Edition – drei Briefgruppen
Heute hatte ich die angenehme Überraschung trotz meines Stillschweigens, einen Brief von Dir zu empfangen, eine sehr große Freude für mich. Wenn ich mich nicht irre, so habe ich Dir in letzten Ferien die Gründe meines zukünftigen Schweigens mitgetheilt, so daß es Dich eigentlich gar nicht überraschen sollte, so lange keine Nachrichten von mir zu haben. Auch hier befolge ich wieder den gleichen Grundsatz, den Du mir in Deinem Brief über das Violinspiel geschrieben, es muß Alles nach u. nach erlernt, u. mit Mühe erkämpft werden; weswegen ich auch nicht sogleich Briefe ohne Korrekturen schreiben kann u. doch schreckte ich vor der Drohung des l[ieben] Vaters301Hermann Kappeler (1808-1884), Oberst, Kaufmann und Verwaltungsratspräsident der Thurgauischen Hypothekenbank, Hedwigs Vater; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen zurück, daß er mir Briefe, mit solchen Dingen ge[2]schmückt zurücksende. Nun aber genug von diesen traurigen Sachen, ich erzähle Dir jetzt lieber, was ich seit meiner Ankunft hier getrieben [habe]. Es wird nun ganz regelrecht vorne angefangen u. geht schnell vorwärts so bis zu den Hauptereignissen. An jenem Sonntag wurde ich von Frau Sp[yri] u. Louise Fetscherin302Luise Fetscherin (1859-1951), Tochter von Rudolf Friedrich Fetscherin (1829-1892), 1859 Sekundärarzt in der psychiatrischen Klinik Waldau in Bern, von 1875 bis 1889 Direktor der psychiatrischen Klinik St. Urban; HLS IV, 487. - Luise besuchte im Wintersemester 1876/77 die Höhere Töchterschule in Zürich und wohnte damals zusammen mit Hedwig Kappeler als Pflegetochter bei Johanna Spyri. 1883 heiratete sie den Arzt Domenico Curo Tramèr. Das Ehepaar lebte ab 1886 in Basel und hatte fünf Kinder; Mitteilung Andreas Barth, Staatsarchiv Basel-Stadt, 4. Juni 2009. - 1908 erschien "Heidi, ein Kinderschauspiel in 3 Akten. Nach der Erzählung von Johanna Spyri bearbeitet" von Luise Fetscherin. Ob es von der Mutter oder der Tochter, die beide den selben Vornamen trugen, stammt, ist ungeklärt.schliessen abgeholt. Herr B[ernhard] Spyri303Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen war noch auf seiner Bude, sogenannt, eingesperrt, erst am Dienstag durfte er in die Stube kommen u. mit uns essen. Noch am Sonntag Abend wollte er daß wir herüberkommen u. wirklich mußten wir ein Glas Bier mit ihm trinken. Er war sehr artig. Am Montag morgen um 9 Uhr hiess es schon in die Schule, hingegen war der Nachmittag frei. Wir bekamen schon in der ersten Woche gesalzene Aufgaben, die sich nach u. nach so anhäuften, daß ich bald nicht mehr wusste wo aus. [3] Letzte Woche, als Fr. Sp[yri] fort war,304Johanna Spyri brachte ihren Sohn Bernhard nach Davos zur Kur.schliessen habe ich mit Louise305Luise Fetscherin (1859-1951), Tochter von Rudolf Friedrich Fetscherin (1829-1892), 1859 Sekundärarzt in der psychiatrischen Klinik Waldau in Bern, von 1875 bis 1889 Direktor der psychiatrischen Klinik St. Urban; HLS IV, 487. - Luise besuchte im Wintersemester 1876/77 die Höhere Töchterschule in Zürich und wohnte damals zusammen mit Hedwig Kappeler als Pflegetochter bei Johanna Spyri. 1883 heiratete sie den Arzt Domenico Curo Tramèr. Das Ehepaar lebte ab 1886 in Basel und hatte fünf Kinder; Mitteilung Andreas Barth, Staatsarchiv Basel-Stadt, 4. Juni 2009. - 1908 erschien "Heidi, ein Kinderschauspiel in 3 Akten. Nach der Erzählung von Johanna Spyri bearbeitet" von Luise Fetscherin. Ob es von der Mutter oder der Tochter, die beide den selben Vornamen trugen, stammt, ist ungeklärt.schliessen fleißig gearbeitet: Erst gestern ist Fr. Sp[yri] zurückgekehrt u. ist sehr froh wieder hier zu sein. Herr[n] Sp[yri]306Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen hat sie ziemlich gut in Davos, wo schon sehr tiefer Schnee liege, verlassen.307Dieser Kuraufenthalt von Diethelm Bernhard Spyri im Winter 1876 wird auch in Brief EK9 erwähnt.schliessen Denk, wir konnten sie gestern nicht einmal abholen, da sie ganz unerwartet kam u. wir schon am Sonntag von H[errn] Sp[yri]308Johann Bernhard Spyri (1821-1884), Stadtschreiber von Zürich und Ehemann von Johanna Spyri; vgl. Regine Schindler, Spurensuche, 349 und Stammbaum, 341; HBLS VI, 484.schliessen Billets in das Konzert erhielten. Letzten Freitag gab mir H[err] Sp[yri] seine Abonnementskarten in d. Theater,3091834 war in Zürich das Aktientheater in der ehemaligen Kirche des Barfüsserklosters an den Unteren Zäunen eröffnet worden, welches in der Neujahrsnacht 1890 abbrannte. Am 30. September 1891 wurde das neue "Stadttheater" (das heutige Opernhaus) eröffnet; Martin Hürlimann, Vom Stadttheater zum Opernhaus, 19, 34-39; Walter Baumann et al., Zürich zurückgeblättert, 181; vgl. auch das Kapitel zu Richard Wagner in: Regine Schindler, Johanna Spyri. Neue Entdeckungen und unbekannte Briefe.schliessen er war wirklich herzig nett mit uns, es wurde gerade "Martha",310Friedrich von Flotow, Martha oder der Markt zu Richmond, Uraufführung 1847.schliessen die Henriette311Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen so verhasst ist, aufgeführt. H[err] Sp[yri] begleitete mich hin u. holte mich dann wieder ab. Die Oper ist ganz hübsch, wenn ich sie jetzt nur wieder hätte, zum Spielen, es erinnert einem dann wieder bei bekannten Stellen an die Aufführung. Sage Henriette, wenn ich sie wieder sehe, so werde ich ihr aus der [4] Martha erzählen. Am Samstag war ich bei Anna Freuler312Anna Karoline Wilhelmine Freuler (geb. 1860), Mitschülerin von Hedwig Kappeler an der Höheren Töchterschule, Tochter von Markus Friedrich Wilhelm Freuler (1833-1896), Diakon an Predigern in Zürich, resignierte 1891 wegen allmählicher Erblindung; Jahresberichte der Höheren Töchterschule 1875-1880; Verzeichnis der Schülerinnen der Höheren Töchterschule 1875-1893, Klasse I, Schuljahr 1876/77; ZhPfrB, 279; BB 1879, 115.schliessen in der Augenheilanstalt von Horner313Johann Friedrich Horner (1831-1886), Dr. med., Medizinstudium in Zürich, 1856 Eröffnung einer allgemeinmedizinischen Praxis in Zürich und Habilitation an der Universität Zürich als PD für Augenheilkunde, Chefarzt der 1862 eröffneten ersten Univ.-Augenklinik der Schweiz am Kantonsspital Zürich. 1873 eröffnete Horner die Privatklinik Hottingerhof. Er operierte antiseptisch und betreute Augenkranke aus aller Welt; die Hälfte seiner Patienten behandelte er gratis; HLS VI, 474.schliessen wo sie jetzt ist, da sie sich operieren lassen mußte. Es ist ein schrecklich trauriger Eindruck, mit dem man das Haus verlässt, alles ist mäuschenstill, nur hie und da hört man im benachbarten Zimmer einen Schrank öffnen. Die gleiche Operation wie A[nna] F[reuler] mußte auch Katharina Vogler von Frauenfeld machen lassen u. zufälligerweise haben sie ihre Zimmer nebeneinander. Gestern Mittag war ich zu Herrn Kappeler314Vermutlich Johann Jakob Kappeler, alt Müller (1808-1882), Cousin von Oberst Hermann Kappelers erster Frau Henriette. Wohnhaft Tiefenhöfe 8/Thalgasse 29, in der Nähe des Stadthauses; vgl. Stammbaum Henriette Kappeler, Materialien.schliessen eingeladen u. um 3 Uhr gings dann in das Konzert. Wir konnten mit Luise Grob315Wahrscheinlich Hanna Luise Grob (geb. 1851), Tochter von Heinrich Grob, Prorektor und Professor am Gymnasium, Mitglied des Grossen Stadtrats; BB 1879, 139.schliessen u. ihrem Papa316Wahrscheinlich Heinrich Grob (geb. 1812), Prorektor und Professor am Gymnasium, Mitglied des Grossen Stadtrates. Wohnhaft an der Oberdorfstrasse 8; BB 1879, 139; Zürcher Adressbuch 1877.schliessen gehen, da wir die Plätze neben einander hatten. Es war das erste Oratorium317Georg Friedrich Händel, Saul, Uraufführung 1739. Der Gemischte Chor Zürich führte dieses Oratorium 1876 auf. Hedwig hatte schon in ihrem Brief vom 25. August 1876 berichtet, daß sie bei einer Probe des "Saul" zugehört hatte (s. HK7).schliessen das ich höre, natürlich ganz überraschend für mich u. mein Genuss wäre noch größer gewesen, wenn ich [5] Dich hätte neben meine Seite zaubern können, ich bin sicher, es hätte Dich auch ganz entzückt, u. dazu wäre es wieder einmal eine Erfrischung für Deine Nerven gewesen, die ganze Zeit habe ich so viel an Dich gedacht, namentlich als Frau Hegar318Susanna Albertine Hegar-Volkart (1838-1891), Musiklehrerin und Sängerin, erste Frau von Friedrich Hegar (1841-1927), Mitbegründer und Direktor der Zürcher Musikschule; NDB VIII, 206, Artikel Friedrich Hegar.schliessen als "David" eine Arie, in der sie den Tod Jonathans beklagt, sang u. dann das Duett von ihr u. Frau Walter-Strauß,319Anna Walter-Strauss (1846-1936), seit 1869 verheiratet mit dem Basler Musikdirektor August Walter. In Deutschland und der Schweiz gefeierte Lieder- und Oratoriensängerin (Sopran); Schweizer Musikbuch, Bd. 2, 210.schliessen die Michal320Tochter Sauls und Frau Davids.schliessen war. Oh es war himmlisch u. dann wieder die mächtigen u. großartigen Chöre nebst dem schönen Trauermarsch, der wirklich ganz erregend ist u. namentlich die klagenden Posaunentöne so seltsam sich machten. Denke Dir einmal, die Überraschung! Nach dem III. Akt plötzlich sehe ich Emil Keller,321Emil Keller (1838-1900), Musikdirektor, Musiklehrer an der Kantonsschule in Frauenfeld, Ehemann von Aline Keller-Kappeler (1846-1915), Hedwigs Halbschwester, Tochter von Oberst Kappeler aus erster Ehe; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen u. H[errn] Kap.322Unsichere Lesung. Evtl. "Kap." für "Kapellmeister".schliessen Hafter,323Möglicherweise Konrad Haffter (1837-1914), Oberrichter und Regierungsrat, Mitglied des eidgenössischen Schulrats, Dirigent des thurgauischen Kantonalsängervereins und Gründer des Oratorienchors Frauenfeld, Vater der Frauenfelder Kunstmalerin Marta Haffter (1873-1951); HBLS IV, 49; HLS VI, 32.schliessen jedenfalls sah mich Emil nicht; denn sie gingen wahrscheinlich schnell auf den Zug, aber es war wirklich schade den letzten Akt versäumen zu müssen. Dann war auch [6] der Bass, glaube Herr Staudigl,324Joseph Staudigl d. J. (1850-1916), Bass-Bariton, jüngster Sohn des damals berühmten Bassisten der Wiener Hofoper, Joseph Staudigl d. Ä. (1807-1861); Bayerisches Musiker-Lexikon online, hrsg. von Josef Focht, http://www.bmlo.lmu.de/s2868, 28.3.2011.schliessen sehr schön, er war Saul u. hatte wirklich eine wunderschöne Stimme, während mir der Tenor weniger gefiel. Es war das ganze Konzert natürlich ein Hochgenuss. Als wir nach Hause kamen wurden wir von Frau Sp[yri] herzlich empfangen, sie ist immer so lieb! Luise325Luise Fetscherin (1859-1951), Tochter von Rudolf Friedrich Fetscherin (1829-1892), 1859 Sekundärarzt in der psychiatrischen Klinik Waldau in Bern, von 1875 bis 1889 Direktor der psychiatrischen Klinik St. Urban; HLS IV, 487. - Luise besuchte im Wintersemester 1876/77 die Höhere Töchterschule in Zürich und wohnte damals zusammen mit Hedwig Kappeler als Pflegetochter bei Johanna Spyri. 1883 heiratete sie den Arzt Domenico Curo Tramèr. Das Ehepaar lebte ab 1886 in Basel und hatte fünf Kinder; Mitteilung Andreas Barth, Staatsarchiv Basel-Stadt, 4. Juni 2009. - 1908 erschien "Heidi, ein Kinderschauspiel in 3 Akten. Nach der Erzählung von Johanna Spyri bearbeitet" von Luise Fetscherin. Ob es von der Mutter oder der Tochter, die beide den selben Vornamen trugen, stammt, ist ungeklärt.schliessen gefällt mir ganz gut, sie ist ziemlich still, nur manchmal wenn ich etwas Lustiges ihr aus meinem Beth zurufe, so kann sie ganze Schollen lachen, viel mehr als ich. Der l[iebe] Vater wird sie Euch wohl ein wenig beschrieben haben er hat sie ja gesehen. Weißt gerade meine spezial Freundin wird sie nicht sein, ich habe sie nicht so lieb, wie ich mir vorstelle, daß ich eine rechte Freundin lieben würde.
Von der rothen Feder auf meinem Hut war ich gar nicht entzückt, ich habe sie auch sofort abgetrennt. Im Übrigen danke ich [7] Dir vielmal dafür sowie Henr[iette]326Henriette Kappeler (1856-1916), älteste Schwester von Hedwig, heiratet am 10. April 1880 Theophil Studer, Professor für Zoologie in Bern; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen auch für Deinen l[ieben] Brief, so wie Ernst's327Ernst Kappeler (1865-1936), jüngerer Bruder Hedwigs, bis 1893 Vikar im Thurgau, im Winter 1893/94 in Montreux, ab 1894 Pfarrer in Neunforn, nach dem frühen Tod seiner Frau (1905) von 1908-1931 in Zollikon. Ab 1896 verheiratet mit Marie Stephanie van Vloten (1874-1905); ZhPfrB, 372; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen Zettelchen u. die 3 Marken. Fräulein Castèle hat mir Photographien u. Frieda Bruggers Andenken gebracht, sage ihr, ich hätte sie gerne besucht, aber leider sei es mir unmöglich gewesen. Es ist so dumm, daß ich auf den Photographien so traurige Gesichter mache, ich kann es gar nicht begreifen. Nicht wahr Du bist dann so gut u. gibst in meinem Namen Hermann,328Hermann Kappeler junior (1858-1931), älterer Bruder Hedwigs. Ab 1892 verheiratet mit Maria Ida Ernestine Aepli (1866-1964); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen eine solche zum Geburtstag,329Hermann Kappeler junior wurde am 7. November 1858 geboren.schliessen ich werde sehen ob ich ihm darauf hin od. erst später schreiben kann. Wie gefällt es ihm eigentlich in der Lehre? Ernestine330Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen wird sich immer gut befinden u. abwechselnd in Extremen sein, sie dürfte mir auch einmal schreiben. Und der l[iebe] Ottoke[r]l,331Otto Kappeler (1869-1935), Hedwigs jüngster Bruder. Ab 1901 verheiratet mit Marie Pauline Stierlin (1877-1954); vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen wird brav in die Schule reisen. Deine Aufträge will ich besorgen sobald das Wetter ein wenig besser ist, denn da ich jetzt den Schnupfen habe mag ich nicht in diesem Regen in der ganzen Stadt herum tappen. Mein Mantel ist sehr nett u. warm [8] er wird Dir ganz gewiss gefallen, auch halte ich ihn gar nicht für unsolid. Mein brauner Rock habe dem jungen H[errn] Sp[yri]332Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen sehr gut gefallen, kannst Ernestine damit dann ein wenig trösten, den Blauen habe ich noch nie getragen. Du bist dann so gut gib den lieb. Verwandten Photographien von mir, nur nicht zu viel, Tante Marie333Maria Katharina (Marie) Kappeler-Kessler (1835-1900), Ehefrau von Johann Rudolf Kappeler und somit Hedwigs Tante väterlicherseits. Wohnhaft in Frauenfeld, nach dem Tod ihres Mannes (1888) in Zürich, Bahnhofstrasse 106, bei ihrem Sohn, dem Arzt Rudolf Kappeler, und ganz in der Nähe ihrer Tochter Marie Luise Bremi-Kappeler; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen kannst auch eine geben aber auch eine von ihr für mich betteln, ich besitze noch keine. Lisbeth334Lisbeth, im Brief HK1 "Lisabeth", wird in zehn Briefen von Hedwig gegrüsst. Sie ist offensichtlich die Hausangestellte bei Familie Kappeler-Wüest in Frauenfeld, die aber sehr familiär behandelt wird u. z.B. auch ein Foto von Hedwig bekommt (vgl. HK12 und 13). Gemäss HK35 wohnt sie im Dachstock von Hedwigs Elternhaus.schliessen gibst Du noch keine, ich möchte ihr gerne eine von hier aus auf den Geburtstag mit einem Briefe senden. Jedenfalls wirst Du mir noch welche hieher senden. Was jene Verstimmung über das Violinspiel anbetrifft, so rührt es von meiner ersten Stunde bei H[errn] Kahl335Joseph Oskar Kahl (geb. 1843), Konzertmeister und Lehrer an der damals neugegründeten Musikschule Zürich. Kahl ist Hedwigs Geigenlehrer in Zürich. Er ist verheiratet mit Ida Kempin, einer Schwester von Walter Kempin-Spyri und somit Schwägerin von Dr. Emilie Kempin-Spyri, der ersten Juristin der Schweiz, Nichte von Johann Bernhard Spyri. Wohnhaft Zeltweg 27; BB 1879, 219; Zürcher Adressbuch 1877.schliessen her, ich [hatte] nämlich meine Violine nicht bei mir u. benutzte sein Anerbieten auf seiner zu spielen, da sie aber keinen Halter hatte etc. so wurden viele Töne falsch, was mich so verdrießlich machte, besonders da ich vorher so fleißig geübt habe. Auch heute [8 am Rd.] hat er mir gesagt, ich müsse sehr aufpassen beim Üben. Du kannst doch gewiss begreifen, daß mich das traurig machte, wenn ich an die denke welche eben jeden falschen [Ton] sogleich merken [8 oben] während ich es nach vieler Müh u. Anstrengung endlich etwas Reines, das heißt ziemlich Reines zu Stande bringe.
[4 am Rd.] Jetzt aber gute Nacht meine l[iebe] Mutter, sei tausend Mal gegrüßt u. empfange einen herzlichsten Nachtkuß von Deiner dankbaren Hedwig.[4 oben] Grüße mir meine Geschwister u. l[ieben] Verwandten u. Bekannten vielmal, vor allem auch den l[ieben] Vater. Hoffentlich bist Du zufrieden mit diesem langen Brief u. schreibst mir recht bald, gelt? [1 am Rd.] Sei so gut u. schicke mir doch 10 Marken ich habe kein voriges336"Voorig", "vorig": schweizerdeutsch für "übrig".schliessen Geld, welche zu kaufen. [2 am Rd.] Viele Grüße von Frau Spyri. Es ist mir sehr unangenehm daß mir Fried[a] B[rugger] das Dings geschickt hat, muß ich ihr jetzt schreiben? [7 am Rd.] Emma Vögeli337Emma Johanna Vögeli (geb. 1859), wie Hedwig Schülerin an der Höheren Töchterschule, Enkelin von Prof. Alexander Schweizer (1808-1888), gewesener Pfarrer am Grossmünster; zeitweise wohnte sie bei ihm an der Stadelhoferstrasse 15. Sie ist die Tochter von Charlotte Amalie Schweizer (geb. 1836) und Franz Anton Vögeli (1825-1874). Emma hat noch zwei Schwestern: Bertha (geb. 1861) und Charlotte (geb. 1867).schliessen hat mir Grüße für Ernestine338Ernestine Kappeler (1857-1897), ältere Schwester Hedwigs. Ab 1883 verheiratet mit Friedrich Benedikt Brügger, Bürger von Churwalden. Sie starb am 14. Oktober 1897 an einer Bronchitis mit Lungenentzündung; vgl. Stammbaum Kappeler, Materialien.schliessen aufgetragen.