Edition – drei Briefgruppen

Brief HK13 – 24.11.1876
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HK13 24.11.1876
Zürich, den 24. Nov[ember] 1876.339Brief auf weissem Papier, oben links dekoriert mit der Initiale H.schliessen
Meine l[iebe] Mutter!

Soeben komme ich von [sic!] Violinspielen, um Dir meine herzlichsten Gratulationen zu Deinem Geburtstag340Widersprüchliche Quellenlage: Laut Haushaltungs-Register Frauenfeld wurde Aline Kappeler-Wüest am 24. November 1829 geboren. Aus dem vorliegenden Brief sowie aus HK31 geht jedoch hervor, dass sie am 25. November Geburtstag feierte.schliessen vorzubringen.

Leider kann ich dies Mal nicht selbst mit einem herzlichen Kuß meine Wünsche bestätigen, so empfange ihn doch in Gedanken, als Bestätigung der besten Segenswünsche sei überzeugt, daß ich morgen recht viel an Euch Alle denken werde u. immer wünsche auch dabei zu sein, Henriette341Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen helfen noch eine spärliche Blumendekoration herzustellen. Leider kann [2] ich diesem Brief nicht einmal ein kleines Geburtstagsgrüßchen beilegen, aber Du wirst wohl begreifen, daß ich es [nicht] ausführen könnte trotz meines guten Willens. Möge der l[iebe] Gott Dich uns doch noch lange erhalten, u. Dir das Leben immer leichter machen u. Dich aller Deiner vielen Sorgen befreien! Auch werde [ich] mich bestreben immer besser zu werden u. suchen Dir so wenig als möglich deren zu bereiten u. meine Heftigkeit zu bekämpfen. Feire doch einen fröhlichen Geburtstag mit allen Deinen Lieben u. lasse Dich durch die langweiligen Samstagsgeschäfte nicht stören. Nun werde ich auch bald wieder für einige Tage wieder zu Euch kommen, wir haben [3] nämlich vom 23 Dez. bis zum 4 Januar Ferien, wie herrlich! Ungern hätte ich doch diese Festtage hier gefeiert ohne alle meine Angehörigen. Emil342Emil Labhardt (geb. 1856), Hedwig Kappelers Cousin mütterlicherseits, Sohn von Gottlieb Labhardt und Natalie Labhardt-Wüest; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen wird denk ich auch kommen, vielleicht gibt's dann eine Gelegenheit, daß wir miteinander reisen können. Warum schickst Du mir auch meine Photographie nicht, es werden doch noch manche vorhanden sein? Vielleicht hat sie Emil, aber ich habe ihn seit letzten Freitag bevor er zu Euch kam nicht mehr gesehen. Mit der Wäsche kann ich noch warten bis ich komme, daß ich [sie] gleich mitnehmen kann. Wie sind die Sophakissen gewesen, hoffentlich hat sie Ernestine343Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen nicht ins Engadin geschickt, dann hat mir Ern[estine] gar nicht geschrieben ob Hermann344Hermann Kappeler junior (1858-1931), älterer Bruder Hedwigs. Ab 1892 verheiratet mit Maria Ida Ernestine Aepli (1866-1964); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen meinen [4] Brief bekommen u. ob er mich nicht gräßlich ausgelacht hat. Ist Lisbeth345Lisbeth, im Brief HK1 "Lisabeth", wird in zehn Briefen von Hedwig gegrüsst. Sie ist offensichtlich die Hausangestellte bei Familie Kappeler-Wüest in Frauenfeld, die aber sehr familiär behandelt wird u. z.B. auch ein Foto von Hedwig bekommt (vgl. HK12 und 13). Gemäss HK35 wohnt sie im Dachstock von Hedwigs Elternhaus.schliessen von der Photographie erfreut gewesen? Könntest Du mir nicht sagen was ich Euch Allen zu Weihnachten geben könnte? Ich habe gedacht, Henriette346Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen ein Serviettenband wie Hermine347Hermine Labhardt (geb. 1853), Hedwig Kappelers Cousine mütterlicherseits, Tochter von Philipp Gottlieb Labhardt und Natalie Labhardt-Wüest. Am 10. Juli 1878 Heirat mit Konrad Gottlieb Wilhelm Jänike; vgl. Stammbaum Wüest, Materialien.schliessen eins hat, u. den Buben348Hermann (geb. 1858), Ernst (geb. 1865) und Otto Kappeler (geb. 1869), Hedwigs Brüder; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen kann ich dann noch etwas da kaufen, es werden da vor dem Stadthaus349Das Stadthaus, in welchem sich die Amtswohnung des Stadtschreibers Johann Bernhard Spyri befand, stand am ehemaligen Kratzplatz, wo heute die Börsenstrasse in den Stadthausquai einmündet. Es wurde im Zuge der Umgestaltung des Quartiers 1886 abgerissen. Auf dem Stadthausplatz fanden grosse Märkte statt.schliessen um diese Zeit eine Menge solche Sachen verkauft. Aber Ernestine u. dem l[ieben] Vater350Hermann Kappeler (1808-1884), Oberst, Kaufmann und Verwaltungsratspräsident der Thurgauischen Hypothekenbank, Hedwigs Vater; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen u. allen andern weiß ich wirklich nichts u. ich muß doch etwas Kleines geben. Eine einfache Arbeit könnte ich schon noch machen, aber was? Sei doch so gut rathe mir ein wenig. Sage der l[ieben] Ernestine noch vielen Dank für ihren l[ieben] Brief u. sage Allen die herzlichsten Grüße von mir, namentlich dem l[ieben] Vater.

Sei noch tausendmal geküßt u. gegrüßt von Deinem Dich herzlich liebenden Kinde
Hedwig

[4 am Rd.] Herr Kahl351Joseph Oskar Kahl (geb. 1843), Konzertmeister und Lehrer an der damals neugegründeten Musikschule Zürich. Kahl ist Hedwigs Geigenlehrer in Zürich. Er ist verheiratet mit Ida Kempin, einer Schwester von Walter Kempin-Spyri und somit Schwägerin von Dr. Emilie Kempin-Spyri, der ersten Juristin der Schweiz, Nichte von Johann Bernhard Spyri. Wohnhaft Zeltweg 27; BB 1879, 219; Zürcher Adressbuch 1877.schliessen sagte mir in der letzten Stunde ich sollte Übungen in den Lagen spielen u. dazu ein Heft von Alard352Jean-Delphin Alard (1815-1888) französischer Violinist und Komponist, gesuchter Pädagoge, sein berühmtester Schüler war Pablo de Sarasate. Alard schuf eine beliebte Violinschule, eine Anthologie mit dem Titel "Maîtres classiques du Violon" und eine grosse Zahl von Phantasien, Konzerten und Etüden; Riemann Musik-Lexikon I, 17.schliessen haben, da ich es aber nachher nicht mehr brauche wäre [4 oben] es am besten ich würde ein Abonnement nehmen, das könnte ich mit Louise353Luise Fetscherin (1859-1951), Tochter von Rudolf Friedrich Fetscherin (1829-1892), 1859 Sekundärarzt in der psychiatrischen Klinik Waldau in Bern, von 1875 bis 1889 Direktor der psychiatrischen Klinik St. Urban; HLS IV, 487. - Luise besuchte im Wintersemester 1876/77 die Höhere Töchterschule in Zürich und wohnte damals zusammen mit Hedwig Kappeler als Pflegetochter bei Johanna Spyri. 1883 heiratete sie den Arzt Domenico Curo Tramèr. Das Ehepaar lebte ab 1886 in Basel und hatte fünf Kinder; Mitteilung Andreas Barth, Staatsarchiv Basel-Stadt, 4. Juni 2009. - 1908 erschien "Heidi, ein Kinderschauspiel in 3 Akten. Nach der Erzählung von Johanna Spyri bearbeitet" von Luise Fetscherin. Ob es von der Mutter oder der Tochter, die beide den selben Vornamen trugen, stammt, ist ungeklärt.schliessen theilen, daß es mich im halben Jahr gerade f. [Franken] 2.50 kosten würde. Ich bitte Dich nun mir [1 am Rd.] wenn Ihr etwa in Verlegenheit seid in Auswahl von Geschenken für mich so hätte ich das Buch354Vermutlich Johanna Spyri, Aus früheren Tagen, 1873, oder Verirrt und gefunden, 1873, Sammelbände ihrer frühen, kleineren Schriften für Erwachsene. Beide Bücher lagen bereits Ende 1872 vor.schliessen von F[rau] Sp[yri] u. dann eine Gedichtsammlung von Meta Heusser-Schweizer355Meta Heusser-Schweizer (1797-1876), Arztfrau und Schriftstellerin, Mutter von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer.schliessen [2 am Rd.] von denen neu erschienen sind, glaube zweite Auflage356Wohl Meta Heusser-Schweizer, Der Lieder einer Verborgenen dritte Auflage, 1877, lag wohl bereits zu Weihnachten 1876 vor. Die Erst- bzw. Zweitauflage erschienen 1858 und 1863; vgl. Werkverzeichnis in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, 357f.schliessen auch könnte ich ein Astrachanschlüpferchen357"Schlüüfferli": schweizerdeutsch für Muff. Astrachan ("Persianer") ist Lammfell oder Plüschgewebe mit fellartigem Aussehen.schliessen gut brauchen, da meine Hände für die Kälte noch sehr empfindlich sind. [3 am Rd.] Hoffentlich schreibst Du mir nun auch wieder einmal einen langen Brief u. beantwortest mir einmal meine Fragen, nicht wahr?