Edition – drei Briefgruppen

Brief EK57 – 31.12.1883
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EK57 31.12.1883
Zürich 31. Dezember 1883
[An Hedwig Kappeler]

Bernhard1017Diethelm Bernhard Spyri (1855-1884), einziger Sohn von Johann Bernhard Spyri und Johanna Spyri-Heusser. Studium der Rechte in Zürich, Leipzig (1875/76) und Göttingen (1877/78), während kurzer Zeit Tätigkeit als Sekretär der kaufmännischen Gesellschaft Zürich. Studium und Arbeit werden immer wieder durch Krankheit und Kuraufenthalte unterbrochen. Bernhard stirbt knapp 29jährig an Tuberkulose.schliessen wurde es auf einmal Angst, es werde in Pisa unten alles so ganz anders sein, als uns gewohnt sei u. er frug den Arzt, ob er nicht an den Lago Maggiore gehen könne, da wir dort die Besitzerin einer Pension1018Fräulein Ursolina Camenisch (1844-1920), Besitzerin der Pension Camenisch in Suna am Lago Maggiore, in welcher Johanna Spyri wiederholt zu Gast war. Elemente der Persönlichkeit und Lebensgeschichte der aus Celerina (Engadin) stammenden Camenisch sowie der Gegend um Suna liess Johanna Spyri in ihre zweiteilige "Dorigeschichte" - Was soll denn aus ihr werden (1887) und Was aus ihr geworden ist (1889) - einfliessen; vgl. das Kapitel zu Suna in: Regine Schindler, Johanna Spyri. Neue Entdeckungen und unbekannte Briefe.schliessen kennen. Er erlaubte ihm, bis es zu kalt würde. So reisten wir denn Ende November nach dem schön gelegenen Suna bei Pallanza, unmittelbar am See gelegen im Angesicht der schönen Inseln. Es war ein wundervoller Anblick die Aussicht aus unsern Fenstern. Auch waren wir die ersten u. einzigen Pensionäre u. führten ein recht gemütliches Leben. Es wurde aber nach einiger Zeit zu kalt auch dort unten u. die offenen Kamine in allen Zimmern waren zu luftige Wärme, wir mußten fort. Am 20. siedelten wir nach Pisa über u. bereuten es nicht. Da ist es eben das ächte Italien, warm, hell, sonnig, kein Wind, kein Nebel, keine Kälte. Zimmer fanden wir sehr nette gegen die helle Sonne am Lung Arno u. dazu ein sehr gut gehaltenes, amüsantes Restaurant, wo wir unsre Mahlzeiten einnehmen. Von 10 Uhr morgens an spazierten wir im hellen Sonnenschein bis um 1 Uhr u. nach Tisch gingen wir noch einmal bis gegen 5 Uhr, denn erst um halb 5 Uhr geht die Sonne unter u. bis dahin ist es völlig warm. Italien ist ein Gott gesegnetes Land. Schon nach ein paar Tagen wurde Bernhards Husten etwas milder, er sagte auch, er atme viel leichter.