Brief Nr. 66 – 3.8.1857
Zurück zum Register
1 Vorkommen in diesem Brief
Eintrag drucken
66 3.8.1857
[Bom Valle bei Cantagallo, 3. August 1857]
Liebe Eltern!

Endlich bin ich von der fieberhaften Aufregung, in die mich die Colonisten-Angelegenheit monatelang versetzt hatte, zur Ruhe gekommen, und will ich Euch nun auch von meiner eignen Lage und meinen Plänen Einiges mittheilen. Wie Ihr bereits wißt habe ich, aus St. Paul nach Rio zurückgekehrt, diese Stadt auch bald wieder verlassen, um meinen Bericht an die Schweizerischen Regierungen im Innern der Provinz Rio auf der Fazenda, wo Dr. Nägeli Hausarzt ist, abzufassen. Derselbe ist auch bereits mit dem letzten englischen Schiff abgegangen, und somit wohl schon bald in der Schweiz bekannt. Unterdeß hat es mir hier so gut gefallen, daß ich mich entschlossen habe, hier zu bleiben. Herr Euler457Carl Euler (1834-1901) war 1853 nach Brasilien gekommen und hatte die Fazenda Bom Valle in der Nähe der Deutschen Kolonie Cantgagallo übernommen. Er war ein engagierter Ornithologe: vgl. J. Cabanis, Übersicht der von Herrn Carl Euler im District Cantagallo, Provinz Rio de Janeiro, gesammelten Vögel, Journal of Ornithology XXII, 1871, S. 81-90.schliessen von Basel, Besitzer dieser Fazenda, die etwa eine Quadratstunde groß ist, will dieselbe verkaufen und wünscht zu dem Zweck ein genaues Kärtchen derselben zu besitzen. Dieses nehme ich nun in der nächsten Zeit auf, und sammle außerdem alle möglichen Mollusken, Insekten, Fische, Vögel und Mineralien dieser reichen Gegend, um mich dadurch auf eine größere Reise ins Innere vorzubereiten, welche ich mit Nägeli zusammen zu machen gedenke. Wir sind zwar fest dazu entschlossen. Da aber jedenfalls noch einige Zeit darüber vergehen wird, bis wir dieselbe wirklich antreten, so will ich Näheres darüber erst später schreiben.

Die Gegend hier hat im Ganzen denselben Charakter, wie in St. Paul; bloß ist dieselbe hier viel angebauter und bevölkerter, weniger Urwald, dagegen Caféberg an Caféberg, Fazenda an Fazenda. Die nächste Stadt ist von hier etwa 2 Stunden entfernt, ist übrigens auch ziemlich neuen Ursprungs; die ganze Gegend verdankt ihre Cultur Schweizerischen und Deutschen Einwanderern vom Jahr 1819, die ursprünglich in Novo Friburgo, viel höher gegen die Serra hin gelegen, niedergelassen waren. Diese Serra, oder das Küstengebirge, streicht nämlich in der Gegend von Rio etwa 8 bis 10 Stunden vom Küstensaum hin und erreicht eine Höhe von 3000-4000 Fuß. Nach Osten gegen das Meer hin fällt dasselbe sehr steil ab, nach Westen, gegen das Innere dagegen allmäliger. Der fünfte Theil der Serra bietet nicht bloß einzelne freie Punkte mit ausgezeichneter Fernsicht auf die Küste und das Meer, sondern es ist der ganze Charakter der Gegend mit den steilen Wänden, die theils kahl, theils aber mit üppigen Tropengewächsen bedeckt sind, ein ganz eigenthümlicher, romantischer. Hier nun wollte die damalige Kaiserin, eine östreichische Princessin,458Erzherzogin Leopoldina von Österreich (1797-1826) hatte 1816 den späteren Kaiser Dom Pedro I. von Brasilien (1798-1834) geheiratet.schliessen in idyllischer Unkenntniß der Verhältnisse, Alpenwirthschaft einführen, und gründete zu dem Zwecke 1819 die Colonie Novo Friburgo, die eben anfangs namentlich aus Freiburgern, außerdem aber auch aus Aargauern, Bernern, und vielen andern Schweizern bestand. Campos (Weiden) sind aber hier gar nicht vorhanden, Viehzucht wollte daher nicht gedeihen; für Cafe war aber die Gegend zu hochgelegen, daher zu kalt; die fleißigern und einsichtigern Colonisten zogen sich daher bald von hier weg dem Innern zu, gegen das Thal der Parahyba herunter, begannen hier Cafebau, und viele von ihnen haben sich jetzt ungeheure Reichthümer erworben. Die in Novo Friburgo zurückgebliebenen Colonisten giengen theils zu Grunde, theils vegetirten sie lange Zeit elendiglich, erholten sich aber in neuer Zeit, da Novo Friburgo als Churort einen bedeutenden Aufschwung genommen hat, und von Rio aus in der heißen Jahreszeit massenhaft besucht wird. Die meisten dieser reich gewordenen Schweizer sind übrigens ihrem ganzen Wesen nach brasilianische Pflanzer geworden, schneiden ihren Sklaven die Ohren ab, prügeln sie gelegentlich todt, verkaufen ihre eignen Kinder (Mulatten) als Sklaven, kurz unter diesen Schweizern ist keine Heimath zu finden. Einer dieser schönen Herren, ein Herr Übelhardt aus dem freien Amt soll vor kurzer Zeit nach Hause zurück gekehrt sein, und seine Frau, ein ursprüngliches Berner-Mensch, von Diamanten prangen wie kaum eine Deutsche Fürstin. Übrigens sind jene Grausamkeiten erklärlich und werden andauern, so lange als die Sklaverei selbst. Der Sklave ist an sich, wenn auch nicht durch seine Schuld, ein verabscheuungswerthes Individuum, faul, hinterlistig und nur mit der Peitsche in Ordnung zu halten. Die Sklaverei selbst demoralisirt eben und halbe Sklaverei hat dieselbe Wirkung, darum habe ich auch unter den Colonisten so viel Hundereien, so viel Falschheit und Verrath gefunden. Das Clima thut sein Mögliches, um die Grausamkeiten zu unterhalten, Freude am Quälen und Martern Anderer zu nähren, und so kommt es, daß die Herren die [S.2] Sklaven, diese aber hinwieder, was von ihnen abhängig ist, d.h. Hunde und Hausthiere peinigen, z.B. Ziegen und Schweinen, die sie schlachten sollen, lebendig den Bauch aufschneiden u.s.w.

Herr Euler gehört übrigens keineswegs zu jenen Pflanzern, die Clima und Habsucht zusammen gefühllos gemacht haben; er ist erst seit wenigen Jahren hier, hat die ganze Fazenda von seiner Frau erhalten, und will dieselbe nächstens verkaufen, um nach Europa zurückzukehren: Auch die Frau, eine geborene Engländerin, ist nichts weniger als streng oder grausam; dabei ist sie sehr lustig und unterhaltend, so daß das Leben auf dieser Fazenda ganz angenehm ist. Auch hier wie in St. Paul sind Wege und Clima der Art, daß man kaum 5 Minuten vom Hause sich entfernt ohne Pferd oder Maulthier zu besteigen; ganze Familien mit Frauen und Kindern besuchen sich so zu Pferde; und da jede solche Familie stets von einigen Bedienten zur Besorgung der Thiere begleitet ist, so macht eine solche Truppe oft fast eine Compagnie Cavallerie aus. Letzthin hatten wir hier Besuch einer solchen benachbarten Pflanzer-Familie, und ihr zu Ehren wurde ein Frühstück im Urwald genossen, wohin nun ebenfalls alle Glieder beider Familien ritten. Das Frühstück an sich bietet nichts Erwähnenswerthes, weil ganz nach Europäischer Art zubereitet; und daß reiche und unabhängige Leute sich zusammen lustig machen, kommt auch etwa in Europa vor; ganz eigenthümlich war aber jedenfalls der Ort und ich will bei der Gelegenheit einmal Einiges über denselben mittheilen, da ich wenigstens mir denselben ganz falsch vorgestellt habe. Es steht nicht Baum an Baum dicht neben einander, sondern die einzelnen Riesenstämme weit auseinander, so daß selbst ihre weit ausgedehnten Kronen sich nicht berühren. Die Bäume selbst sind von Schlingpflanzen umrankt, auf den Ästen sitzen nesterartig eine Menge Parasiten, und von der Krone herunter wachsen rings um gegen den Boden, und oft diesen wirklich erreichend Rohrgewächse, die selbst von nahem ganz wie besondere Baumstämme aussehen. Ihr Durchmesser wird oft mehr als ein Fuß lang, und sie werden vielfach als natürliche Fässer zum Aufbewahren von Flüssigkeiten gebraucht. Ausgezeichnet durch geraden hohen Stamm ist der sogenannte Jaquaranda; hoch oben dehnt sich seine Krone, in der Längsrichtung nur wenig ausgebildet um so weiter in horizontaler Richtung aus, und bildet ein kreisförmiges Dach. Diese Bäume sehen in der That aus wie gewaltig hohe Tempel, auf seinem starken Mittelpfeiler (dem Stamm) und unendlich vielen, im Kreise herum aufsteigenden kleineren Pfeilern (den Rohrgewächsen) ruhend. Wenn nun auch, wie bereits bemerkt, die großen Bäume selbst weit auseinander stehen und sich selbst oft kaum mit den Blättern berühren, so sind dagegen jene Schlingpflanzen und Rohrgewächse unter sich und mit unendlich vielen andern strauchartigen Gewächsen, Palmen, baumartigen Farnen, ungeheuren Dornen, die ich als Nicht-Botaniker nicht näher beschreiben kann, so dicht verwachsen, so daß dadurch der eigentliche Urwald wirklich undurchdringlich wird. Da aber alle diese Gewächse nicht harte hölzerne Stämme haben, sondern mit Leichtigkeit von jedem Messer durchschnitten werden, so kommt es eben, daß der Eingeborene mit seiner Fakke (ein Messer von etwa 1 bis 1½ Fuß Länge) in der Hand sich so schnell durch den Urwald Weg bahnt, daß man ihm folgend, langsamen Schritts stets vorwärts gehen kann. Um auf unser Frühstück zurückzukommen, so war dasselbe begleitet von einem Conzert gleich schön, wie eigenthümlich. Nicht Vögel waren die Sänger: Die Papageien, die stets in großen Schwärmen hin und herfliegen, singen bekanntlich nicht, und auch sonst habe ich von Singvögeln in den Tropen bisher wenig gehört. Dagegen hört man an schönen Morgen im Urwald ein Summen und Tönen, das, von Millionen unsichtbarer Thierchen, wohl hauptsächlich Insekten, herrührend, daran erinnert, wie unendlich bevölkert und belebt der Urwald, dem Europäer gewöhnlich ein Bild größter Stille und Einsamkeit, in der That ist. Jenes Summen und Tönen erinnert von Allem, was ich schon gehört, am meisten an die Heimchen, die sich in schönen Sommernächten gemäßigter Zonen hören lassen, nur sind die Töne des Urwalds ungleich viel lauter, so daß man, ohne die kleinen Sänger zu sehen, bei der Gewalt der Töne sich wirklich fast in eine Feen-Welt versetzt glaubt. Das Eigenthümliche des Urwalds ist also neben den vielfach interessanten Pflanzenformen das mannigfaltigste und freiste Leben der Thierwelt. Dies soll[S.3]te man freilich in Europa selbst am besten ausrechnen können; Schiller hat es übrigens ja auch ausgesprochen in den bekannten Worten in der Braut von Messina.459Heusser denkt wohl an die Verse 2585-88 in Schillers "Braut von Messina": "Auf den Bergen ist Freiheit! Der Hauch der Grüfte/ Steigt nicht hinauf in die reinen Lüfte,/ Die Welt ist vollkommen überall,/ Wo der Mensch nicht hinkommt mit seiner Qual."schliessen

Ich muß noch einmal auf die Colonisten-Angelegenheit zurückkommen, doch mag ich deswegen nicht noch besonders an Oberst Benz schreiben. Spyri wird es wohl mündlich abmachen können. Es wäre mir nämlich lieb, und sogar eine große Beruhigung, wenn mein Bericht, oder wenigstens der Haupt-Inhalt desselben, die größten in St. Paul vorgekommenen Schändlichkeiten den Höfen oder Regierungen von Portugal, Belgien und sämtlichen deutschen Staaten mitgetheilt würden. Es geht dieser Wunsch wahrhaftig nicht aus Eitelkeit von meiner Seite hervor, sondern aus Mitleiden für arme Portugiesen, Belgier und Deutsche. Vergueiro soll nämlich meine Ehren-Erklärung460Die "Ehren-Erklärung", jener Dankesbrief, den die Familie Vergueiro anfangs März von Heusser als Voraussetzung für eine gütliche Einigung mit den Schweizern auf Ibicaba erzwungen hatte, wurde schon im Mai in stark redigierter Form in der Auswandererzeitung "Der Kolonist" publiziert. Heusser sah sich insofern etwas vor, als er im Brief an Oberst Benz vom 2. Juni 1857 den Brief in seiner ursprünglichen Fassung wiedergab. Siehe Zusätzliche Dokumente Nr. II.3 unter Materialien.schliessen bereits dazu benutzt haben, um die Auswanderung aus diesen Ländern nach seinen Colonien zu locken. Daran habe ich allerdings, als ich dieselbe ausstellte nicht gedacht; übrigens hatte ich keine Verpflichtung gegen andere Länder, und daß ich trotz derselben der Auswanderung aus der Schweiz ein Ende machen könnte, wußte ich. Übrigens liegt es auch im Interesse der hiesigen Schweizer-Colonisten, nicht bloß im Interesse der Menschlichkeit überhaupt, die gesammte Europäische Auswanderung nach Brasilien, so viel als möglich, zu hintertreiben; denn je weniger neue Arbeitskräfte nach Brasilien kommen, desto mehr werden die bereits vorhandenen Arbeitskräfte, bei der steten Verminderung der Neger-Sklaven, geschätzt werden, desto besser müssen unsere Colonisten gestellt werden. Ein zweiter Punkt betreffend Colonisation, den ich hier noch erwähnen will, ist folgender. Wenn ich nicht irre, steht Hr. Spoendli461Johann Heinrich Spoendlin (1812-1872), ein Freund Spyris, war Kantonsprokurator (Anwalt mit Ermächtigung vor Bezirksgericht zu plädieren) und gründete das Evangelische Seminar Unterstrass. HBLS VI, S. 478. Seine Beziehungen nach Bremen gingen über Pastor C. R. Vietor, mit dem er eng befreundet war. Vgl. R. Schindler, Spurensuche, S. 161-167 und 347f.schliessen in Verbindung mit einer Auswanderungsgesellschaft in Bremen. Wenigstens ist ja von Spoendli seiner Zeit dem Bosshardt jene Agentur angeboten worden. Nun habe ich in meinem Berichte offen ausgesprochen und habe es mit gutem Gewissen aussprechen können, daß die Hamburger, die diese Auswanderung nach Brasilien geleitet haben, gemeine Hunde, wirklich nichts Anderes als Menschenhändler sind. Die Auswanderung nach Brasilien wird hoffentlich nun aufhören, dafür aber wahrscheinlich die Auswanderung nach Nordamerika wieder zunehmen. Wenigstens hörte ich beiläufig in Rio, daß die vereinigten Staaten geneigt seien, wieder Europäische Auswanderer unter günstigen Bedingungen aufzunehmen, und außerdem wird eben das Bedürfnis der Auswanderung aus Europa noch immer dringender; es wäre auch sehr unvernünftig, derselben im Ganzen entgegen zu arbeiten, dagegen sehr vernünftig, dieselbe gewissenhaft zu leiten. Wenn ich nun nicht irre, so hat Bremen besonders die Auswanderung nach Nordamerika, und besorgt dieselbe gewissenhafter, als Hamburg diejenige nach Brasilien, und daher jetzt der Moment, den Hamburgern eine Schlappe zu versetzen, sich den Bremern zuzuwenden, und wer diese Vermittlung übernehmen, als Ober-Agent in der Schweiz für Bremen auftreten wollte, außerdem aber entweder selbst oder durch Unteragenten die Leute an Ort und Stelle begleiten, und stets für gewissenhafte Nachrichten über ihre Lage sorgen würde, der würde nicht bloß für sich glänzende Geschäfte machen, sondern hätte dabei erst eine schöne Aufgabe zu lösen, und könnte sich ein wahres Verdienst um unsere Armen erwerben. Ich habe dabei an Spyri und seinen Bruder462Georg Jakob Spyri (1827-1901), in der Familie Jacques genannt, war Johann Bernhards Halbbruder.schliessen auf der Bank, an Widmer und Walder gedacht. Wenn Ihr etwas ins Werk setzt, so können Mehrere sich dabei betheiligen; aber überlegt die Sache wohl, ich glaube der Moment ist günstig!

Als ich das letzte Mal in Rio war, kam gerade jener junge Rhyner von Meilen an, der mir verschiedene Briefe von Zürich, sowie von der lieben Mama brachte; leider kann ich für den jungen Mann Nichts thun, da er in Rio bleibt, ich aber etwa 30 Stunden davon entfernt bin. Er hatte auch ein Exemplar der N.Z.Z. bei sich, in dem meine ersten Briefe abgedruckt waren. Ich weiß nicht, ob ich jemals davon gesprochen oder darüber geschrieben habe, daß, wenn keine [S.4] Deutsche Zeitung meine Briefe aufnehmen will, man dieselben der N.Z.Ztg. geben soll. In der That habe ich mich sehr geärgert, als ich dies sah. Ich bin zwar überzeugt, daß Fisch463Friedrich Fisch leitete mit seinem Schwiegervater Johannes Hagenbuch zusammen den Verlag Orell, Füssli & Co., der die NZZ herausgab. Im Gegensatz zum Chefredaktor Peter Felber stand er Alfred Escher nie nahe. Für Christian Heusser blieb jedoch die NZZ das Blatt Alfred Eschers. Vgl. Th. Maissen, Die Geschichte der NZZ 1780-2005, Zürich 2005, S. 45-51.schliessen mir damit einen Gefallen erweisen wollte, und mir dieselben gut bezahlt; aber ich will entschieden nicht, daß irgend etwas aus meinen Briefen in irgend einem Zürcher-Blatt erscheine.464Grund für dieses strikte Verbot, seine Berichte einer Zeitung Zürichs anzubieten, war wohl hauptsächlich Heussers Ärger über die Pressepolemik gegen ihn und die Ausführung seiner Mission. Er musste sie als eigentliche Verleumdungskampagne empfinden (vgl. den folgenden Brief). Er begab sich damit freilich in eine Zwickmühle, weil er ja mit seinen Berichten gerne Geld verdient hätte.schliessen Der Gründe sind zu viele, als daß ich sie hier aufzählen könnte, und Fisch kann mir dies nicht übelnehmen, da es Spyris Zeitung ebenso gut gilt, wie der Seinigen. Wenn irgend etwas aus meinen Briefen in Zukunft in einem Schweizerblatt erscheint (— und ich werde es sicher erfahren —) so werde ich ganz sicher gar Nichts mehr schreiben. Dagegen ist es mir ganz angenehm, wenn sich mit diesen Briefen etwas verdienen läßt, dadurch daß sie in irgend einem Deutschen Blatt, aber ohne daß mein Name genannt wird, abgedruckt werden. Obgleich die A.A.Z. gut bezahlen würde, so ist es mir sogar lieb, wenn dieselbe meine Briefe nicht aufgenommen hat, sondern ich ziehe irgend ein weniger bekanntes Blatt vor, wenn nur dessen Leser nicht gleich, wie es theilweise bei der A.A.Z. der Fall wäre, den Verfasser erkennen. Cotta hat ja außer der Allg. Z. einige Unterhaltungsblätter, und außerdem erscheinen mehrere solche in Leipzig, wo ich sicher bin, daß durch Privatdocent Dr. Hirzel465Salomon Hirzel (1804-1877) hatte als bekannter Buchhändler in Leipzig gute Beziehungen zum Cotta-Verlag. Er schenkte der Universität Leipzig seine wertvolle Goethe-Sammlung und erhielt dafür den Ehrendoktor der Universität Leipzig. HBLS IV, S. 234, und HLS 6, S. 384.schliessen aus Zürich meine Sachen Eingang finden würden. Mit der Illustrirten Zeitung aus Leipzig werde ich anzubinden suchen, so bald ich eine Daguerotypie-Maschine,466Die Möglichkeiten, die in der neuen Technik der Daguerrotypie lagen, erkannten die drei Forschungsreisenden sofort.schliessen die ich mir von Prof. Mousson467Albert Mousson (1805-1890) war Prof. für Experimentalphysik an der Universität Zürich und am Polytechnikum. HLS 8, S. 772.schliessen ausbitte, erhalten haben werde. Übrigens kann Spyri vorläufig bei der Redaktion einmal anfragen, ob sie gut bezahlen will; wenn nicht, so schicke ich die Sachen nach Frankreich. — Da ich selbst nicht weiß, was von meinen Mittheilungen für ein größeres Publicum von Interesse ist, so überlasse ich Euch die Auswahl; bloß wiederhole ich noch, daß ich lieber Nichts damit verdiene, als meine Briefe in einem Zürcher-Blatt abgedruckt wissen will. Von allem, was gedruckt wird, bitte ich mir ein Exemplar aufzubehalten; die Briefe, die nicht abgedruckt werden, möchte ich aber ebenfalls aufbewahrt wissen, damit ich einmal später alles Erlebte und Gesehene beisammen habe.

Für meinen Bericht, oder von den betreffenden Kantons-Regierungen direkt wird vielleicht nächstens einiges Geld für mich eingehen. Daraus mag zunächst Spyri einige physikalische Instrumente bezahlen, die mir Hr. Prof. Mousson besorgen wird. Der Rest soll — dies ist mein bestimmter Wille — meinem Freund Brennwald eingehändigt werden, dem ich über Verwendung desselben besonders geschrieben habe. —

In der Hoffnung, daß sich Alles im Hirzel und in Zürich wohl befindet, grüßt bestens
J. Ch. Heußer
Bom Valle bei Cantogallo den 3t. August 57

NB. Die Apparate von Mousson, sowie die Briefe, sollen an das Haus Laquai, David468Henri David war an dem Handelshaus Laquai, David & Cie beteiligt. B. Veyrassat, Réseaux d'affaires internationaux, émigrations et exportations en Amérique latine au XIXe siècle, Genève 1993, S. 416.schliessen adressirt werden, wie bisher.



Zurück zum Register