von einer Hochzeit in Deutschland. Sie ist wirklich eine komische Person, man muß [sich] manchmal halb krank lachen über ihr sonderbares Gesicht auf dem sich alle Gemüthsstimmungen wiederspiegeln.
Sage dem l[ieben] Vater586Hermann Kappeler (1808-1884), Oberst, Kaufmann und Verwaltungsratspräsident der Thurgauischen Hypothekenbank, Hedwigs Vater; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen u. den Geschwistern587Henriette (1856-1916), Ernestine (1857-1897), Hermann (1858-1931), Ernst (1865-1936) und Otto Kappeler (1869-1935); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen meine herzlichsten Grüße u. empfange Du vor allem einen tüchtigen Kuß von Deiner[4 am Rd.] Ich habe die Romanze sehr billig gekauft zu 1.20.588Vgl. HK23.schliessen Dem l[ieben] Otto589Otto Kappeler (1869-1935), Hedwigs jüngster Bruder. Ab 1901 verheiratet mit Marie Pauline Stierlin (1877-1954); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen gratuliere ich erstens, daß ihm sein Zahn wieder angewachsen ist. [1 am Rd.] Sende beiliegend die Quittungen zurück. [2 am Rd.] Kennst Du vielleicht nicht einen Pfarrer Brüschweiler od. ähnlichen Geschlechts im Thurgau! Bitte schreibe es mir; denn Frau Spyri möcht es gerne wissen.