Edition – drei Briefgruppen

Brief EK50 – 9.9.1882
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EK50 9.9.1882
Zürich 9. September 1882

[An Aline Kappeler]

Wenn Du in Betracht ziehst, daß ich in den letzten Tagen völlig die Rolle einer Straßenlokomotive zwischen Zürich u. Hottingen zu spielen habe,1002Im Sommer und Herbst 1882 war Johanna Spyris Bruder, der Mineraloge und Landvermesser Jakob Christian Heusser (1826-1909), Grossgrundbesitzer in Argentinien, erstmals seit er die Heimat im Jahr 1856 verlassen hatte, zu Besuch in Zürich. Er und seine Frau Anna, geb. Smith (1831-1907), eine Engländerin Bremer Abstammung, wohnten damals in Hottingen vermutlich in einer Pension, evtl. auch in einem Zimmer zur Miete, möglicherweise in der Pension Tiefenau (heute Hotel Claridge), Steinwiestr. 8-10, 1835 erbaut; Regine Schindler, Spurensuche, 248-266, 343f.; zu Jakob Christian Heusser vgl. Barbara Helbling, Jakob Christian Heusser.schliessen nimmst Du es mir gewiß nicht übel, daß ich Dir erst heute danke. Meine Leute sind heute früh abgereist, nach Paris u. England.1003Jakob Christian Heusser begleitete seine Frau Anna Heusser-Smith zu ihren Verwandten nach England und kehrte daraufhin allein nach Zürich zurück; Regine Schindler, Spurensuche, 249.schliessen In einer Woche wird mein Bruder1004Jakob Christian Heusser (1826-1909), Bruder von Johanna Spyri, Mineraloge und Landvermesser (Agrimensor), Grossgrundbesitzer in Argentinien. Er war im Sommer und Herbst 1882 erstmals, seit er die Heimat im Jahr 1856 verlassen hatte, zu Besuch in Zürich; Regine Schindler, Spurensuche, 248-266; zu Jakob Christian Heusser vgl. Barbara Helbling, Jakob Christian Heusser.schliessen wieder kommen, dann bleibt er bei uns. Es wird noch vielerlei Unruhe mit sich bringen, er hat eine Masse Freunde,1005Christian Heusser war in Zürich sehr bekannt und beliebt. Die Neue Zürcher Zeitung berichtet von einer "zahlreichen Freundenschaar", die sich zu seiner Verabschiedung von Zürich ein gutes Vierteljahrhundert zuvor, im Dezember 1856, versammelt hatte. Zu seinen bekanntesten Freunden gehörten Gottfried Keller, der seit Heussers Berliner Studienzeit mit ihm befreundet war, und der Ingenieur Kaspar Wethli, er hatte Heusser vor dessen Abreise ins Vermessungswesen eingeführt; vgl. Barbara Helbling, Jakob Christian Heusser; Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, 119-127; Regine Schindler, Spurensuche, 248-266; Neue Zürcher Zeitung, 12. Dezember 1856.schliessen die immer fort kommen u. gehen u. wieder kommen. Meine Herbsttage werden unruhig ausfallen, eigene Pläne kann ich gar keine machen.

Wenn ich wieder mit H[edwig]1006Hedwig Kappeler (1860-1932), Tochter von Oberst Hermann Kappeler und Aline Kappeler-Wüest. In den Jahren 1876 bis 1878 Schülerin an der Höheren Töchterschule in Zürich und Pflegetochter bei der Familie Spyri. Anschliessend verbrachte Hedwig Kappeler ein Jahr in Genf, dann ging sie als Lehrerin nach England. Später engagierte sich Hedwig Kappeler in der bürgerlichen Frauenbewegung. Johanna Spyri blieb sie bis zu deren Tod 1901 eng verbunden und unternahm mit ihr Reisen nach Deutschland und Italien.schliessen zusammen bin, so habe ich doch immer das Gefühl, als sei sie ein Glied meines Hauses, das wird mir gewiß so bleiben, es ist es [sic!] etwas, das sich nicht macht im Leben, es wird eben so durch sich selbst. Ein solches Gefühl, daß Jemand als Kind ins Haus gehört, kann man nicht nur so nehmen, es muß erlebt sein. Bei uns Menschen hängt das innre u. äußere Leben so nah zusammen, wie Leib u. Seele, man kann darum so vieles nicht zwingen, das ganz einfach scheint, das Leben muß es werden lassen.