Ich habe zwar schon Euern ersten Brief mit der Aufforderung den Kaufvertrag mit Theodor auszufertigen vor einigen Wochen richtig erhalten; indeß dachte ich erstens nicht, daß die Sache so pressire, und zweitens denkt man doch nicht gern an die Möglichkeit eines Todesfalles, und so ließ ich denn die Sache immer liegen. Heute aber erhielt ich Euern zweiten Brief, und daher fertige ich nun sogleich das gewünschte Schreiben nach Zwinglis Muster aus. Was die Sache selbst betrifft, so möchte ich denn aber doch nachträglich erfahren, was eigentlich der Inhalt des betreffenden Kaufvertrages ist; wenn auch schon die ganze Geschichte bloß Schein ist, so ist sie doch zu wichtig, und ich bin mit Theodors Ansichten und ganzem Benehmen in der Sache zu wenig bekannt, als daß ich nicht entschieden wünschen muß, zu erfahren, wozu ich eigentlich meine Einwilligung gegeben habe. — Leid that es mir mit diesen Erbschaftsangelegenheiten zugleich vernehmen zu müssen, daß Du, lieber Papa seit einigen Wochen dich wirklich unwohl befindest. Hoffentlich wird dies aber nicht ernsterer Natur sein, und ich wünsche von Herzen baldige Besserung und einen gesunden Winter.
Was meinen Aufenthalt in Berlin betrifft, so weiß ich nicht viel Neues zu schreiben; das rechte Leben beginnt eigentlich erst jetzt, Ende Oktober wieder; die meisten Professoren sind erst in diesen Tagen eingerückt; Wilhelm Rose ist jetzt noch nicht aus London zurück, sondern hat dort das Ende der Industrie-Ausstellung, das mit großen Feierlichkeiten verbunden gewesen sein soll, abgewartet; seine Frau dagegen ist seit wenig Tagen hier, ich habe sie bereits besucht, und die von Euch ihr mitgegebenen Sachen in Empfang genommen. Im wissenschaftlichen Leben steht Alles gut, und ich sehe getrost der Zukunft entgegen. [S.2] Eine Ausstellung von Kürbissen, die seit einigen Wochen in Berlin dem schaulustigen Publikum angepriesen wird, erwähne ich hier bloß deswegen, weil ich erst durch einen Artikel der Eidg. Zeitung auf dieselbe aufmerksam gemacht und durch denselben veranlaßt wurde, mir dieselbe zu besehen; es ist übrigens dies für mich die uninteressanteste Ausstell[un]g irgend welcher Art, die ich je gesehen, rein nichts als eine Zusammenstellung von einigen tausend verschiedenartigen, großen und kleinen, einfarbigen und bunten, inländischen und ausländischen, gestalteten und formlosen, frischen und faulen Kürbissen; und jedenfalls kann eine solche Ausstellung nur ein Publikum bewundern, das von den Gaben einer blühenden Vegetation keinen Begriff hat. Geschmack in der Anordnung ist auch nicht entwickelt, und somit begreife ich wirklich nicht, wie die Nachricht von einer so erbärmlichen Ausstellung sich in ausländischen und speciell Schweizer-Zeitungen verbreiten kann. — Die Nachricht von der unerwarteten Einladung jenes Russen,294In den Memorabilien der Zeit notiert Meta Heusser zum 29. September 1851: Crighton von Petersburg.schliessen und von der großen Sensation, die dessen Besuch bei Euch hervorgerufen, habe ich mit Interesse vernommen. Sollte er mich je in Berlin besuchen, so werde ich ihn freundlich aufnehmen; seine auf Euch übergegangene Begeisterung für den Czaar und die russischen Institutionen wird er aber jedenfalls mir nicht einzuflößen im Stande sein. Ich habe hier auch Russen kennen gelernt, gerade jetzt ist einer im Doktor-Examen begriffen, der weniger gut auf sein Vaterland zu sprechen ist.
Schließlich bitte ich noch auf die Fragen in meinen Briefen einzugehen, und zunächst einmal die Frage nach jenem Grafen Schlaberndorf zu beantworten, dessen Bekanntschaft wohl auf einem ähnlichen Zufall beruhen wird, wie diejenige dieses Russen; daher ich eben wieder darauf komme.
