Brief Nr. 27a – 10.7.1850
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27a 10.7.1850
[Berlin, 10. Juli 1850]
Meine Lieben!

Wenn die Reise nach St. Moritz zu Stande kommt, so werdet Ihr wohl vor Mitte August nicht zurück sein, ich möchte aber doch wohl vorher eine Antwort, da ich den 15t. August verreise und bis Ende September nicht zurückkomme. Ich habe im andern Brief von dieser Reise (nach Schlesien, Böhmen und Sachsen) darum nicht gesprochen, weil der Vater denken würde, ich sollte meine Dissertation vollenden und dann so bald als möglich heimkommen; dies geht aber aus dem einfachen Grunde nicht, weil ich während der Ferien bei Rose nicht arbeiten kann. Überhaupt weiß ich eigentlich nicht, bis zu welchem Termin der Vater meine Abreise erwartet und wünsche darüber Auskunft, damit ich meine Briefe darnach einrichten kann, indem ich unter Umständen einfach sage, die Arbeit sei fertig, cirkulire aber so und so lange, so daß sich die Promotion bis dann und dann hinausschiebe.

Ich Narr denke immer, Ihr solltet mit Mad. Rose zusammen reisen, in dem ich überzeugt bin, daß es ihr und Euch angenehm wäre, und doch wird Nichts daraus werden, oder vielmehr geworden sein.

Netti fragt mich nach Schriften von der Bremer,245Die schwedische Schriftstellerin Frederika Bremer (1801-1865) schrieb sozial und religiös geprägte Romane, in denen sie für die Frauenemanzipation eintrat. SL 1, S. 699.schliessen aber zu solcher Lektüre habe ich unmöglich Zeit.

Was die Locher-Zwingli246Heinrich Locher-Zwingli (1800-1865) war Professor für Chirurgie an der Universität Zürich. HBLS IV, S. 698, und HLS 8, S. 11.schliessen Geschichte betrifft, so ärgert mich wirklich bloß [S.2] das, daß mich Schild des Vergnügens beraubt hat, selbst dem Vater zuerst die Geschichte zu erzählen.247Die "Locher-Zwingli-Geschichte" erzählt Georges Claraz in seinen Erinnerungen an Dr. Christian Heusser, Vierteljahrsschrift der Naturforschenden Ges. in Zürich 72, S. 379: Heusser war in den ersten Semestern seines Studiums in Zürich Praeses der allgemeinen Studentenverbindung und in dieser Funktion mitverantwortlich für eine Katzenmusik, die die Studenten Prof. Locher-Zwingli gebracht hatten. Dieser hatte als Direktor der chirurgischen Klinik einen armen Studenten aus seiner Vorlesung fortweisen lassen, weil er das Kollegiengeld nicht bezahlen konnte. Stellvertretend für die Schuldigen wurde der Praeses Heusser zu einigen Tagen Karzer verurteilt und nach Verbüssung der Strafe im Triumph von den Mitstudenten abgeholt.schliessen

Im Jahr 51 werde ich also nach Hause kommen, den Monat kann ich aber selbst noch nicht bestimmen. —

Ist denn der Theodor gar nicht, auch nur zu ein Paar Worten zu bringen?

Euer: J. Ch. Heusser.

Mein altes Logis habe ich aufgegeben und wohne nun Dorotheenstr. 93 bei Hr. Kleeber; wegen jenes Diebstahls, den ich in den Paar Zeilen erwähnt, die Ihr durch Rose werdet erhalten haben; jetzt bin ich, wie ich glaube ganz sicher, indem man durch das Zimmer des Wirths durchgehen muß, um in das meinige zu gelangen.

Daß Tante Wichelhausen und Nany sich so unwohl befinden, thut mir sehr leid; erstere wird doch auch irgend wo eine Kur gebrauchen diesen Sommer? Dagegen freuten mich die Nachrichten von Bremen.



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