Brief Nr. 44 – 14.12.1852
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44 14.12.1852
[Königsberg, 14. Dezember 1852]
Liebe Eltern!

Daß ich in Koenigsberg bin, wißt Ihr also bereits; es geschah dies in wissenschaftlichen Zwecken, die Euch nicht interessiren können, daher ich mich weiter nicht darauf einlasse; nur noch so viel, daß ich wohl noch einige Monate hier bleibe, daher Ihr, falls Ihr mir vor dem April wieder schreiben wollt, Ihr immer noch nach Koenigsberg adressiren mögt.

Was die Frage wegen meiner ferneren Pläne betrifft, und den Rath noch länger in Berlin zu bleiben, falls ich Aussicht hätte eine Anstellung zu bekommen, so werde ich nicht ermangeln dies zu thun. Da aber keine besondere Aussicht vorhanden ist zu einer solchen zu gelangen, so werde ich vielleicht im Frühjahr nach Hause kommen; es ist mir seit längerer Zeit eine solche versprochen, falls der, der dieselbe bis jetzt bekleidet, ein sehr kränklicher Mensch von derselben zurücktreten müßte. Dies scheint nun aber nicht der Fall zu sein, da sich derselbe in letzter Zeit wieder sehr gebessert hat. Darum denke ich nun auch ans nach Hause kommen, und dachte schon daran ehe ich Euren Brief erhielt, bin also nicht etwa durch das Versprechen dazu bewogen worden, daß mir noch ein Jahr lang das Kostgeld bezahlt werde. Ich werde nur in dem Fall nach Zürich kommen, als ich ohne dies leben kann, und dies wird mir vielleicht möglich sein auch in der Stellung als unbesoldeter Privatdocent durch meine Arbeiten. Es werden im Laufe des Winters zwei im Druck erscheinen, und gegen das Frühjahr noch eine und da werde ich dann sehen, wie ich durch dieselbe zu stehen komme. Ich kann also noch nicht mit Bestimmtheit sagen, ob ich im Frühjahr nach Hause komme oder nicht, es ist aber möglich.

[S.2] Was das Geld von Lisebethli betrifft, so weiß ich nichts Anderes zu sagen, als daß Ihr es behalten mögt, bis ich nach Hause komme; denn wenn ich hier nicht existiren könnte, so würden mir die 3 Louisdor wahrscheinlich auch nicht viel helfen. Indeß, wenn sich Gelegenheit findet, könnt Ihr es auch schicken, brauchen kann ich es immer. Gelegenheit ist immer durch die Buchhandlung von Fisch, daher schickt mir das Geld jedenfalls!

Die Stadt Koenigsberg ist im Vergleich mit Berlin ein Nest, und die Umgegend langweilig. Von Leuten kenne ich Niemanden, als einen gewissen Baumeister Stadelmann, den ich durch Zufall kennen gelernt habe; sein Bruder322Vom SS 1841 bis 1844 war an der Universität Zürich ein Julius Heinrich Stadelmann (*1820) aus Königsberg als stud. med. immatrikuliert. Vom Alter her könnte er der Studienkamerad Theodors gewesen sein. Vgl. Matrikeled. der Universität Zürich 1833-1924.schliessen hat in Zürich Medizin studirt und war ein Freund Theodors; gegenwärtig praktizirt er als Arzt in einer Landstadt, 10 Meilen von hier, und wird zu Weihnachten hieher kommen, um seine Braut zu besuchen; wahrscheinlich werde ich ihn dann sehen. Vielleicht interessirt dies Theodor, vielleicht auch nicht.

Hier hatte ich zum ersten Mal, seit ich 1847 Zürich verlassen, verfluchte Zahnschmerzen durch heftigen Nordwind, der hier immer weht, und beständiges schlechtes Wetter veranlaßt; jetzt ist es gottlob wieder besser.

Daß das Berthi Fries nun auch kränkelt, thut mir sehr leid; ich lasse es grüssen und zum Tode des Herrn Landschreiber323Johannes Fries-Freudweiler (1786-1852), Kaufmann und Landschreiber, war von Dr. Heusser wegen seiner Depressionen behandelt worden. Die ganze Familie Fries wohnte 1826 während längerer Zeit im Doktorhaus. Vgl. M. Heusser, Hauschronik S. 94f.schliessen der ganzen Familie meine Theilnahme bezeugen.

Grüßet mir Alle vielmal
Euer tr. Sohn: J. Ch. Heusser.
Koenigsberg den 14t. Dec. 52.


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