Brief Nr. 91 – 25.12.1864
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91 25.12.1864
Buenos Aires, Weihnachtstag 1864
Liebe Mama!

Gestern sind hier einige Kisten eingeschifft worden, die etwa Ende Februar nach der Schweiz kommen werden; sie sind an Brennwald adressirt, ein Theil des Inhalts ist aber für den Hirzel bestimmt. Ich habe zwar früher schon darüber an Hanni geschrieben, will aber heute noch ausführlich darüber an Dich selbst schreiben, da der Inhalt mir sehr wichtig ist. Er zerfällt in zwei Theile: 1) Geschenke, 2) Naturalien und Alterthümer.

Was die Geschenke betrifft, so erinnere ich mich nicht mehr genau an Alles; es sind meist Kleinigkeiten, die nur als Curiositäten Werth haben können, denselben vielleicht nicht haben, wie Straußen-Eier, Mataco-Schalen etc. Wichtig sind mir aber die Schnitzwerke aus Stein: Das erste stellt drei Indier dar, die auf Raub ausgehen, und Abends beim asado (Braten) und mate (Paraguay-Thee) beisammen sitzen, ihre drei Lanzen neben sich aufgepflanzt. Der eine der drei Gesellen macht sich eine Papier-Cigarre zurecht, der zweite schlürft den mate aus dem Mate-Topf und der dritte bereitet den Braten, der über dem lodernden Feuer hängt. — Die Figuren der drei Pampas-Indianer (kleine, dicke Kerls) sind famos gemacht. Diese Gruppe ist für Frau Geh. Rath Weiss bestimmt. — Du kannst ihr schreiben, daß dieser Tinta-Stein weitläufig beschrieben ist in einer Arbeit, die hier Spanisch erschienen ist, und in Zürich nächstens in Deutsch erscheinen soll, oder vielleicht schon erschienen ist.

Das zweite stellt die Hütte des gefürchteten Indianer-Häuptlings Calfucura633Der Kazike Calfucura, war der einflussreichste Häuptling der Indianer in ihrem Stammgebiet zwischen Argentinien und Chile. Er hatte 1852 Bahia Blanca überfallen, war zeitweise mit Urquiza verbündet und handelte mit ihm und seinen Nachfolgern die Verträge aus über die Territoriumsgrenzen der Indianer. Nach schweren Übergriffen des Kommandanten von Bahia Blanca gegen die Indianer im Herbst 1870 organisierte Calfucura den Überfall auf Bahia Blanca am 23. Oktober 1870. M. Hux, Georges Claraz 1832-1930. Ein Schweizer Forscher in Argentinien und Brasilien, Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Gesellschaft in Zürich, Jg. 120, Zürich 1975, S. 458f.schliessen dar, aus Algarroba-Stämmen634Algarroba-Baum: auf Deutsch auch Johannisbrotbaum genannt.schliessen und Kuhhäuten bestehend.

Das dritte endlich stellt eine Indianerin dar, die einen jungen Strauß füttert. Die beiden letzten Figuren sind zu Geschenken bestimmt für diejenigen meiner nahe Stehenden, denen sie Freude machen; das ist aber Bedingung, sonst könnt Ihr sie einfach aufbehalten, bis ich einmal zurückkomme; ich werde sicher Abnehmer finden, die den Werth zu würdigen wissen.

Die drei Stein-Figuren sind in einem kleinen weißen Kistchen enthalten; sie sind zwar von einem Hirzler (Landis von der Pfeifferhausen-Gret), aber sehr sorgfältig zugemacht und vernagelt, und es kommt nun [S.2] darauf an, daß diese Kiste eben so sorgfältig, ganz sachte und ohne Anwendung jeder Gewalt aufgemacht werde; sehr leicht könnte sonst die erste der drei Figuren brechen. — Was die Naturalien und Alterthümer betrifft, so ist mit denselben Nichts weiter zu thun, als sie sorgfältig im Bäuli aufzubewahren, so daß Nichts, auch nicht das scheinbar Werthloseste verloren geht. Wenn Prof. Mousson oder Escher von Zürich oder Studer von Bern dieselben sehen wollen, so soll dies gestattet werden; sollten diese Herren noch Jemanden mitbringen, so begreife ich allerdings, daß man nicht leicht Jemanden ausschließen kann, daher will ich diese Bedingung nicht stellen. Indeß hoffe ich, daß es nicht geschehen wird, da ich ziemlich klar über diesen Punkt an Mousson geschrieben habe. — Unter den Naturalien und Alterthümern befindet sich eine Pferdehaut und ein quillango (Indianer Mantel von Guanaco-Fellen), beide mit eigenthümlichen Zeichnungen auf der Rückseite versehen, sind also ebenfalls gut im Bäuli aufzubewahren; das Zimmer muß aber gut gelüftet werden. Wie Ihr die Sachen sicher nach dem Hirzel bringt, das will ich Euch überlassen; nur seid nicht mesquin und lasst nicht, um einige Centimes zu sparen, die ganze Geschichte verloren gehen. Mir scheint, es wäre am besten den Knecht mit Roß und Wagen nach Feldbach635In Feldbach (Gemeinde Hombrechtikon) befand sich die Spedition von Brennwalds Firma.schliessen zu schicken, um Alles dort bei Brennwald selbst in Empfang zu nehmen. — Sehr wichtig ist mir auch ein Körbchen aus Stroh, von den Indianern des Feuerlands geflochten, dies sehr gut aufzubewahren. Nun ist noch der Fall zu besprechen, wenn Euer Zorn so nachhaltig wäre, daß Ihr Euch mit diesen Dingen gar nicht befassen wolltet. In diesem Falle würde ich einfach an Theodor die Rechtsfrage stellen, ob ich über das Bäuli etwas zu verfügen habe, oder nicht. Im ersteren Fall würde ich doch Alles ins Bäuli schaffen, aber freilich dann für alle Welt verriegeln lassen; im letztern Fall aber würde ich Alles an Claraz's Alten nach Freiburg schicken. —

Am Alt-Jahres Abend vollendet um 7 Uhr, nach Europäischer Uhr um 10½, schon nahe am Jahres-Wechsel; also Glück zum Jahr 1865!

Chr.

NB. Die oben erwähnten quillangos werden hier in B. A. als Teppiche zur Zierde der Zimmer gebraucht; zu dem Zweck scheinen sie mir auch als Geschenke für Europa zu passen, und ich bin auch bereit welche zu schicken; nur muß ich zuerst wissen, ob dieselben [S.3] den Eindruck und die Freude machen, die ihrem Ankaufspreis in hier entspricht, oder ob ich nicht besser thue, alle Einkäufe in hier zu lassen, und wenn ich einmal nach Hause komme, Geschenke drüben in Paris oder irgend einer großen Stadt zu kaufen. An Brennwald habe ich mehrere quillangos für den Handel geschickt. Von Brennwald könnt Ihr Euch eines der Schöneren zeigen lassen, und mir dann schreiben, ob Euch etwas Dergleichen gefällt, oder nicht; auch Netti könnt Ihr fragen.

An Hanni habe ich selbst geschrieben. Damit Ihr übrigens seht, daß man mit demselben Geld in Europa Vieles kaufen könnte, will ich nur noch bemerken, daß diese quillangos in Patagones selbst pro Stück 50 bis 60 Frk. kosten, und für die oben erwähnten Stein-Figuren habe ich folgende Preise bezahlt: für die erste über 200 Frk., für die zweite über 100 Frk., und für die dritte etwa 30 Frk.

Chr.


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