Brief Nr. 72 – 20.6.1858
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72 20.6.1858
[Ouro Preto, 20. Juni 1858]
Liebe Eltern!

Ouro preto den 20t. Juni 1858. "Ein freies Leben führen wir" ist endlich das lang ersehnte Losungswort geworden, und damit bin ich zufrieden und kümmere mich nicht mehr im geringsten um Alles, was in Europa schriftlich und mündlich gelogen wird.494Anspielung auf die Zeitungspolemik um seinen Bericht.schliessenOuro preto ist die Hauptstadt der mineral-reichen Provinz Minas geraes; der Name bedeutet "schwarzes Gold" und rührt her von dem Vorkommen von Platin, das hier gefunden und ouro preto (schwarzes Gold) genannt wurde. Übrigens auch gewöhnliches, gelbes Gold ist früher in Menge gewonnen worden, und wird zum Theil noch jetzt gewonnen, und der ursprüngliche Namen der Stadt, unter welchem Ihr dieselbe wahrscheinlich auch auf den Karten noch jetzt verzeichnet findet, war Villa rica (reiche Stadt). Nach dieser Hauptstadt der wichtigsten Provinz Brasiliens führt von Rio de Janeiro eine nach brasilianischen Begriffen sehr gute und breite Straße, und es ist daher der Weg von vielen verschiedenen Reisenden, Naturforschern von jeder Zunft, schon gemacht und beschrieben worden. Trotzdem wundere ich mich, wie oberflächlich, zum Theil wirklich unwahr diese Beschreibungen sind. Wir finden fast jeden Tag, und fanden schon auf der Reise, viele unbekannte interessante Erscheinungen, und sind in geringer Verlegenheit, schon von hier aus eine wissenschaftliche Abhandlung nach Berlin zu schicken. Von dort aus werdet Ihr Abzüge erhalten, und wenigstens das, was zur allgemeinen Beschreibung der Gegend gesagt ist, vielleicht mit Interesse lesen. Dagegen bin ich freilich in einiger Verlegenheit, über die Art zu reisen, Land und Sitten der Leute etc. viel Neues zu bieten. Da Ihr indessen mit der Litteratur über Brasilien nicht so bekannt sein werdet, darf ich am Ende auch Gefahr laufen, zu wiederholen, was Andere schon gesagt, haben ja auch schon die letzten Schriftsteller ganz ungenirt in gedruckten Büchern von den frühern abgeschrieben, theils mit, theils ohne Angabe der Quellen. — Ich verreiste von der Fazenda Hr. Eulers in Cantagallo am 27t. Mai, mit dem Gefühl unaussprechlichen Dankes für genossene Freundschaft, nicht bloß sogenannte Gastfreundschft, zugleich aber mit dem festen Entschluß, mir einmal um jeden Preis eine selbstständige, unabhängige Stellung zu erringen. Meier und Claraz waren, wie ich bereits geschrieben schon vorher im Monat März verreist und erwarteten mich in Barbacena, einer ansehnlichen Stadt an der großen Route von Rio nach Ouro preto. Bis Barbacena hatte ich also die Reise allein zu machen, d. h. wenigstens ohne einen wirklichen Reisegefährten; denn ein sog. Camarad zur Besorgung der Maulthiere ist für alle Reisen in Brasilien unumgänglich nothwendig, er ist wirklich ein nothwendiges Übel; ich komme übrigens noch speciell darauf zurück. — Von der Fazenda Bom Valle begleitete mich am 27t. Mai Freund Nägeli noch 3 Meilen; dann kehrte N. zurück, um sein durch Contrakt bedingtes drittes Jahr auszuhalten; in Gedanken wird er aber wohl in diesen Monaten ebenso oft bei uns, als bei seinen Patienten verweilen, und hoffentlich nach Ablauf dieser Zeit mit uns gemeinsam größere und kühnere Pläne ausführen. — Bei dem auch schon erwähnten Zürcherschen Fazendeiro Dietrich war es, wo ich die erste Nacht zubrachte, bei einem Deutschen Arzt Spangenberg die zweite und dritte, und bei einem Schweizerischen Logisten (d.h. Besitzer eines mit allen möglichen Utensilien ausgestatteten Krämerladens) Sturzenegger aus Appenzell in einem kleinen Orte: Samambaio die vierte; damit waren die durch Heimath oder Sprache bedingten Bande zu Ende; am 5t. Tage überschritt ich den Parahyba, welcher Fluß die Grenze der Provinzen Rio de Janeiro und Minas geraes bildet, und war nun darauf angewiesen ganz nach Brasilianer-Art zu leben und zu reisen. Über brasilianische Gastfreundschaft hat man jedenfalls in Europa falsche Begriffe. Auf den Nebenwegen, die kleinere unbedeutendere Orte mit einander verbinden, wie ich einen solchen zunächst von Cantagallo aus bis Barbacena zu machen hatte, sind Hospedarien, d.h. Wirthshäuser nur in den größeren Ortschaften zu finden; da aber diese oft 6 bis 10 Meilen auseinanderliegen, d.h. so weit, daß man von einem Orte aus in Einem Tag den anderen nicht erreichen kann, wenigstens, wenn man Lastthiere mit sich führt, so ist man oft gezwungen die Gastfreundschaft der brasilianischen Fazendeiros in Anspruch zu nehmen. Die Provinz Minas Geraes gilt als die gastlichste in Brasilien und früher sollen alle Reisende in der That freundlich aufgenommen worden sein, und für Essen und Nachtlager gar Nichts, für die Molho (Welschkorn), welches die Maulthiere freßen, eine billige Entschädigung bezahlt haben. Jetzt ist es anders; in der dritten Nacht von dem Parahyba aus war ich gezwungen in einer Fazenda anzuhalten, da der nächste Ort zu weit entfernt war. Als ich um Erlaubniß bat, die Nacht dort zuzubringen, fragte mich der Besitzer, wie weit ich denn heute schon komme, ob ich nicht mehr weiter könne etc., bewilligte aber endlich, als ich diese [S.2] Frage verneinte, ein Nachtquartier, jedoch nicht etwa in einem Zimmer der Fazenda d.h. dem schönen neuen Wohnhaus selbst, sondern in einem kleinen Nebengebäude ohne Fenster mit halb eingefallenen Mauern, wo der Wind nach allen Richtungen durchpfiff. Als Mittagessen wurde mir Bohnen mit Maismehl geboten mit den Knechten zusammen ohne Café, Abends weiter gar Nichts, und Morgens eine Tasse schlechten Cafe. Dafür nahm der Fazendeiro nicht bloß Bezahlung für Molho, sondern selbst eine ziemlich unverschämte Summe für Nachtlager und Mittagessen. Ich war zu stolz einer solchen Behandlung gegenüber mich als Dr. zu erkennen zu geben, was ohne Zweifel gewirkt hätte, sondern faßte den festen Entschluß, ohne Empfehlungen keine Brasilianische Fazenda mehr zu betreten; wie man dies vermeiden kann, werden wir bald sehen. Diese Behandlung auf einer Fazenda habe ich nicht aus Haß gegen Brasilien mitgetheilt, sondern als einfache Thatsache; auch ist sie keineswegs eine vereinzelte Erscheinung; Meier und Claraz haben wiederholt dasselbe erfahren. Als Entschuldigung der brasilianischen Fazendeiros, besonders derjenigen an diesen Nebenstraßen, ist anzuführen, daß sie solche nächtlichen Besuche fast ausschließlich von Maskaten erhalten, d.h. jüdischen Krämern und Kleinhändlern, deren Zudringlichkeit und Unverschämtheit weltbekannt ist, und für welche obige Behandlung allerdings paßt. Außerdem werden wir bald sehen, daß mit jeder schriftlichen Empfehlung, die von irgendeinem, auch dem entferntesten, Bekannten an einen Fazendeiro gelangt, die Aufnahme auf der Fazenda eine ganz andere wird; dann findet man offene Arme, Gastfreundschaft im vollen Maaß. Ohne irgendeine Einführung oder Empfehlung wird aber sicher der Fremde in Brasilien nur mit Mißtrauen oder gar nicht aufgenommen. — Was die Hospedarien in den kleinen Ortschaften betrifft, ist der nächtliche Aufenthalt in denselben auch sehr unangenehm: diese Hospedarien sind meist von Mulatten, oder noch öfter von Mulattinnen gehalten, die unfreundlich, unreinlich im höchsten Grad, und zugleich enorm theuer sind. Man muß sich Alles gefallen lassen, darf nicht die geringste Bemerkung machen, oder wird einfach fortgeschickt: in der Regel ist nur Eine solche Hospedaria in einem Ort; ohne Concurrenz verfährt daher ein solcher Wirth oder Wirthin mit den Fremden nach Belieben; aber auch wo Concurrenz vorhanden ist, muß man sich viel gefallen lassen; das Geld hat so geringen Werth, daß stets der Fremde eher es mit Dank anerkennen muß, wenn der Wirth ihn in sein Haus aufnimmt, als daß umgekehrt wie in Europa, der Wirth die Gäste anzuziehen sucht. Von dem Parahyba gelangte ich in 4 Tagen auf die Hauptstraße von Rio, und zwar in Juiz de Fora, einem ziemlich großen und schönen Orte. Von dem Parahyba aus hatte ich folgende Ortschaften passirt: St. Jozé, Angu, St. Antonio, Espirito Santo; vielleicht findet ihr dieselben und somit die Richtung meines Weges auf dem Kärtchen, das Burmeisters495H. Burmeister, Reise nach Brasilien durch die Provinzen von Rio de Janeiro und Minas geraës. Mit besonderer Rücksicht auf die Naturgeschichte der Gold- und Diamantendistricte, Berlin 1853.schliessen Reise in Brasilien beigegeben ist. Wenn Ihr übrigens das Werk nicht geliehen bekommen könnt, so laßt es; irgendwelchen Werth hat es durchaus nicht: die Karte ist copirt und der Text voller Lügen und Übertreibungen. — Von Juiz de Fora bis Barbacena hatte ich zwei Tagreisen, indem ich den Camaraden mit dem Lastesel zurückließ; dieser kam erst am folgenden Tag in Barbacena an. — Auch an dieser großen Straße findet man keine größeren, bequem eingerichteten Wirthshäuser, sondern dieselben schmutzigen Spelunken wie an den Nebenstraßen. Dagegen finden sich an der Hauptstraße ganz regelmäßig alle zwei bis drei Meilen sogenannte Ranchos, d.h. große Ziegeldächer auf bloßen Pfählen ruhend, zwar ohne Mauern, aber immerhin Schutz gegen Regen bietend. Neben diesen Ranchos sind stets kleine Hütten (Wenden) in denen die nöthigsten Lebensmittel und Getränke verabreicht werden. Unter den Ranchos übernachten alle Troupiers, mit ihren Schwarzen, d.h. diejenigen Leute, die die Landesprodukte (Metalle, Käse, Baumwolle) auf Mauleseln nach Rio transportiren und von dort Europäische Fabrikate aller Art zurückbringen. Außerdem werden die Ranchos bei der schlechten Beschaffenheit der Wirthshäuser auch oft von Reisenden jeder Art benützt. Selbst große Brasilianische Fazendeiros, wenn sie nach Rio reisen, ziehen es oft vor, statt auf Fazenden abzusteigen, Betten und Küche mitzuführen und unter diesen Ranchos zu übernachten. — In Barbacena traf ich glücklich die beiden Freunde an; wir sahen ein, daß die letztere Art zu reisen auch für uns, namentlich mit Beziehung auf die Öconomie die zweckmäßigste sei. Beiläufig will ich nur erwähnen, daß ich mit meinem Cameraden und 4 Maulthieren (2 Reitthiere für mich und den Cameraden, 1 Lastthier, und 1 Maulthier, das leer mitlief, um im Nothfall auszuhelfen) täglich im Durchschnitt 10 Milreis, d.h. etwa 30 Frk. brauchte; wenn an den Eisen der Maulthiere etwas fehlte, auch mehr. Dabei lebte ich sehr knapp und bescheiden. — Bevor ich übrigens die auf andre Weise angetretene Weiterreise beschreibe, muß ich einmal von dem schon vielfach erwähnten, für den Reisenden in Brasilien so wichtigen Camaraden sprechen. Es ist derselbe durchaus nothwendig; je mehr man mit Thieren umzugehen weiß, desto besser ist es [S.3] allerdings für den Reisenden, desto mehr kann er dem Camaraden aufpassen. Selbst kann man aber die Thiere unmöglich behandeln, da man in den Hospedarien keine Stallknechte findet, und die Weiden, auf denen die Thiere die Nächte zubringen, oft halbstundenweit und noch mehr von den Hospedarien entfernt sind. Hierhin hat der Camarad die Thiere zu treiben, des Morgens zu holen, die Lastthiere zu beladen, alle zu beschlagen u.s.w. Kurz, wenn der Reisende von der Behandlung der Thiere Nichts versteht, ist er rein in der Hand des Camaraden, kann, wenn dieser will, oft Tage- und Wochenlang einen Ort nicht verlassen. Auch wir haben in dieser Beziehung unser Lehrgeld bezahlen müssen; von Cantagallo aus hatten Meier und Claraz einen Camaraden genommen, der als treu empfohlen wurde. Es ist dies allerdings eine der besten Empfehlungen, da ein Camarad nur zu oft Gelegenheit hat, mit einem Theil oder auch allem Gepäck sich aus dem Staub zu machen, und in diesem Land keine große Gefahr läuft, ertappt zu werden. Als treu bewährte sich allerdings unser Camarad; dagegen machte er sich gar Nichts daraus, wenn er in einem Orte eine Schöne fand, bei der er etwas verweilen wollte, einen Esel weit in eine Capoeire (niedrigen Wald) entlaufen zu lassen, und denselben absichtlich Tage lange nicht mehr zu finden. Als Meier und Claraz sich Barbacena näherten, wurden fast alle Thiere krank an den Füßen; der Kerl hatte dieselben beim Beschlagen vernagelt, entweder um aus obigem Grund in dem letzten Ort vor Barbacena längere Zeit zu verweilen, oder was noch wahrscheinlicher ist, um dieselben recht zu Grunde zu richten, dann um wohlfeilen Preis zu kaufen, und auf dem kleinen Gut seiner Eltern, die in Barbacena wohnten, wieder gesund werden zu lassen. Da er wenigstens direkt Nichts veruntreut hatte, und es sehr schwer hielt, sicher einen guten Camaraden zu finden, so schickten Meier und Claraz den Kerl doch noch einmal heraus, um mich zu holen. Da er sich nun für unentbehrlich hielt, geberdete er sich in der That, wie der Herr. Ich ließ mir Alles gefallen, um nur glücklich in Barbacena anzukommen, und hier wurde Hr. Firmian dann natürlich sogleich entlassen. — In der That trug dieser Kerl viel dazu bei, den Anfang der Reise schwer zu machen. Wenn es jetzt besser geht, so freut es uns um so mehr, und ich habe die Einzelheiten nur mitgetheilt, um zu zeigen, daß für Reisen in Brasilien ein guter Camarad vor Allem wünschenswerth ist. —

Übrigens giebt es nichts Neues unter der Sonne; schon mancher fremde Reisende hat sich von Schweizer-Führern viel gefallen lassen müssen; und unter den vielen unangenehmen und abstoßenden Wirthsleuten habe ich wenigstens Eine freundliche und zuvorkommende Wirthin getroffen in Juiz de Fora, was ich billigerweise noch bemerken muß. Auch folgenden Zug des Hr. Firmian wird man oft unter allen Classen der Bevölkerung von Europa finden, und er machte mich herzlich lachen: in dem eben erwähnten Wirthshaus in Juiz da Fora entzückte ein Orgeldreher die ganze Bevölkerung des Hauses; Hr. Firmian aber bemerkte stolz: quem sta accustumado a oudir o piano, naõ gosta d'esta musica (wer gewöhnt ist, das Piano zu hören, findet keinen Geschmack an dergleichen Musik). Wahrscheinlich hatte er das Piano in seinem Leben nie gehört, als in den wenigen Tagen, die er auf unserer Fazenda zubrachte; hier freilich die ausgewählte und vortreffliche Musik der Mad. Euler. — In dem schön gelegenen Barbacena verweilte ich 5 Tage, die theils der Untersuchung der interessanten Gegend, theils Vorbereitungen zur Weiterreise gewidmet waren. Zu letzteren gehörte vor Allen das Aussuchen eines neuen Camaraden. Firmian war ein dunkler Mulatte, und an diesem Einen hatte sich allerdings die allgemeine Behauptung, daß alle Mulatten Nichts taugen, erwahrt. Wir suchten und fanden nun als Camaraden einen ganz Schwarzen, und zwar einen freien, älteren Mann, mit dem wir alle Ursache haben, zufrieden zu sein; mit ihm scheint der Glücksstern der Reise sich geändert zu haben. Schon unser erstes Zusammentreffen mit ihm war empfehlend: wir suchten ihn nach eingebrochener Nacht in seiner 1 Meile von Barbacena gelegenen kleinen Hütte auf, und fanden ihn mit seiner Familie (Frau und Tochter) beim Abendessen. Bald hatten wir mit ihm den Contrakt gemacht; leider kann er aber nicht weit mit uns kommen, da er bis zum 2t. August zur Hochzeit seiner Tochter zurückkehren will. Diese bildet sein ganzes Glück; von ihr allein spricht er: er habe sie zur Schule geschickt, sie könne lesen und schreiben, wie eine Weiße, er gebe ihr so und so viele Pferde und Maulthiere zur Aussteuer, dafür bekomme sie auch einen rechten, etwas weißeren Mann! Dies Vorurtheil scheint wirklich allgemein und tief zu wurzeln! [S.4] Für mich ist umgekehrt dieser Alte ein neuer Beweis, daß jenes Mährchen von der untergeordneten Raçe nur zur Rechtfertigung der Sklaverei ersonnen ist, und daß die Schwarzen bei einer vernünftigen Behandlung und Erziehung auch eines gesitteten, geselligen Lebens fähig sind. Übrigens muß man den Brasilianern zugeben daß sie es den Schwarzen nicht unmöglich gemacht haben, sich durch fleißige Arbeit nach einigen Jahren freizukaufen, und daß außerdem freie Schwarze und Mulatten von den Weißen nicht so verachtet und von aller Gesellschaft ausgeschlossen sind, wie in Nordamerika. — Kurz unser Alte versteht seinen Dienst, erfüllt denselben pflichtgetreu; nach 14 Tagen haben wir uns nicht im mindesten über ihn zu beklagen, und würden gerne seine oft etwas lästige Geschwätzigkeit ertragen, wenn er uns nur weiter begleiten wollte. — In Barbacena hatten Meier und Claraz die Bekanntschaft eines Franzosen496Leider nennt Heusser den Namen des Franzosen mit den vielen Berufen nicht.schliessen gemacht, der nach langjährigem Aufenthalt in Brasilien weiß, wie man sich hier zu benehmen hat; er vereinigt folgende Stellen: er ist Straßen Ingenieur, Professor der Mathematik, der französischen, lateinischen und griechischen Sprache an den öffentlichen Schulen und endlich beschäftigter praktischer Arzt, und zwar Homöopath. Dieser sagte uns auch, daß man ohne Empfehlungen, ohne bei Brasilianern eingeführt zu sein, in Brasilien gar nicht reisen könne; er versprach uns den besten Erfolg von den Empfehlungen, die wir nach Ouro preto und weiterhin hatten, und gab uns selbst noch solche mit. Außerdem rieth er uns, unsere eigene Küche mitzunehmen, und in Zukunft in den Ranchos zu übernachten, nicht auf Fazenden, wenn wir keine Empfehlungen hätten, noch weniger in Hospedarien. Ferner gab er uns selbst noch solche mit, und so brachen wir Samstag den 12t. Juni von Barbacena mit frischem Muthe auf, und gelangten in 6 Tagen glücklich und nach angenehmer Reise in Ouro preto an. Eine Nacht hatten wir auf einer Fazenda zugebracht, wo wir durch die Empfehlung jenes Franzosen freundliche Aufnahme fanden, die andern aber unter Ranchos, um warme Wachtfeuer gelagert, die uns mehr erquickten, als der Portwein stolzer Fazenden. Auch hier in Ouro preto hatten einige Empfehlungen von Rio die beste Wirkung; man versprach uns alle Unterstützung und hat uns dieselbe auch wirklich von Stunde an zukommen lassen. In Folge dessen entschlossen wir uns, einige Wochen hier zuzubringen, und mietheten uns sogleich ein großes dreistöckiges Haus, in welchem wir die fidelste Junggesellen-Wirthschaft führen. Unser alte Schwarze besorgt die Küche und bewohnt den ersten Stock, wo zugleich gespeist wird. Im zweiten wird daguerotypirt und im dritten werden die wissenschaftlichen Beobachtungen und Untersuchungen gemacht. Dieser gleicht fast einem physikalischen Cabinett oder chemischen Laboratorium; Ouro preto wenigstens hat noch kein solches gesehen, und in der That haben die Leute, an die wir empfohlen waren, die größte Freude an einigen kleinen chemischen Versuchen und am Betrachten unserer Instrumente. Während Meier und Claraz daguerotypiren mache ich Exkursionen in der reichen Umgegend; sehr oft bin ich übrigens vom einen oder andern begleitet; Claraz hat natürlich selbst großes Interesse am Studium dieser Formationen, und ist mir seiner gründlichen chemischen und geologischen Kenntnisse wegen ein angenehmer und nützlicher Begleiter. Meier dagegen ist der praktische Begleiter, der schon einen guten Anfang gemacht, jene Einsiedler Geschichten497Dass der Tausch von Devotionalien, die vom Kloster Einsiedeln produziert wurden, gegen Mineralien bei der Brasilianischen Landbevölkerung Erfolg haben könnte, hatten sich die drei Reisenden zuvor gut überlegt. Vgl. Brief Nr. 71 (7. 5. 1858). Der Familie daheim mussten diese Geschäfte doch sehr ungewohnt erscheinen.schliessen gegen diejenigen Mineralien einzutauschen, die ich ihm als werthvoll bezeichne. — Dies ist etwa die Art und Weise, wie ich nach Ouro preto gekommen bin, und wie man im Allgemeinen in Brasilien reist. Da man mit den Lastthieren gerne früh aufbricht, um vor der großen Nachmittags-Hitze die Tagreise zu vollenden, so blieben uns täglich noch einige Stunden zur Betrachtung der Gegend wo wir Halt machten. Von jeder Beschreibung des Landes abstrahire ich aber hier vollkommen, um so eher als die Arbeit, die ich nächster Tage nach Berlin schicke, nicht ausschließlich wissenschaftlich gehalten, oder wenigstens nicht bloß für Naturforscher verständlich ist. In welchem Journal sie erscheinen wird, weiß ich nicht; dagegen werde ich dafür sorgen, daß Ihr Abzüge erhält. — Von hier aus geht die Reise weiter über Diamantina, nach Minas Novas und von da den Fluß Muccuri herunter zur Küste und dann nach Rio, wo wir vor Einbruch der nassen Zeit, d.h. etwa Ende October einzutreffen gedenken. Vorher, wahrscheinlich von Diamantina aus, werde ich noch einmal schreiben. — Ich wiederhole, daß wenn Ein Wort aus diesem Briefe veröffentlicht wird, ich kein Wort mehr schreibe. Wenn dieser Brief im Hirzel gelesen ist, so schickt ihn Brennwald mit der Bemerkung, daß ich im nächsten einige Worte an ihn einschließen werde. — Wenn ich im vorigen Brief schrieb, daß meine Briefe Herrn Prof. Mousson offen stehen, so nehme ich dies jetzt nicht zurück; nur glaube ich, daß dieser Brief auch nicht das mindeste Interesse für Mousson hat, weil alles Naturwissenschaftliche darin rein übergangen ist. —

Mit dem Wunsch, daß diese Zeilen Euch gesund treffen
Euer Ch.


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