Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer
13.2.–17.2.1797
War unsre theüre Sette14
Meine Nette16
Unter den Neüigkeiten, die die theüre Sette mit sich aus der Stadt brachte, verdient folgende hier vorzüglich bemerkt zuwerden ...
"Es seye nemlich eine ganz neüe Herrn u. Frauenzimmer Gesellschaft entstanden, die jede Woche zween Abende zusamen komme, die wechselsweise v. Chorh. Hottinger,17
Ein Mitglied von dieser Gesellschaft seye nun nebst Leutpriester Schulthess21
Eben das schrieb uns auch unsre l[iebe] Bäbe25
Und, was sollen wir sagen? ach, was anders – als "wohin wills auch noch mit unserm Georg kommen?" Eine Außenverbindung, in die er tritt, zieht eine neüe nach sich: u. solcher Außenverbindungen wie manche ist nun seit 10 Jahren entstanden? u. welche hat nicht unsern Georg uns und dem Herrn immermehr geraubet?
Elisabeth Gessner (1755-1831), Schweizers Schwägerin, Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, lebte seit der Heirat Schweizers mit Anna Gessner 1785 in deren Haushalt, vgl. Hauschronik 33, 91.schliessen
mit den beyden aelteren Kindern15Elisabeth (1786-1824) und Anna (1787-1837), die beiden ältesten Töchter von Diethelm und Anna Schweizer-Gessner.schliessen
auf Besuch in der Stadt. Meine Nette16
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
u. ich waren so diese Tage über seit unsrer Verehelichung das aller erste Mal allein bey einander. Es war uns daher ganz neü, so weder bey Tag noch zu Nacht diese unsre Liebe um uns zusehen: sie selbst aüßert in einem Briefgen an uns v. 15 hierüber diesen Gedanken ... "Das sonderbar Seltne eüres Alleinseyns wie bekam's eüch? Gewiß auch wohl; denn alles ist gut; u. kein Augenblik unsers Hierwallens ist indifferent, am wenigsten solche!"
Dies glauben wir wirklich auch: aber wir hatten doch bisweilen lange Zeit, u. wir freüten uns aus der Maassen, da der Freytag Abend gekommen, wo wir diese unsre Liebe mit den beyden Kindern wieder in unsre Arme empfiengen. Unter den Neüigkeiten, die die theüre Sette mit sich aus der Stadt brachte, verdient folgende hier vorzüglich bemerkt zuwerden ...
"Es seye nemlich eine ganz neüe Herrn u. Frauenzimmer Gesellschaft entstanden, die jede Woche zween Abende zusamen komme, die wechselsweise v. Chorh. Hottinger,17
Johann Jakob Hottinger (1750-1819), Sohn des Johann Heinrich, Pfarrers von Ossingen, Philologe und Schriftsteller; Schüler von Steinbrüchel, ord. 1769, studierte in Göttingen, wurde in Zürich 1773 Prof. der Eloquenz am Carolinum, 1776 der Geschichte, 1789 der alten Sprachen am Collegium humanitatis und 1796 Chorherr; gehörte wie seine Lehrer "zu den humanistisch-rationalistischen Vertretern der Zürcher Aufklärung" (Wehrli), polemisierte gegen den Sturm und Drang und das Genie-Wesen, war Mitherausgeber an Wielands Neuem attischen Museum und den Zürcherischen Beiträgen zur wissenschaftlichen und geselligen Unterhaltung; HBLS IV, 297; Killy, V, 476. – Vgl. auch im Begleitbuch zur CD das Kap. II, darin: "Auf der Suche nach religiöser Gemeinschaft".schliessen
v. Prof. u. Pfr. Meister,18Leonhard Meister (1741-1811), ord. 1764, 1773 Prof. der Sittenlehre, Geographie und Geschichte an der Kunstschule in Zürich, 1791 Pfr. zu St. Jakob, resignierte 1799, Sekretär des helvetischen Direktoriums, seit 1800 wieder Pfr. in Langnau, 1808 Kappel. Fruchtbarer Schriftsteller; HBLS V, 71; ZhPfrB, 425f. – Diesem Meister begegnet Schweizer in seinen jungen Jahren einmal auf der Rückreise von Baden, wo er mit ihm in der gleichen Kutsche sitzt. Er entdeckt an ihm "etwas herrlich Großes – Natur, aber entsezlich übertünkt, verdunkelt, beynahe unsichtbar gemacht durch französischen Kalch, Kieselstein und – Licht." Tagebuch vom 25.-27.7.1777, Bg. 7, 9.schliessen
v. Obmann Füßli19Johann Heinrich Füssli (1745-1832), "Obmann Füssli", Schwiegervater von Pfr. Hans Heinrich 1756-1834), Pfarrer in Kilchberg; Schüler Steinbrüchels und Nachfolger Bodmers als Prof. für vaterländische Geschichte, 1777 Mitglied des Grossen, 1785 des Kleinen, 1793 des Geheimen Rats, 1798 Mitglied der Landeskommission, am 17.8.1800 Mitglied des gesetzgebenden Rates der Helvetik, später Senator und am 12.4.1802 einer der Urheber des unitarischen Staatsstreiches, 1803-1829 Mitglied des Grossen Rats, 1805-1821 Redaktor der NZZ; HBLS III, 357; Wehrli, Das geistige Zürich, 354f.schliessen
u. Jkr. Rathsubstitut Weiß20Wahrscheinlich David von Weiss/Wyss (1763-1839), Sohn von Rat und Bürgermeister David von Wyss (1737-1815), 1785 Ratssubstitut, 1794 Unterschreiber, während der Revolution in Lindau, Basel und Deutschland, 1801-1802 als Föderalist eidg. Senator, 1803 wieder Mitglied des Grossen und Kleinen Rats, 1814-1832 Bürgermeister; HBLS VII, 611.schliessen
unterhalten werde – zur Bildung u. Cultivierung des Geschmaks besonders der Frauenzimmer." Ein Mitglied von dieser Gesellschaft seye nun nebst Leutpriester Schulthess21
Johann Georg Schulthess (1758-1802), Sohn des Hans Georg (1724-1804), des Freundes Bodmers, Wielands und Klopstocks; ord. 1780, 1779 Hauslehrer in Weiningen, 1781 Lehrer am Carolinum, 1791 Diakon in der Leutpriesterei, 1794 Teilnahme an Fichtes Vorlesung, 1795 Feldprediger am Stäfner Zug, 1798 Mitglied, 1800 Präs. des Erziehungsrates, 1801 Diakon an St. Peter, starb an den Folgen einer Verwundung beim Bombardement von Zürich am 13.9.1802; ZhPfrB, 517; HBLS VI, 255.schliessen
auch unser Georg.22Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
Lavater23Johann Caspar Lavater (1741-1801), Sohn des Johann Heinrich, Arztes, und der Regula Escher vom Glas, verh. 1766 mit Anna Schinz; ord. 1762, 1765 Mitglied der Helvetischen Gesellschaft und Mitarbeiter am Erinnerer, 1769 Diakon, 1775 Pfr. am Oetenbach, 1778 Diakon, 1787 Pfr. an St. Peter. Mit seinen Werken, bes. den Physiognomischen Fragmenten zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe (1783-1787) und den Aussichten in die Ewigkeit (1768/69) wurde er eine europäische Berühmtheit, unterhielt Kontakte mit u.a. Spalding, Herder, Jung-Stilling, Claudius, Goethe; HBLS IV, 636; ZhPfrB, 403; Killy VII, 181-183.schliessen
rede ihr das Wort. u. Heß:24Johann Jakob Hess (1741-1828), ord. 1760, dann Vikar seines Onkels Kaspar in Neftenbach, anschliessend ausführliches Bibelstudium, Grundlage seines grossen theologischen Werks, 1777 Diakon am Fraumünster, 1777-1795 Präs. der Asketischen Gesellschaft, 1795 Antistes; HBLS IV 208f.; ZhPfrB, 334f.; G. Gessner, Blicke auf Leben und Wesen von J.J. Hess, 1829, F. Ackva, Johann Jakob Hess (1741-1828) und seine Biblische Geschichte, Bern 1992: Nachlass in ZBZ: FA Hess 1741, und StAZ: Amtsnachlass.schliessen
habe öffentlich wieder sie gepredigt. Eben das schrieb uns auch unsre l[iebe] Bäbe25
Bäbe Gessner, geb. Hess (1754-1826), Tochter von Hans Conrad Hess, Amtmann am Oetenbach, und Anna Barbara, geb. von Orelli, verh. 1779 mit Hans Caspar Gessner; vgl. Stammbäume Gessner-Keller und Hess-von Orelli, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
in einem Alleinbriefgen26Ein Brief, der nur an eine bestimmte Person resp. an die Kernfamilie geht; im Gegensatz zum öffentlichen Brief, der sich an den gesamten Familienkreis inkl. Freunde der Familie richtet; vgl. Tagebuch vom 26.3.1801.schliessen
v. 7–12 d[es Monats]. Und, was sollen wir sagen? ach, was anders – als "wohin wills auch noch mit unserm Georg kommen?" Eine Außenverbindung, in die er tritt, zieht eine neüe nach sich: u. solcher Außenverbindungen wie manche ist nun seit 10 Jahren entstanden? u. welche hat nicht unsern Georg uns und dem Herrn immermehr geraubet?
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