Brief Nr. 88 – 23.3.-3.5.1863
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88 23.3.-3.5.1863
[unterwegs - Buenos Aires, 23. März - 3. Mai 1863]
Liebe Mama, Tante Regeli und Geschwister!

Der Ort wo, und die Verhältnisse, unter denen ich diese Zeilen schreibe, werden Euch hinlänglich erklären, warum sie mit Bleistift und auf solchem Papier geschrieben sind. Doch will ich nicht mit der Beschreibung des Orts anfangen, sondern mit der Reise, die mich dahin geführt. — Am 20t. Februar 1863 trat ich mit meinem treuen Begleiter Claraz zusammen die längst angekündigte Reise nach Patagones an, und zwar auf einem kleinen Dampfer, der vor etwa 6 Monaten diese Küstenfahrt eröffnet hat und monatlich Eine Reise macht. — Die Auspicien schienen günstig zu sein: der Himmel und die Stimmung waren gleich heiter. Unser Ziel war der Erreichung nahe, nämlich den letzten Fleck der Provinz Buenos Aires, den wir noch nicht gesehen, und damit den südlichsten Theil Süd-Amerikas, der überhaupt Europäern zugänglich, kennen zu lernen. Haben wir erst Patagones gesehen und gefällt es uns nachher nicht mehr in B. A., so können wir jeden Tag aufbrechen: so viel haben wir in Süd-Amerika gesehen und gelernt, daß wir uns überall durchzuschlagen im Stande sind. — Als schroffen Gegensatz zu dieser fröhlichen Stimmung trat bei mir schon nach wenigen Stunden die unangenehme Seekrankheit [ein] und verließ mich nicht, bis wir am 4t.Tag in Bahia Blanca an Land stiegen. Die Seekrankheit macht ihr Opfer so vollständig unfähig für jedwede Beobachtung und jedweden Eindruck, daß ich wirklich von der ganzen Reise Nichts zu erzählen weiß. Nur den allgemeinen Eindruck lassen die wenigen lichten Momente einer jeden Seereise in mir zurück, daß die See doch ein schönes Element ist, und dem, der das unausgesetzte Schaukeln ertragen kann, herrlichen Genuß bietet. — Ich fahre also mit Bahia Blanca fort, oder vielmehr fange damit an. Bahia Blanca ist ein ziemlich schlechter Hafen mit einer kleinen, elenden Ortschaft, noch armseligeren Befestigungswerken und einer kleinen Besatzung. Von Bahia Blanca aus nordwärts fast 60 bis 80 leg.592Die argentinische Legua misst 5,196 km.schliessen (die Spanische legua ist ziemlich nahe gleich der Schweizerstunde) ist das Land unsicher, nicht von der hiesigen Bevölkerung bewohnt, aber auch nicht von den Indianern wirklich inne gehabt, sondern bloß unsicher gemacht. Früher zur Zeit von Rosas war dies ganze Gebiet im Besitz der Hiesigen und man konnte ohne Gefahr zu Land von B. A. nach Bahia Blanca gelangen. Nach Rosas Sturz593Juan Manuel de Rosas regierte autokratisch bis zu seinem Sturz 1852; danach brach auch der militärische Schutz in der Region gegen die Indianer zusammen.schliessen fielen die Indianer hier [ein] und drängten die christliche Bevölkerung zurück. Daß sie nicht bleibend sich hier niedergelassen hängt mit den eigenthümlichen Verhältnissen zusammen, in denen Indianer und Hiesige mit einander leben, und von denen ich vielleicht noch in diesen Zeilen, oder aber später einmal berichten werde. — In der Ortschaft Bahia Blanca selbst sind die Indianer zwar wiederholt eingefallen und haben geplündert, haben aber doch die hiesige Bevölkerung [S.2] nie daraus vertrieben. Daß die Ortschaft Bahia Blanca nicht aufgeblüht und so weit erstarkt ist, um den Indianern ihre Einfälle zu verleiden, ist wohl hauptsächlich Folge der langjährigen Kriege von Buenos Aires mit den innern Provinzen: die militärische Besatzung war immer sehr schwach, und des schlechten Hafens wegen war auch die Wasser-Verbindung von Bahia Blanca mit B. A. eine sehr mangelhafte. So kommt es, daß trotz einem sehr liberalen alten Gesetz, Bahia Blanca bis zur Stunde ein armseliger Ort ohne Bedeutung geblieben ist; nach diesem Gesetz hatte seit Jahren Jedweder, Hiesiger oder Fremder, der in der Nähe von Bahia Blanca auf einem Stück Land mit Rindvieh oder Schaafen sich niederließ, damit das Eigenthumsrecht auf ¾ Quadratleguas, also ungefähr auf ein Stück Land von der Größe der Gemeinde Hirzel. Und das Land in und um Bahia Blanca ist keineswegs schlecht; für Rindvieh und Schaafe ist es zwar nicht vorzüglich, aber doch mittelmäßig; Europäische Getreide gedeihen ganz gut, und Europäische Früchte sogar vortrefflich: Trauben haben wir hier gegessen so wohlschmeckende und kräftige, wie kaum je vorher (— wenn nicht die lange Entbehrung uns dieselben doppelt schmackhaft erscheinen ließen —) und zweifeln nicht, daß sich hier ein vortrefflicher Wein bauen ließe. Und diese Vermuthung hat sich Bestärkung gefunden in einem herrlichen weißen Muskateller-Wein, (ganz mit dem Geschmack des Walliser Muskatellers) den wir nachher getrunken, und der in Patagones gewachsen war. —

In Bahia Blanca trennten wir uns; Claraz gieng mit dem Dampfschiff weiter nach Patagones; ich brach am 28t. Februar Abends in der Dämmerung von Bahia Blanca auf und machte einen ziemlichen Gaucho-Ritt, die ganze Nacht durch und den folgenden Tag, bis wir Nachmittags 3 Uhr am Rio Colorado, dem Ziele meiner diesmaligen Wirksamkeit [ankamen]. Der Rio Colorado liegt ziemlich in der Mitte zwischen Bahia Blanca und Patagones, d.h. in gerader Entfernung etwa 30 leg. von jedem dieser Orte entfernt. Der großen Umwege halber, die man wegen seichter sumpfiger Gegenden nehmen muß, war es jedenfalls ein Ritt von mindestens 35 leg. Es war eine prächtige Mondnacht; Nachts um 12 Uhr wurde am Fuße eines medano (so heißen die Sand-Dünen, sowohl die jetzigen am Meeres-Ufer, als die alten landeinwärts) Halt gemacht; hier fand sich durch Graben in geringer Tiefe Wasser; man trank einige Mate (Aufguß des hier einzig üblichen Paraguay-Thees) und es bewies sich dies Getränk, für das ich sonst schon eine Vorliebe hatte fast wie die Hiesigen, so labend und stärkend, wie es gewiß kein anderes gewesen wäre. Um 1 Uhr ritten wir weiter bis kurz nach 4 Uhr der Mond uns sein wohlthuendes Licht entzog und im Westen verschwand. Dann wurde ein zweiter Halt gemacht bis zu Tages-Anbruch, aber aus Man[S.3]gel an Wasser konnte leider der mate nicht wiederholt werden. Die Sonne erhob sich mit versengender Hitze, die sich natürlich fort und fort steigerte; es war einer der heißesten Tage des Jahres, keine Spur von Wind, der sonst so erfrischend und belebend fast immer durch die Pampas bläst; dazu der Weg fast fortwährend über Sandboden nahe am Meeresstrand; die einzige Erfrischung war die Frucht eines kleinen Strauches (piquillin genannt), den wir gegen Mittag trafen, die aber wirklich nur hinreichte, um den Gaumen zu benetzen, nicht um den müden und hungrigen Körper zu stärken. Des schwülen Tages wegen kamen wir auch so spät an: um Mittag sollte nach aller Wahrscheinlichkeit das Ziel erreicht sein. Aber diese Satisfaktion hatte ich wenigstens, daß die begleitenden Gauchos mir auch einmal, wie schon bei früheren Gelegenheiten sagten: es guapo el Gringo (Gringo: Spitzname, den die Hiesigen den Fremden geben, und guapo heißt, wer nicht gleich nachgiebt, sondern aushält.) — Die ganze Strecke zwischen Bahia Blanca und Patagones ist unbewohnt; bloß am Rio Colorado befindet sich eine kleine, schlecht unterhaltene Festung, von etwa 20 Mann besetzt. Diese rührt noch von Rosas Zeiten her, der zum ersten Mal mit seinem Heer so weit ausgerückt war; seit dem haben auch die Indier sich nie wieder dauernd hier niedergelassen, sondern nur hie und da diese Campos durchstreift. Da dieselben nicht von den Hiesigen bewohnt und mit Vieh besetzt sind, so macht es den Indianern keine Rechnung, sich hier in der Nähe bleibend niederzulassen; ihr Hauptgeschäft ist der Raub von Rindvieh in der Provinz Buenos Aires und Transport desselben nach Chile, wo sie es verkaufen; darum treiben sie sich am liebsten da herum und bauen ihre toldos594Im argentinischen Spanisch Name für ein Indianerzelt aus Tierhäuten.schliessen (Wohnungen aus Häuten) da, wo sie zwar nicht in unmittelbarer Berührung mit, aber doch ziemlich nahe sind den vom Rindvieh der Hiesigen begangenen Weiden. — Ich sagte schon, daß hier am Rio Colorado das Feld meiner Wirksamkeit war. Hier hatte ich etwa 40 leg. zu messen für eine Gesellschaft von 10 Basken,595Das Interesse der Basken an der Gegend des Rio Colorado war für Heusser auch Grund für die Reise. Er konnte im günstigen Fall mit einem Vermessungs-Auftrag der Gesellschaft rechnen.schliessen die die Auswanderung ihrer Landsleute nach dem Rio Colorado lenken wollen, und zu dem Zweck unter ganz günstigen Bedingungen Land von den hiesigen [...]596Loch im Papier.schliessen erhalten haben. Es ist dies [S.4] nur ein kleiner Anfang; wahrscheinlich werde ich nächsten Sommer mehr als dies Jahr für dieselben Leute zu messen haben, und außerdem mit einem kleinen Dampfer eine Entdeckungs-Reise den Fluß hinauf machen, so weit als es eben geht. — Es theilt sich der Rio Colorado etwa 6 leg. bevor er das Meer erreicht in zwei Arme, hat also zwei ziemlich gleich starke Mündungen; vor seiner Trennung in diese beiden Arme, wo alles Wasser noch in Einem Bett vereinigt ist, mag die Menge desselben, die Breite und Mächtigkeit des Stromes kaum dem Rheine bei Schaffhausen gleich kommen. Es mag dies dem Europäischen Leser gering erscheinen, in Betracht daß der Strom in langem Lauf von dem gewaltigen Anden-Gebirge herkömmt. Aber gerade der lange Lauf, der bei Europäischen Flüssen gewöhnlich die Mächtigkeit des Stromes vermehrt, vermindert hier dieselbe; so manche Gewässer, die von den Anden abfliessen versiegen und verdampfen in der Ebene der Pampas, ohne das Meer zu erreichen, und es ist vom La Plata südwärts in so weiter Entfernung der Rio Colorado der erste Strom, der als kräftiger Alpensohn597Heusser nennt die hohen Anden oft "Alpen".schliessen die ganze Pampas-Ebene zu durchwandern vermag. Diese Betrachtung, gemischt mit der großen Hoffnung, die ich auf die Colonisation des Rio Colorado setze, ließen mein Auge weniger das schmutzig rothbraune (daher der Name) Wasser in der Nähe betrachten, sondern dasselbe von den ziemlich hohen medanos aus, die diesen ganzen untern Lauf des Stroms begleiten, nach weiter Ferne schweifen; und da läßt sich nicht läugnen, daß der Strom und seine Ufer ein ganz schönes Gemälde bilden: jener erscheint natürlich, wie jeder Wasserspiegel mit reflektirtem Himmelslicht, blau; sein allernächstes Ufer, am Fuß der eben besprochenen medanos ist fast ununterbrochen, wie von einer künstlich angelegten Allee, von den hiesigen Weiden (die den Trauerweiden sehr ähnlich) besetzt, die man und somit auch die Windungen des Stroms Stunden weit mit dem Auge verfolgen kann. Hinter den medanos, oder wo diese [S.5] nicht vorhanden sind, unmittelbar hinter den Weiden, folgen ungeheuer hohe Schilf- und Grasarten, so hoch daß ein hoher Mann auf dem höchsten Pferd, sich vollständig darin verbergen kann. Eine vorherrschende Art (cortaderas genannt) hat eine schöne weiße Blüthe, die manchmal in weiter Erstreckung den ganzen Boden bedeckt. Die Zone dieser hohen Schilf- und Gras-Arten ist verschieden breit, reicht aber überall soweit, als das Wasser des Stromes im hohen Sommer, wenn der Schnee der Alpen schmilzt, zu reichen vermag. Erst nach diesem hohen Gras folgt zu beiden Seiten der eigentliche Camp, oder die Weide für das Vieh mit bald bessern, bald schlechteren Grasarten und außerdem streckenweis auch noch weithin mit verschiedenen Dorngesträuchen und niedrigen Bäumen bedeckt, und außerdem vielfach von den schon erwähnten medanos durchzogen. Das Vorhandensein jener niedrigen aber massenhaften Baum- oder Strauch-Vegetation bietet für die Colonisation dieser Gegend schon einen wesentlichen Vortheil: an den gänzlichen Mangel alles Brennholzes im ganzen Norden der Provinz kann der Europäer sich nur schwer gewöhnen. Außerdem scheinen die Abhänge jener medanos dem Weinanbau ein eben so günstiges Feld zu versprechen, wie sie in Bahia Blanca und Patagones wirklich hat.598Verschrieb für "haben"?schliessen Endlich scheinen die Campos nicht bloß für Viehzucht, sondern auch für Ackerbau sich zu eignen; übrigens kann ich heute darüber noch nicht weiter schreiben, da das Land Fluß-aufwärts viel besser sein soll; gegenwärtig befinde ich mich etwa 10 leg. von der Küste, denke aber nach der nun bald vollendeten Messung noch etwa 20 leg. weiter Flußaufwärts zu reiten, um das Land mit Beziehung auf seine Fruchtbarkeit weiter kennen zu lernen. — Die bereits erwähnte Festung liegt ebenfalls in der Entfernung von etwa 10 leg. von der Küste. Hier kostete ich den köstlichen Patagonier-Wein (Chocoli genannt), traf einige Vorbereitungen zur Messung und begann am 6t. März die Arbeit, die bis heute zwar langsam, aber ohne wirkliche Hindernisse vonstatten gieng. Zuerst wurde die Insel, das heißt das Land zwischen den beiden Fluß-Armen gemessen, das bei dem gegenwärtigen, noch sommerlichen großen Wasserstand, großentheils unter [S.6] Wasser stand. Außerdem waren die oben erwähnten Schilf- und Grasarten hier von einer Höhe und Dichtigkeit, wie sonst nirgends, fast undurchdringlich; zudem der Boden an vielen Stellen, wo noch nicht eine dichte Vegetation Wurzel gefaßt hatte ganz sumpfig, so daß die Pferde bis an den Bauch einsinken. Nach der Insel folgte die Messung von 18 leg. auf der Süd- also Patagonischen Seite des Stroms; hier fielen die erwähnten Schwierigkeiten weg, dafür kam eine andere, fast noch störendere. Der Strom hat hier keinerlei Zuflüsse, und da die Gegend ganz unbewohnt, finden sich natürlich auch keine künstlich gegrabenen Brunnen, also keinerlei Wasser, weder für Menschen noch für Pferde. Bei der Messung der ziemlich langen Linien in einiger Entfernung vom Fluß muß daher die Arbeit immer früh aufhören; einige Peone599Der argentinische Peon entspricht ungefähr dem brasilianischen Pion oder Camarad, sorgt aber nicht nur für die Reittiere.schliessen (Knechte) kehren mit den Pferden zum Fluß zurück, wo auch besseres Futter ist, und bleiben hier durch die Nacht; morgen früh sollen sie zurückkehren und Wasser für die zurückgebliebene Mannschaft in großen Blechgefäßen mitbringen, damit letztere den Tag über diese herrlichste Gabe Gottes rein und Abends als Maté genießen können. Früh des Nachmittags werden die Peone allerdings entlassen, aber des Morgens kehren sie nicht früh zurück. Gestern, wo wir uns allerdings in einer Entfernung von über 3 leg. vom Wasser befanden, wurden die Peone vor 3 Uhr entlassen und heute, d.h. am 23t. März kehrten sie um 11 Uhr zurück. Heute entließ ich sie gegen 4 Uhr und wer weiß, wann sie morgen zurückkommen. Da ich keinerlei Beschäftigung hier habe (— auch die wenigen Bücher, die ich auf dieser, wie auf jeder Reise zur Benutzung der vielen verlorenen Zeit mitgenommen, habe ich auf der Festung zurückgelassen, theils weil ich diesen Zeitverlust nicht vorsah, theils weil ein plötzlicher starker Regen mir dieselben ganz zerstören könnte —). So ergreife ich Bleistift und Papier, die mir natürlich zu den verschiedenen Aufzeichnungen der Messungen zu Gebote stehen, um die bisherigen Reise-Erlebnisse niederzuschreiben und Euch zuzusenden. Ich knüpfe aber gleich die Bedingung daran, daß Ihr dies Manuskript in Europa mit Tinte copirt oder copiren läßt,600Im Gegensatz zu früheren Aufforderungen, seine Briefe zu vernichten, sind ihm nun diese Reisenotizen wichtig. Sie sind im Original erhalten.schliessen damit es mir später zur Erinnerung diene. Unmöglich habe ich jetzt Zeit, die persönlichen Erlebnisse so weit auszuarbeiten, um sie öffentlich mitzutheilen; ob es später geschehen wird, weiß ich freilich auch nicht, aber immerhin werden mir diese Notizzen stets eine angenehme Erinnerung sein, und ich bedaure, daß ich vor einem Jahr, einen Schneesturm, der mich mit etwa 10 Gauchos für 3 oder 4 Tage in [S.7] einen kleinen rancho von wenigen Quadratfuß etwa 120 leg. südlich von B. A. bannte, in dem ohne dies noch zahlreiche Hunde, Hühner und verschiedene andere Vögel des Feldes vor dem ungewohnten Meteor601Der Begriff Meteor wird hier von Heusser in dem allgemeinen, den Meteorologen vertrauten Sinn von "Himmelserscheinung" gebraucht.schliessen ihre Zuflucht suchten, wo ein der Gegend kundiger Gaucho, der sonst bei dunkler Nacht 10 und 20 leg. weit nicht nur jeden rancho, sondern jede Wasserpfütze und jeden Fleck mit gutem pasto (Futter) zu finden wußte, eine halbe leg. weit von seinem rancho seinen Wohnsitz nicht mehr zu finden wußte, im tiefen Schnee (im Durchschnitt ½ bis 1 Fuß hoch, wo er zusammengeweht war auch 2 bis 3 Fuß) übernachtete und am andern Morgen halb erstarrt vor unserm Rancho erschien, auf sein Pferd einen ganz erstarrten avestruz (hiesigen Strauß) geladen, den er zu Fuß ergriffen hatte, und den wir dann begierig verzehrten, da wir zwei Tage Nichts gegessen hatten. Die Gauchos waren nämlich durch das unbekannte Element halb betäubt, wagten sich kaum zum rancho hinaus und vergassen denn darüber selbst ihr Lieblingshandwerk, das Schlachten. Füge ich endlich noch hinzu, daß ich einen oder einige Tage zu früh, bevor der Schnee ganz geschmolzen war, von jenem rancho aufbrach, um eine etwa 20 leg. entfernte letzte Poststation zu erreichen, daß ich darum vielfache Abenteuer beim Übersetzen kleiner, jetzt angeschwollener Flüsse, in welche die Pferde wegen des hohen Schnees an den Ufern nicht eintreten wollten, erlebte, und selbst daß sich bei dieser Reise mein Haß gegen die Hunde-Natur, deren Wesen es ist Wunden zu schlagen, aber keinen Schmerz zu ertragen, noch bedeutend steigerte, da unsere wenigen Hunde an Einem Tag nicht nur Dutzende, sondern wohl Hunderte der halb oder ganz erstarrten Rehe, denen der Tod schon aus den Augen blickte, noch vollends niederbissen — dies kurz hinzugefügt, sage ich, werde ich stets eine Erinnerung an die Tage vom 12t. bis 16t. Juli 1862 haben. Bevor ich in der Erzählung meiner gegenwärtigen weiteren Erlebnisse vorgehe, nur noch Folgendes: Die gegenwärtigen Mittheilungen sind aus verschiedenen Gründen nicht zur Öffentlichkeit bestimmt, namentlich aber auch deswegen, weil sie die reine Wahrheit, ohne irgendwelche Erdichtung oder auch nur Übertreibung enthalten; ich sage dies ausdrücklich, weil Widmer, dem vielleicht die vorliegenden Zeilen mitgetheilt werden, möglicherweise an jener Mittheilung, daß hier jedermann umsonst Land haben könne, zweifelt, oder wenn er sie glaubt, für die Einwanderung nach diesem Lande eingenommen werden möchte.602Immer wenn es um Auswanderungs-Fragen geht, denkt Heusser zuerst an Widmer als Ansprechpartner. Zugleich aber sieht man hier, dass ihn seine schlechten Erfahrungen in Brasilien äusserst vorsichtig gemacht haben.schliessen Für den letzteren Fall muß ich noch beifügen, daß man wieder nicht zu sanguinisch sein muß. Der wirkliche Erwerb dieser Ländereien ist wieder mit eigenthümlichen Schwierigkeiten verbunden, die nur der zu beseitigen weiß, der die hiesigen Verhältnisse kennt, Jahre lang hier gelebt hat. Richtig erfaßt, [S.8] glaube ich allerdings, daß die Europäische Auswanderung nach der Provinz Buenos Aires große Vortheile bietet, und in das Unternehmen am Colorado setze ich große Hoffnungen, weil es von Männern unternommen und geleitet wird, die zwar nicht schreiben, aber arbeiten können; der Hauptkerl von diesen ist vor 20 Jahren ohne einen Pfennig hier angekommen, hat als Knecht gearbeitet und sich allmälig emporgeschwungen; erst hier hat er etwas schreiben gelernt und kann mit Noth seinen Namen unterzeichnen. — Ich dachte schon vor längerer Zeit daran, über die Auswanderung nach diesem Land, über die Art und Weise, wie sie an die Hand genommen werden müsse, etwas zu schreiben. Allein theils die Überzeugung, daß mein Wort doch verhallen würde, theils der Umstand, daß die schriftlichen Arbeiten, die ich mit Claraz zusammen seit etwa 1 Jahr wieder an die Hand genommen, mir wirklichen Genuß gewähren, während eine Schrift über die Auswanderung ein Opfer von meiner Seite wäre, haben mich zu dem ersteren bestimmt: je älter man wird, desto mehr Egoist wird man auch. —

[25. März 1863]

25t. März. Heute ist Claraz von Patagones zurück hier am Colorado angekommen. Theils der langsame Gang, den die Arbeit hier genommen, theils ein neuer Plan, noch weiter den Rio Colorado aufwärts zu reisen, hatten mich schon vor einiger Zeit bestimmt, auf die Reise nach Patagones für diesmal zu verzichten. Weitere Arbeiten werden mich an den Rio Colorado führen, und dann werde ich auch Patagones sehen. Ich berichtete daher Claraz, er solle nicht auf mich warten, und heute erschien er. Gehörtes detaillirt nach erzählen mag ich nicht, daher genüge die Bemerkung, daß er in Patagones und am Rio Negro ein sehr schönes Thal mit mittel-Europäischem Klima, mit allen mittel-Europäischen Obstsorten und zwar in vortrefflicher Qualität, namentlich die Weintraube, gefunden hat; nun ist leider das Thal nicht breit, kaum eben zwei leguas, und weiter hin vom Fluß folgt eine sterile Ebene. — Doch Eines habe ich versäumt, indem ich nicht nach Patagones gieng, nämlich einmal mit den Missionären zusammenzutreffen. Claraz hat dort Englische Missionäre603Missionare der englischen "South American Missionary Society", die 1844 als "Patagonian Mission" gegründet worden war. Später im Brief vom 8. August 1868 wird Heusser den Missionar Frédéric Hunziker erwähnen.schliessen und mit ihnen einen Solothurner, der natürlich von Basel aus dahin seinen Weg gefunden hatte, Namens Andres getroffen und einen oder einige Abende mit diesem angenehm verbracht trotz einiger schroffer Gegensätze in ihren Ansichten und bisherigem Lebenswandel. — Der Wirkungskreis dieser Missionäre ist von Patagones nach Süden; in dieser Richtung haben sie mir also den Rang abgelaufen; aber nach Westen, landeinwärts werde ich wohl weiter kommen, als sie.

[5. April 1863]

5t. April d.h. Oster-Sonntag Nachmittag. Bevor ich Euch sage, wo ich diesen schönen Tag einsam verlebe, will ich erst in der Erzählung der Erlebnisse der vorigen Tage fortfahren. Am 27t. vollendete ich glücklich die Messung am Colorado und am 28t. trat ich eine sogenannte descubierta604Auf einer solchen Entdeckungsreise in bisher noch nicht erschlossene Gebiete war Heusser seinem Traumberuf des naturwissenschaftlich ausgebildeten Forschungsreisenden am nächsten. Das einfache Gaucho-Leben sagte ihm zu und zudem konnte er beurteilen, wo die natürlichen Bedingungen für eine Kolonisation günstig waren.schliessen oder Entdeckungs-Reise, oder vielmehr Untersuchungs-Reise an, [S.9] und zwar, wie schon gesagt, den Colorado aufwärts. Es handelte sich darum, auch hier das Land kennen zu lernen, und zu erfahren, ob es für jenes Colonisations-Unternehmen605Von dem Colonisations-Projekt spricht Heusser immer nur in Andeutungen, es bezieht sich aber offensichtlich auf die Pläne, die er mit Widmer entworfen hatte.schliessen empfehlenswerth sei oder nicht. Eine solche descubierta, wahrheitsgetreu geschildert, mag für den Europäer namentlich ihrer Einfachheit wegen Interesse haben. Eine beliebige Anzahl Gauchos ziehen aus für Wochen oder Monate, ohne irgendetwas mitzunehmen, als was sie auf dem Leib tragen, den recado (Sattel zum Schlafen) und je für drei oder vier Mann ein blechernes Gefäß zum Wasser wärmen in Form annähernd einer Theekanne, der kleine Matetopf und eine hinreichende Quantität yerba oder Paraguay Thee. Die Theekanne wird entweder unten am Hals des Pferdes an dem Halfter oder unten am Bauch an irgendeinem Riemen befestigt, der Matetopf mit der bombilla (der blechernen oder silbernen Röhre, aus der das Getränk eingesaugt wird) in der Tasche mitgeschleppt und der Sack mit der yerba vorn oder hinten über den Sattel gelegt. Nahrungsmittel werden absolut keine mitgenommen. Es vertraut der Gaucho auf die Geschwindigkeit seines Pferdes und die Gewandtheit seines Arms in der Handhabung der bolas, mit deren Hülfe er die Thiere der campos erlegt, deren Fleisch schmackhaft ist. Wenn ich die bolas nicht erwähnte bei den Sachen, die der Gaucho mitnimmt, so geschah es deswegen, weil diese, so wie das lazo unzertrennlich zum Gaucho und zum Sattel gehören; er nimmt diese nicht bloß mit auf die descubiertas, sondern so oft er überhaupt zu Pferde steigt. — Das Thier, auf das es vor allem abgesehen ist, ist der avestruz oder Amerikanische Strauß, der durch die ganzen Pampas verbreitet, dessen Fleisch ziemlich schmackhaft ist, wenigstens einzelne Stücke, namentlich die Flügel, und dessen Federn außerdem theuer verkauft werden. Ebenso weit verbreitet und überall zu treffen ist das hiesige Reh, dessen Fleisch natürlich auch nahrhaft, aber nicht sehr schmackhaft, sondern trocken ist. Diese beiden Thiere sind sehr schnell, entgehen aber selten dem hungrigen Gaucho. Außer den beiden sind ebenfalls durch die ganzen Pampas verbreitet die kleinen, bepanzerten Gürtelthiere, die die Natur mit keinerlei Waffe, auch nicht mit schnellen Beinen versehen hat, so daß sie überall von jedem Kind mit Leichtigkeit erlegt werden. Es giebt im Ganzen 5 verschiedene Arten; (bloß in den Pampas, außerdem in Brasilien 4 oder 5 andere Arten) alle sind eßbar, die einen schmackhafter als die anderen; nirgends kommen alle 5 zusammen vor, jedes hat seinen eigenthümlichen Verbreitungsbezirk; hie und da kommen zwei, vielleicht auch drei Arten zusammen vor, aber nirgends vier. — In der Gegend, die wir zu untersuchen uns anschickten, kommen außerdem (aber lange nicht durch die ganzen Pampas verbreitet) jabali (das hiesige, auch in Brasilien vorhandene Wildschwein) und Guanaco, ein dem Llama sehr verwandtes Thier vor, welch letzteres Ihr einigermaßen durch eine Haut kennen lernen könnt, die ich schicken werde. Dies sind die Thiere, auf deren Haut und Fleisch es bei unserer Expedition abgesehen war. Sollten die Indianer kurz vorher hier gewirthschaftet, und wie sie es überall machen, wo sie hinkommen, die ganze Thierwelt ziemlich ausgerottet haben, so waren wir, wie dies auch bei jeder solchen Expedition der Fall ist, auf Pferdefleisch angewiesen. Pferde nahmen wir wohl über 40 mit, natürlich nicht in solcher Zahl, um sie zu schlachten, sondern um bei den starken Strapazen im Reiten abzuwechseln. Unserer waren 7 Mann, 5 Gauchos, Claraz und ich. Einer der Gauchos war seiner ganzen Lebens-Art nach eigentlich mehr wilder, als civilisirter Mensch. Da aber der Gaucho auch einen nicht gar hohen Grad der Civilisation erreicht, können wir jenen (— Bartolo nennt er sich —) auch noch Gaucho, brauchen ihn nicht Indianer zu nennen. Mit Beziehung auf das Blut, das in seinen Adern rollt, möchte es schwer zu entscheiden sein, welcher der beiden Raçen er mehr angehört. Kurz dieser Bartolo hat seit 18 Jahren außer jeder menschlichen Wohnung in diesem Thal des Rio Colorado gelebt. Früher hatte er einige Kühe, und damals wahrscheinlich auch einen sogenannten Toldo, d.h. eine Wohnung unter einer oder einigen Kuhhäuten mit Schutz gegen Regen. Nach Rosas Fall fielen die Indianer ein und raubten ihm sein Vieh; seither lebte er ausschließlich vom Fleisch der oben erwähnten Thiere, kaufte seine yerba aus dem Erlös der Federn des avestruz in der nahen Festung oder in Bahia606Korr. aus "Badia".schliessen oder Patagones, suchte Schutz gegen Regen und Kälte in den oben erwähnten hohen Gras-Arten, und hatte in dem Moment, als ich ihn zu meiner descubierta engagierte sein Lager aufgeschlagen unter einem schönen Weidenbaum am Rio Colorado. — So brach denn unsere Gesellschaft an meinem 37t. Geburtstag in der Nähe der Festung am Colorado auf und ritt an jenem Tag wenige leguas aufwärts, da wir einen heftigen Wind gegen uns hatten, der uns Sand und Staub dermaaßen in die Augen jagte, daß wir ganze Strecken mit geschlossenen Augen ritten, und machten früh Halt an einem Platz, der an sich ganz artig war, aber weiter nichts Beschreibenswerthes bot, unter einigen Weiden, deren eine Hälfte uns überdachte, während [S.10] die andere über den Fluß hinragte. Am Abend ließ der Wind nach; der Himmel war klar, der Mond beleuchtete die Landschaft und lud zu langem Wachbleiben ein, was wir auch thaten, da der Tag für beide manche Erinnerungen bot; es war derselbe Jahrestag, an dem wir vor 5 Jahren unsere Reise nach Minas Geraes antraten. Viele der bitteren Erfahrungen und Stürme, die ich durchgemacht, liegen bereits soweit zurück, daß ich sie nicht ungeschehen wünschen möchte, und dahin gehört besonders jene Reise nach Minas mit all ihren Folgen.607Anspielung auf Ereignisse während jener Reise, die er nie nach Zürich berichtet hatte? Oder eher eine allgemeine Bemerkung zu der damals anlaufenden Polemik gegen seine Berichterstattung zur Kolonistenfrage? Sicher ist auch die finanzielle Pleite angesprochen, in die das damalige Unternehmen der drei Schweizer mündete.schliessen Das Peinliche des Augenblicks ist vergessen, die Folgen sind bestanden und überwunden, und somit bleibt die Erinnerung ein treuer und angenehmer Freund für den, der allein durch das Leben wandelt, wie ich. — Am folgenden Tag, 29t. März, kamen wir ebenfalls nicht sehr viel weiter Strom aufwärts, da vielfach bolirt, d.h. Jagd mit den bolas gemacht wurde. Es wurde eine laguna,608Wasserstelle.schliessen drei leg. seitwärts, aufgesucht, wo die jabalis sich finden sollten, sich aber nicht fanden. Dagegen fanden wir auf jenem Wege einen der sogenannten salitrales, d.h. Salzseen, die bei geringer Trockniß schon ihr Wasser ganz verlieren, und dann an ihrer Fläche eine dicke Kruste von Salz zeigen, die von weitem ganz wie Wasser, in der Nähe aber eher wie Schnee aussieht, und mit letzterem namentlich die Eigenschaft des Blendens gemein hat, aber vielleicht noch in höherem Maaße besitzt: meine Augen wenigstens konnten die[s] von dieser Salzfläche reflektirte Licht absolut nicht ertragen. — Am folgenden Tag kamen wir ungefähr so weit Fluß aufwärts, als in den beiden vorigen Tagen zusammen; und bolirt wurden außer verschiedenen avestruzes, zwei guanacos, deren Felle mit der nächsten Sendung Euch zukommen sollen. Wir waren heute etwa 15 leg. von der Festung entfernt, und ich entschloß mich nicht weiter zu gehen aus folgendem Grunde: Kurz oberhalb der Festung ändert sich die Gegend etwas, bleibt sich dann aber gleich bis da, wo wir am 30t. [an]gelangt waren, und soll auch weiterhin nach Bartolo, der auf seinen Bolas-Jagden noch etwa 15 leg. weiter gekommen war, sich gleich bleiben. Bis zu dieser Entfernung hatte ich nichts Neues zu erwarten, und darüber hinaus wollte ich die descubierta nicht ausdehnen aus zwei Gründen: erstens fühle ich bei meinen vorgerückten Jahren nur zu sehr, daß Zeit Geld ist, und da auf mich zahlreiche andere Arbeiten in Buenos Aires warten, die sich besser bezahlen, als solche descubiertas, so mußte ich die vorgerückte Zeit in Betracht ziehen; zweitens wird mir die Kenntniß des Landes weiter Strom aufwärts nicht entgehen, da dieselbe Gesellschaft von Basken nach den Nachrichten, die ich ihnen bringen werde über das Land in diesem unteren Strom-Gebiet, ohne Zweifel für nächsten Sommer eine größere Expedition ausrüsten wird, um wo möglich an die Quellen des Flußes und bis gegen Mendoza hinauf zu gelangen, erst mit einem Dampfschiff so weit es geht, und nachher zu Lande. Inwiefern sich die Gegend oberhalb des Fortin609Die schon früher erwähnte kleine Festung.schliessen ändert, darauf kann ich mich hier nicht einlassen, da das Geologische dieser Gegend nächstens in einer besonderen Arbeit behandelt werden soll, der ich nicht vorgreifen will. — Der Punkt, wo wir am 30t. März angekommen waren, trägt einen Namen "corrales do Anderete", weil hier zu Rosas Zeiten ein gewisser Anderete Corrale (Zäune) gemacht hatte, um darin das hier nicht seltene wilde Rindvieh einzutreiben und zu schlachten. Der folgende Tag, oder der 31. März610Korr. aus "1. April".schliessen wurde dem Boliren611Jagd mit den mehrfach erwähnten Bolas.schliessen gewidmet; denn das konnten die Gauchos nicht über sich bringen, von da zurückzukehren, wo Rindvieh zu finden war, ohne von diesem unbedingt allerbesten Fleisch aller Thiere genossen zu haben. Trotzdem gelang es ihnen nicht, eine Kuh aufzutreiben, dagegen, bolirten und schlachteten sie einen ungeheuer großen wilden Stier, und brachten von demselben die beiden einzigen Stücke, die sie für schmackhaft halten, die Zunge und die Brust. Gegen Abend brach ich auf, in der Absicht die Nacht durch zu reiten, um morgens früh in der Festung zu sein. Allein gegen 9 Uhr überfiel uns ein Gewitter, so daß wir es vorzogen Halt zu machen und Schutz unter den cortaderas zu suchen, um so mehr, als wir dort einige andere Gauchos trafen, die auf der Straußen-Jagd begriffen, dort Nachtlager machten und gerade bei einem puchero von avestruz (Fleischsuppe von Strauß) saßen, den sie nach Landessitte mit uns theilten, und der uns wohlschmeckte und erwärmte. Es regnete noch verschiedene male die Nacht hindurch, aber nicht so stark, daß wir nicht zwischen und unter den cortaderas ganz trocken blieben. Am 1t. April gegen Mittag waren wir in der Festung zurück und blieben jenen Tag dort zu unserem Glück, den[n] Abends fiel ein Regen, von dem wir unter keinen cortaderas wirklichen Schutz

gefunden hätten. So war die Expedition gut abgelaufen; wäre der starke Regen eine Nacht früher gekommen, so hätten wir uns eben mit dem Trost der Gauchos zu[S.11]frieden gestellt: "Es ist ja bloß Wasser", und hätten am Tage darauf unsere Kleider an der Sonne getrocknet. Am 2t. April oder hohen Donnerstag verließen wir die Festung und schlugen unsern Weg Fluß abwärts ein, bis nahe an die Mündung des nördlichen Arms, um dann nahe an der Küste nach Norden gegen Bahia Blanca hin umzubiegen. Ungefähr Mitte Wegs zwischen dem Rio Colorado und Bahia Blanca läuft eine Halbinsel viele Stunden weit ins Meer hinaus, deren Eingang sehr schmal und zur Zeit starker Fluth ganz von Wasser bedeckt ist. Sie ist auf größeren Karten von Süd-Amerika verzeichnet unter dem Namen "Isla Verde oder Grüne Insel". Diese Halb-Insel ist von einem Nord-Amerikaner besetzt, der Schaafe hieher gebracht hat, in der Absicht beim Eingang einen Canal zu machen, und so die Halb-Insel zur wirklichen Insel zu machen, um einen allfälligen Einfall der Indianer zu erschweren. Diese Insel habe ich auch zu messen. Wir kamen erst am 3t. Tag nach Abreise von der Festung hier an, d.h. am 4t. April, weil wir einen Karren (der Instrumente wegen) mitzuschleppen hatten. Den Char-Freitag hatten wir also auf dem Camp zugebracht und heute am Oster-Sonntag ergreife ich hier Tinte und Feder, um den mit Bleistift angefangenen Brief fortzusetzen, da dieser Nord Amerikaner in seiner allerdings auch noch einfachen Wohnung, doch nicht bloß asador und cuchillo (d.h. eisernen Bratspieß und Messer), wie die Hiesigen, hat, sondern noch einige andere Erzeugnisse menschlichen Gewerbfleißes hat, wie z.B. ein[en] Pflug, Stahlfedern, u.s.w. Im Interesse der Reinlichkeit möchte es aber doch liegen, dass Ihr auch diesen mit Tinte und Feder geschriebenen Theil meines Briefes copirt; dies Papier vor Schmutz zu bewahren wird mir unmöglich sein, denn trotz dem Gesagten ist noch lange nicht an die Reinlichkeit und Behaglichkeit einer von einer Englischen Familie bewohnten Estancia zu denken; nur Junggesellen gehen hier ein und aus; das Fleisch wird nach Landessitte mit der Hand vom asador gegessen, und nur zur Noth kann ich noch mit einem kleinen Stück Seife die Hände reinigen, die übrigens alle 5 Minuten sich von neuem beschmutzen, so oft ich nämlich versuche den verkohlten Docht einer traurigen Talg-Kerze (— es ist unterdeß Nacht geworden —) mit den Händen zu entfernen. — Die Insel hat den Reiz aller Inseln, das umgebende Meer, das ich je lieber gewinne, je öfter ich mich demselben nähere. Auch hier will und kann ich mich nicht weiter auf Natur-Geschichtliches einlassen, will nur Eines erwähnen: von den oben erwähnten 5 Arten612Zu ergänzen ist "Gürteltiere".schliessen kommt hier ausschließlich nur Eine Art vor, der Mataco, der mich daran erinnert, daß ich zu weit gieng, wenn ich oben sagte, alle diese Gürtelthiere haben keinerlei Vertheidigungsmittel. Der Mataco hat die Vertheidigung des Igels; er kann sich ungreifbar machen, indem er sich vollständig zur geschlossenen Kugel zusammenballt, und zwar mit großer Kraft, so daß er im Stande ist den Finger eines Menschen zu brechen. Während die andern Gürtelthiere leicht Schlachtopfer aller Raubthiere, der Hunde, Füchse, hiesigen Wölfe und Löwen613Pumas.schliessen werden, so kann dagegen keines dem Mataco im geballten Zustand beikommen. Bloß der Mensch, das listigste und grausamste aller Raubthiere tödtet auch dies arme kleine Thier leicht durch einige starke Schläge auf den Kopf. Da gerade die ganze Fläche der Stirn zur Schließung der Kugel dient. Doch soll in den innern Provinzen der Mataco auch ein Opfer des Adlers werden, der den Mataco mit Leichtigkeit hebt und aus

bedeutender Höhe fallen läßt, so daß er ganz zerschmettert. Da die Schaale auch ganz artig ist, wird sie vielfach von den Hiesigen als Körbchen zum Aufbewahren irgend welcher Gegenstände namentlich der yerba benutzt; ich werde daher in der ersten Sendung [S.12] Euch einige zuschicken, es Eurem Takt und Eurer Geschicklichkeit überlassend, ob ihr dieselben als bloße Rarität, als Zierrath oder zu irgend einem praktischen Zweck verwenden wollt. —

Von der Isla Verde weiß ich nun Nichts mehr zu berichten, dagegen erinnert mich ein Brief, den ich heute erhielt, daran, daß ich bei Bahia Blanca vergessen habe einer Familie zu erwähnen, die mir große Freundschaft erwiesen, und für die ich einiges Interesse gewonnen habe, trotz dem daß sie der Nation angehört, die mir nächst den Portugiesen die letzte ist, nämlich der Italiänischen. In Bahia Blanca wohnt nämlich gegenwärtig und nimmt eine ziemlich hohe Militär-Stelle ein ein gewisser Philip Caronti614Filippo Caronti (1813-1883) stammte aus Como. Als Freund Mazzinis und Mitkämpfer in der Revolution gegen die österreichische Herrschaft musste er nach 1848 mehrmals in den Tessin fliehen. Er ging 1851 nach Zürich und wanderte 1855 nach Argentinien aus. Er gehörte zu einer Gruppe von Italienern, die in Bahia Blanca zur Entwicklung der Stadt viel beitrugen. HLS 3, S. 214.schliessen aus der Lombardei, ich glaube vom Comersee. Natürlicherweise kam er mit uns in Berührung, und als er vernahm, daß wir Schweizer seien, ich ein Zürcher und daß Claraz in Zürich studirt habe, so nahm er uns voller Freuden mit nach seiner Wohnung und stellte uns seiner Frau vor. In dem eleganten Empfangszimmer hängt die bekannte Ansicht von Zürich von der Waid aus, seine Frau bringt eine Menge Schweizer-Ansichten, von denen 99 Procent Stellen in und um Zürich darstellen, und endlich präsentirt Ph. Caronti noch seinen Heimathschein von Hirslanden, so daß wir ihn also als rechtgültigen Schweizer anerkennen mussten. Er lebte als Italienischer Flüchtling von 1850-1853 in Zürich, hat dort eine Menge Bekanntschaften, die freilich uns beiden unbekannt, da es Herren sind, wie Schulthess-Rechberg, Mais,615Gemeint ist die Familie von Meiss in Zürich.schliessen Bodmer etc.616Interessant ist, dass im Zürich von 1860 die Standesunterschiede in der Gesellschaft noch eine so grosse Rolle spielten, dass man mit den Angehörigen einer andern Gesellschaftsschicht kaum verkehrte.schliessen Doch eine allen dreien gemeinsame Bekanntschaft stellte sich bald heraus, nämlich der verstorbene Freund Altermatt, bei dem sowohl Caronti als Claraz Deutsch gelernt hatten. Dies benahm mir mein Vorurtheil gegen Italiäner und wir verbrachten mehrere angenehme Stunden und einen ganzen ebenfalls sehr freundlichen Abend in seinem Hause. Er und seine Frau suchten uns auf alle Weise gefällig und nützlich zu sein; letztere z.B. versprach uns meteorologische Beobachtungen, die der Mann seit 4 Jahren gemacht hatte, zu copiren. Beide schwärmen für Zürich und sagen sie hätten bloß des Climas wegen Zürich verlassen, und auch seit sie weg sind, wissen sie viel, was dort vorgegangen, z.B. daß Altermatt auf seiner Reise nach Costa Rica gestorben, von Eisenbahnen und Polytechnicum, Politik und socialen Zuständen, kurz fast mehr als ich trotz der Bürkli-Zeitung, die drei Jahre lang das Wechselfieber hatte, und erst seit Kurzem regelmäßig zu kommen verspricht. Doch muß ich bei der Gelegenheit von der Isla Verde aus bemerken, daß auch David Bürkli meine neue Adresse: Eduard Siegfried617Der Schweizer Kaufmann Eduard Siegfried gehörte zu den ersten Bekanntschaften Heussers und Claraz' in Buenos Aires. Er hatte den beiden geraten, sich in Argentinien niederzulassen. Vgl. Meinrad Hux, Georges Claraz 1832-1930, S. 442.schliessen annehmen und nicht mit der Adresse Flury, Klein fortfahren soll. — Der Zweck des heute von Caronti mir zugeschickten Briefes, war Claraz und mich einzuladen, bei der Rückkehr nach Bahia Blanca bei ihm zu wohnen; der Brief beginnt sogar mit einigen Deutschen Zeilen — Dank dem Fleiß des verstorbenen Altermatt, und ist so freundschaftlich gehalten, daß ich die Einladung nicht abschlagen werde, obgleich ich sonst die Freiheit und Ungenirtheit in den Hotels der immer mehr oder weniger vorhandenen Gebundenheit in Privatwohnungen vorziehe, und obgleich mir das ganze Leben dieses Caronti, besonders aber sein gegenwärtiges (— er führt ein luxuriöses Haus und giebt jährlich eine Summe aus, mit der er in Paris leben könnte; und damit bleibt er in Bahia Blanca und hat zwei Buben zu erziehen. Dabei kann sein fixer Gehalt nicht groß sein; seine übrigen Geschäfte kenne ich nicht —) manchmal etwas räthselhaft vorkommt. Kennt Spyri diesen Caronti? Ich wollte ihn nicht fragen, da sich Spyri einmal, wenn ich nicht irre, durch Beschimpfen der ganzen Ital. Nation in seiner Zeitung deren sämmtliche Söhne zu Feinden gemacht hat, und dies für mich nicht gerade eine Empfehlung gewesen wäre.

[Bahia Blanca, 16. April 1863]

[S.13] Bahia Blanca 16t. April Nach glücklich vollendeter Messung der Isla Verde bin ich gestern nach Bahia Blanca zurückgekehrt und habe hier gerade den Dampfer angetroffen, dem ich alle meine Effekten zur Reise nach Buenos Aires übergeben, während ich selbst — nun ziemlich auf das beschränkt, was ich am Leibe trage, wie ein Gaucho — mit Claraz über Land und zwar noch mit einigen Umwegen nach B. A. zurückzukehren gedenke. Hier sind wir wirklich bei der Familie Caronti abgestiegen und mit aller Freundlichkeit aufgenommen worden, und bei der gestrigen Conversation hat sich eine weitere gemeinsame Bekanntschaft herausgestellt: Netti Fries hat einer Schwester von Mad. Caronti Unterricht in seiner Kunst gegeben. — Heute ruhen wir hier aus und morgen werden wir die Reise antreten. Ich benutze einen freien Augenblick, um hier noch einige Erinnerungen ans vorige Jahr, die ich oben vergessen aufzufrischen. In derselben Reise, wo mich jener Schneesturm überraschte, hatte ich kurz vor jenem Sturm zwei Tage bei einem Deutschen (Bremer,618Heusser nennt leider nirgends den Namen dieses gebildeten deutschen Auswanderers aus Bremen.schliessen der aber über 40 Jahre von Deutschland weg ist) zugebracht, der sein Vieh am Cristiano Muerto hütet und in einem einfachen, aber durch Reinlichkeit und Solidität der Arbeit doch von den Wohnungen der Hiesigen verschiedenen rancho lebte. Es ist der Cristiano Muerto derselbe Fluß, an dem ich 9 Monate vorher gemessen, als von seiner Mündung bis zu seiner Quelle nur Eine Wohnung vorhanden war, und als ich zum ersten mal mit den Indianern zusammengetroffen, von denen übrigens der Inhaber jener Wohnung sich nur wenig unterschied. Jetzt in meiner zweiten Reise, d.h. im Juni und Juli 1862, war der ganze Fluß auf beiden Seiten mit Wohnungen bedeckt. Dies bedeckt ist nun freilich auch nicht im Sinn der Wohnungen des Zürchersees zu verstehen, sondern so, daß ungefähr je in der Entfernung von 2 leg. am Fluß ein rancho zu finden war; vom Ufer aus nördlich oder südlich konnte man aber bequem 4-8 leg. weit reiten, bis man wieder an einem kleinen Fluße andere Ansiedlungen traf. Die Veränderung, die innerhalb der 9 Monate vor sich gegangen war aber immerhin groß: im Jahr 1861 waren noch die Indier Herren dieser Campos, im Jahr 1862 nach der durch die Schlacht bei Pavon619In der Schlacht bei Pavon im September 1861 gelang es der Stadt Buenos Aires, einen Angriff des Machthabers Urquiza abzuwehren und danach die eigene politische Position auch dank dem handelspolitischen Aufstieg (Exportgeschäft mit Wolle) zu stärken.schliessen erfolgten Macht-Zunahme der Provinz von B. A. war es die christliche Bevölkerung dieser Provinz. In der Wohnung dieses Bremers brachte ich zwei Tage zu, da ich auf den Karren, der mein Gepäck brachte, zu warten hatte, und las in diesen Tagen: — Schillers Wallenstein. — Der Bremer hatte Schillers Werke mit sich in diese Wildniß genommen. Auf mich hat allerdings dieser Wallenstein einen Eindruck gemacht, wie vielleicht niemals das Lesen irgend eines anderen Werkes; der Europäische Leser wird vielleicht dabei an die in diesen 9 Monaten veränderte Lage der Dinge denken und daran, daß jetzt classische Deutsche Litteratur sich vorfand, wo jene Spanne Zeit vorher die wilden Indianer hausten. Was aber auf mich jenen Eindruck machte, war nicht der Unterschied zwischen christlicher und heidnischer sondern zwischen christlicher und christlicher Bevölkerung; denn ohne Übertreibung kann ich sagen, daß der Unterschied zwischen der Culturstufe des Volkes, das Dichter wie Schiller erzeugt, und desjenigen, das gegenwärtig seine Heerden am Cristiano Muerto hütete (— die meisten dieser Leute sind Söhne aus Familien des Mittelstands von B. A. —) größer ist, als der Unterschied zwischen der Culturstufe des letzteren und derjenigen der wilden Indianer. Wie übrigens überall in der Welt sich Gegensätze finden, so auch hier: Schiller läßt einen seiner Soldaten sagen "des Mannes Zierrath ist der Hut." — Unter den vielen Millionen Bewohnern des hoch civilisirten Deutschlands wird es aber wenige geben, die mit einer Freiheit, wie der Gaucho, vor Jedermann auf der Welt ihren Hut auf dem Kopfe behalten. Ich meinerseits werde nicht nach Europa zurückkehren, bis ich dies Zierrath vor Niemandem mehr abzunehmen brauche; und daß der Talisman, der zu dieser Freiheit führt, leicht im hiesigen Land zu finden ist, mag den Trost und Ersatz gewähren für die gegenwärtigen Entbehrungen höherer, geistiger Genüsse. Diese Reise vom Juni 1862 führte mich noch etwa 15-20 leg. über den Cristiano Muerto hinaus, und ich erlebte dabei noch folgendes Abentheuer: als ich auf der Hinreise in der Wohnung des Bremers ankam, hatte gerade auf der andern Seite des Flusses in einem etwa ½ Stunde entfernten rancho ein Gaucho das Bein gebrochen; in dergleichen Fällen muß immer derjenige, der in der nächsten Umgebung durch Bildung oder Verstand oder Erfahrung den Andern überlegen ist, den Arzt machen, und im vorliegenden Fall hieß es gleich, es sei ein agrimensor von B. A. gekommen, der solle gerufen werden. Ich weigerte mich lange, konnte aber am Ende dem vernünftigen Raisonnement nicht widerstehen, "wenn ich auch [S.14] kein Arzt sei, so verstehe ich doch mehr von der Sache als alle Anwesenden," und zog das Bein ein; der Bremer zimmerte mir einige Schindeln von einem Holzstamm, der ihm vom Bau des Hauses übrig geblieben war; ich umwickelte das Bein mit einigen in kaltes Wasser getauchten Lumpen, und mit diesen Schindeln, schiente den Verband nicht hart zu, damit kein Brand entstehe, und empfahl meinem Assistenten, einem Gaucho, er möge durch Zutröpfeln von Wasser die Lumpen immer kalt erhalten, und wenn der Patient über Schmerzen klage, den Verband etwas locker machen. Als ich nach 14 Tagen zurückkehrte, löste ich den alten Verband auf, fand nach meiner Ansicht Alles in bester Ordnung — auch der Kranke war ganz zufrieden und guter Hoffnung — machte einen neuen Verband, und erhielt beim Abschied zum Lohn einen Händedruck, der mir mehr werth war, als manchem Europ. Arzt Bezahlung, und das will viel sagen. Seither habe ich den Kranken nicht wieder gesehen, hoffe aber, daß er geheilt ist.620Heusser erzählt diese Episode mit Bedacht so ausführlich, weil sein eventuelles Auftreten als Arzt ein altes heikles Diskussionsthema zwischen ihm und der Mutter war. Von dieser erfolgreichen Behandlung des Gauchos berichtet hingegen auch Meta Heusser stolz in der Hauschronik, S. 101.schliessen — Ich kehrte von jener Reise vergnügt und mit dem Entschlusse nach Buenos Aires zurück, gleich Alles niederzuschreiben, und Euch zuzuschicken, fand aber dort einige Nachrichten vor, die mir die Stimme erstickten und die Hand lähmten.621Um welche unangenehmen Nachrichten aus der Schweiz es sich handelte, schreibt Heusser erst viel später (Brief vom 25. Mai 1865): er war gekränkt, weil ihm ein aus der Schweiz zurückkehrender Freund berichtete, die Familie habe ihn gefragt, ob das Gerücht stimme, dass er katholisch geworden sei. Damit erklärt sich die lange Pause in der Korrespondenz im Sommer 1862.schliessen Jetzt ist bald ein Jahr darüber verflossen und die Erinnerung nicht mehr frisch. —

[3. Mai 1863]

Sonntag 3t. May. Wir haben die Landreise von Bahia Blanca gemacht und sind am 29t. April glücklich in B. A. angekommen. Die Reise war nicht ohne Interesse, nicht ohne einige Abenteuer, die der Aufzeichnung werth wären. Ich bin aber hier wieder in einen solchen Strudel von Geschäften hineingekommen, daß es mir unmöglich ist, diese letzte Reise hier noch zu Papier zu bringen. Vielleicht werde ich es nächstens thun, wenn ich wieder einmal in irgend einem einsamen rancho durch schlechtes Wetter oder andere Hindernisse von der Arbeit abgehalten, müssig abzuwarten habe. —

Die oben besprochenen Kleinigkeiten (Mataco und Guanaco) sollen sicher etwa auf den Herbst hinüber gehen. Ich mag sie nicht jetzt allein schicken, da ich noch verschiedene Indianer-Sachen von Patagones erwarte. Als Claraz in Patagones war, war an dergleichen Dingen gerade ziemlich Mangel, weil die Tejuelches-Indianer ihre Sachen im Winter zu bringen pflegen, und der Vorrath vom vorigen Winter her fast zu Ende war. Für diesen Winter aber hat Claraz bedeutende Bestellungen gemacht, und ich hoffe etwa im August von hier eine Sendung abschicken zu können, die nicht ganz gewöhnliche Sachen enthalten wird.

J. Ch. Heußer.


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