Brief Nr. 31 – 29.1.1851
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31 29.1.1851
[Berlin, 29. Januar 1851]
Liebe Äga!

Zunächst magst Du nicht vergessen, mir das nächste Mal folgende Frage zu beantworten:

Glaubt der Antique daß meine erhaltenen Gelder nun für alle Zukunft hinreichen, und auch die Kosten der Rückreise noch decken sollen, oder darf man noch einmal bei ihm einkommen?267Mundartausdruck im Sinne von "anfragen". Mit Ega pflegt Christian den besonderen, lockeren Umgangston gegenüber der wesentlich jüngeren Schwester.schliessen Diese Frage magst Du in Eurem Großen-Rathe zur Sprache bringen und dann klar, kurz und bündig beantworten. Was nun den ebenfalls zwei bis vier Mal erwähnten verschiedenartigen Charakter von Euch Schwestern betrifft, so weiß ich durchaus noch nicht, welchem Genre ich mich anschließen werde. Besoffen bin ich allerdings fidel (— und das ist durch glückliche Umstände herbeigeführt, in letzter Zeit zwei Mal passirt, und wird hoffentlich, ehe ich Berlin verlasse, noch einmal passiren), allein im prosaisch-nüchternen Zustande neige ich mich vielmehr der würdigeren, ehrbareren, gesitteteren, mehr Achtung einflößenden und imponirenden still-ernsten Haltung zu. — Da [S.2] nun aber vorauszusehen ist, daß ich mir am Hochzeitstage des stillen Bruder auch etwas gütlich thue, so könnte ich an diesem Tage dann ausnahmsweise zu Deiner wilden Bande halten, und kannibalischen Skandal machen helfen, wobei aber Nanys Mitwirkung auch unumgänglich nothwendig ist, ja sogar Bedingung für meine lebhafte Theilnahme, weswegen Du Dich also zunächst an besagte Frau Pfarrerin wenden magst. — Alles was Ihr mir von Theodor und seiner Brautschaft schreibt läßt allerdings auf eine, wie gewöhnlich, verfehlte Ehe schließen; es mißstimmt mich aber gar nicht, da ich nicht einsehe, warum gerade er in diesem Punkt eine Ausnahme von der Regel machen sollte. Was sein allmäliges Ausscheiden aus dem Kreise unserer Familie betrifft, so kann ich mir dies ungefähr denken; es wird wohl so ziemlich sein wie von jeher; bloß sein Verhältniß zum Antiquen mag immer noch interessanter und fideler geworden sein!

Über diese Punkte magst Du mich immerhin noch etwas näher instruiren, bevor ich nach Hause komme, bloß will ich Euch die Mühe des doppelten Schreibens ersparen.

Der Alte folgt!

J. Ch. Heusser.
Berlin den 29t. Januar 51.


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