Brief Nr. 68 – 31.10.1857
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68 31.10.1857
[31. Oktober 1857]
Lieber Spyri!

Meinen Dank für die Mühe, die du dir gegeben, mich bei Tschudi486Johann Jakob von Tschudi (1818-1889) war in diesen Jahren der bekannteste und erfolgreichste Schweizer Forschungsreisende in Südamerika. Er veröffentlichte "Untersuchungen über die Fauna Peruana" in 5 Bänden, 1844-1846, sowie zwei Bände "Reiseskizzen aus den Jahren 1836-1842". Im Herbst 1857 suchte Tschudi Mitreisende für seine neue Expedition (1857/58), war also gleichzeitig wie Heusser in Brasilien und äusserte sich offenbar in Rio abfällig über den jungen Schweizer. Zwei Jahre später, im Herbst 1859 erhielt Tschudi vom Bundesrat den Auftrag, seinerseits die Schweizer Auswanderer in Brasilien zu besuchen. In Europa lebte Tschudi seit 1848 in der Nähe von Wien auf seinem Gut Jakobshof bei Edlitz. Zu Tschudis Biographie vgl. C. Troll und H. Beck, Einleitung zur Neuausgabe von Tschudi, Reisen durch Südamerika I, S. 5-26, Stuttgart 1971.schliessen unterzubringen. Ich erwarte aber keinen Erfolg; hat bis jetzt Niemand etwas von mir wissen wollen, so wird sich nicht der östreichische Freiherr meiner annehmen wollen, sondern ich werde wohl meinen eignen Weg gehen. Ganz sicher kannst du mir übrigens glauben, daß mir am Begleiten dieses Herrn wenig gelegen ist. Die Anzeige ist zu marktschreierisch, als daß dieser Herr ein anderes Ziel als A. A. Zeitungs-Berühmtheit haben kann; und darauf verzichte ich gerne. Auch Nägeli, der Tschudis Reisewerk über Peru487Wahrscheinlich Tschudis "Peru. Reiseskizzen aus den Jahren 1838-1842".schliessen kennt, sagt, es sei von keinem wissenschaftlichen Werth. —

Viel wichtiger ist mir jetzt, daß die von Brennwald bestellten Seidenwaaren488In dieser Zeit seines Brasilienaufenthalts versuchte Heusser mit verschiedenen Importwaren aus der Schweiz einen lukrativen Handel aufzuziehen. Er steckte in finanziellen Schwierigkeiten, weil die Firma Vergueiro entgegen den Abmachungen seine Reisekosten nicht bezahlte.schliessen bald ankommen. Von Mechaniker Goldschmid bitte ich mir auch eine Kleinigkeit aus, und bitte dich denselben zu drängen, daß er in den 8 bis 10 Tagen, die bis zum nächsten Schiffs-Abgang in Southampton verstreichen, dieselbe liefert, und dann sende sie schnell an Brennwald. Ferner laß dir von Hr. A. Nägeli soviel Geld geben, als Brennwald verlangt, wenn die Regierungen Nichts bezahlen. — Allerdings sind diese Seidenwaaren nur ein einzelner der verschiedenen Industriezweige, durch die wir Geld zu machen suchen, aber immerhin ein sehr wichtiger, und daher bin ich sehr auf die Sendung gespannt.

Aus meinen Briefen an Brennwald und Crull wirst du wissen, daß wir von der Medicin, vom Feldmessen, Daguerotypiren [S.2] und Vergolden und vom Handel aller Art das Übrige erwarten; und wenn wir gesund bleiben, und nicht Alles trügt, so müssen wir aus diesem reichen und ungekannten Lande herrliche Schätze an Naturalien aller Art, namentlich aber Mineralien, zurückbringen.

Grüße mir den Caeco, und sage, wenn allenfalls der kleine dicke Fehr489"Caeco" und der "kleine dicke Fehr": Studienfreunde von Christian und Spyri, die auf Grund dieser Angaben nicht identifiziert werden können.schliessen zurückkehren sollte, und Lust hätte, mitzukommen, so könnten wir denselben gut gebrauchen. Auf den Fazenden im Innern soll man besonders gut aufgenommen sein, wenn man die Abende mit Musik verbringt. Nun spielt Nägeli Flöte, Claraz muß wo möglich noch etwas Guitarre lernen, und Fehrelis Silberstimme wäre dazu unbezahlbar. Christen.

31t. October 57.

NB. Wenn Mousson die gewünschten Apparate etc. noch nicht abgeschickt haben sollte, so bitte ich dieselben auch an Brennwald einzuhändigen, damit Alles auf einmal kommt.



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