Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer
4.12.1797
Aus Briefen nach St. Gallen.59
Wahrscheinlich an Töchter aus der Familie von Caspar und Cleophea Bernet-Weyermann; vgl. Stammbaum der Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
1.
"Wie ein großes ist es, wenn von einem Menschen, von einem Christen gesagt werden kan – er kan genossen werden! d. h. sein Wesen wirkt auf unser Wesen; sein Wesen macht wohl unserm Wesen; sein Wesen baut, u. befestigt unser Wesen in allem wahr Menschlichen, wahr Christlichen, wahrhaft Beseligenden u. Himmelan streben machenden." 2.
"Was ists Kinder geboren zuhaben, u. Kind zuseyn? Es ist, so dünkt es mich, in der innigsten Verbindung mit einander stehen, von der man zum voraus fühlt, daß sie durch den Tod nicht gehoben, sondern nur auf eine andere Seite gewendet wird, die für die noch auf der Erde Bleibenden zu geistigem Genusse gemachet wird: u. der wie nöthig ist, er für uns, da aller leibliche Gegenwartsgenuß bälder oder langsamer für uns vergehet." 3.
"Auch mitten indem der Herr weehe thut – thut er wohl. Das wollen wir glauben, u. fest auf diesem Glauben beharrend unabführbar beym Herrn verbleiben, der doch immer, wie es sich aus unsrer heütigen Menschen- u. Christen-Geschichte zeiget, noch der beste Herr ist." 4.
"Sie würden mir rathen, oft in die Stadt zu gehen. O thun Sie das ja nicht! ich bin zu niedrig für die Stadt: u. fühle den Druck u. das oft heisse Leiden meiner Lieben, die ich daselbst habe. Indessen ist der Christen Druck zu unsrer Zeit zu Stadt u. Land gleich: u. selig ist für diese Zeit jeder, der im stillen Verborgenen leben u. da wirken kan." 5.
"Gott giebet jedem nach seinem Charakter, nach seinem Glauben u. nach seinen Bedürfnißen, u. damit erweiset Er sich eben als der uneingeschränkteste Menschengott, u. dann oben drauf als der weiseste Menschengott, indem Er uns mit dem, daß Er uns das giebet, was wir nach unserm Charakter u. Glauben bedürfen, gerade das giebet, was zu unsrer weiteren Ausbildung, Reinigung u. Veredlung nöthig ist. Dahin ziehlen alle seine Gaaben – die süssen u. die bittern, die uns auf die Weite führenden, u. die uns in die Enge treibenden. Nehmen wir beyde Sorten zu diesem Zwecke an, so erreichet Er seine Absicht, u. wir werden vollkommen: und wer das durch alles wird, was Er von seinem Gott erhält, der scheint mir ein Meister in Gottes Seminarium zuseyn."––
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