Brief Nr. 78 – 25.12.1859
Zurück zum Register
1 Vorkommen in diesem Brief
Eintrag drucken
78 25.12.1859
[Buenos Aires, 25. Dezember 1859]
Liebe Mama!

Die Todes-Nachricht532Der Vater Johann Jakob Heusser war am 29. Oktober 1859 gestorben.schliessen hat mich tief ergriffen, und wehmüthig gestimmt. Ich habe mich wieder einmal ausgeweint, wie kaum je seit meiner Kindheit; mein ganzes Leben ist in Gedanken noch einmal an mir vorübergegangen; gottlob, daß das Ende so friedlich und versöhnend war!

Für mich und meine Entschlüsse ist die Nachricht ohne weiteren Einfluß. Ich will nun hier bleiben, bis die zerrütteten Finanz-Verhältnisse etwas geordnet und gebessert sind. Nachher werde ich wohl weiter reisen. Ob ich Dich oder Tante Regeli noch einmal sehe, bleibt so sehr zweifelhaft. Momentan hat es mich allerdings mächtig herübergezogen. Gerne würde ich jetzt einmal einige Tage bei Euch zubringen, aber es geht nicht. Mag mir indeß das noch vorbehalten sein, oder auch nicht, so tröste ich mich damit, daß Ihr jetzt noch freundliche und fröhliche Jahre zusammen verlebt. Ob Theodor in den Hirzel kommt, oder nicht, so werdet Ihr wohl, wenn auch mit etwas öfteren Besuchen nach der Stadt etc. oben bleiben?

Letzthin kam mir zufällig eine Nummer der N.Z.Ztg. zu Gesicht, in der mitgetheilt war, daß Diethelm Burkhardt533Paulus Heinrich Diethelm Burkhardt *1831 war der Sohn des Pfarrvikars Diethelm Burkhard (1798-1871). Er hatte bis 1826 seinen Vater im Hirzel unterstützt und blieb auch später mit der Familie Heusser befreundet. Vgl. M. Heusser, Hauschronik, S. 118, und R. Schindler, Die Memorabilien, S. 267-270.schliessen in der Schlacht von Magenta534Die Schlachten bei Magenta und Solferino im Juni 1859 entschieden den Unabhängigkeitskrieg Italiens.schliessen gefallen sei. Dergleichen könntet Ihr auch schreiben. Es hat mir umso mehr leid gethan, als ich in der That in Brasilien mehrmahls an ihn gedacht habe; Wenn nicht schon zu viel, d.h. unserer vier, an unserer Gesellschaft betheiligt gewesen wären, so hätte ich den Versuch gemacht, ihn aufzufordern, sich mir anzuschließen, da ich wußte, daß er in Zürich nichts ihm Zusagendes finden könnte. Hier in den Plata-Staaten bin ich erst zu kurze Zeit, und kam zudem in einem zu ungünstigen Moment, um gleich Andere zu rufen. Jetzt [S.2] bereue ich, es unterlassen zu haben. Ich bin überzeugt, daß D.B. hier eher zur Ruhe gekommen wäre. Dem Vater und Bruder lasse ich meine herzliche Theilnahme aussprechen. —

Da in diesen Tagen gerade meine letzten Strümpfe und Hemden, die ich vor drei Jahren aus Europa mitgebracht, in ihre letzten Fetzen auseinandergehen, so wäre es mir lieb, wenn ich mit der nächsten Sendung von Waaren, die ich von Brennwald erwarte, etwas Hemden und Strümpfe erhalten könnte. Zwei Dutzend Socken sind ja eine Kleinigkeit. Die Hemden gehen freilich mehr ins Geld; ist von den 500 Frk. von Tante Wichelhausen535Elisabeth Wichelhausen hatte in ihrem Testament allen sechs Kindern ihrer Cousine Meta je 500 Franken vermacht.schliessen Nichts mehr vorhanden? Jedenfalls wünsche ich bloß baumwollene, nicht leinene Hemden; Kragen zum Herunterlegen und vorn auf der Brust zwei Öffnungen für Knöpfe. Im Übrigen bin ich nicht so schwer zu befriedigen. — Beides, Hemden und Strümpfe gehören zu den Artikeln, die hier in Süd-Amerika durchaus nicht ordentlich zu bekommen sind. Meine Angelegenheit mit Hr. Pfr. Wild werde ich in meinem nächsten Brief an Brennwald besprechen und in Ordnung bringen, so wie an ihn selbst schreiben. Für diesmal mein Gruß an ihn.

Schreibt bald mehr, ich habe genug geschrieben in letzter Zeit, und Ihr werdet es wohl zu lesen bekommen haben.

Herzliche Grüße an Dich, Tante Regeli, die Geschwister und Hanny, das wohl auch seinen Beitrag an Strümpfen liefern wird,
Euer Chr.
Buenos Aires den 25t. December 59.

Ich denke wahrhaftig erst jetzt, wo ich das Datum auf den Brief setze, daran, daß es erster Weihnachtstag ist. Nun lebt also keiner mehr von den dreien (Gattiker und Pfister) die von jeher zusammen diesen Tag gefeiert. Wer ist an ihre Stelle getreten, oder wie habt Ihr ihn verlebt?



Zurück zum Register