Brief Nr. 26a – 13.5.1850
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26a 13.5.1850
[Berlin, 13. Mai 1850]

Ich will den Brief an Hr. Pfr. Wild offen lassen, so könnt Ihr ihn lesen und daraus sehen, wie es mit mir steht!

Meine Lieben!

Ich weiß eigentlich nicht, was ich Euch schreiben soll, da ich nichts Anderes zu sagen weiß, als daß es mir jetzt gut genug geht, was im andern Brief weitläufig auseinander gesetzt ist, und daß es mir vor meiner Zukunft nicht bange ist, daß ich höchstens zu bedauren habe, daß ich nicht vom Anfang meines Aufenthalts in Berlin an genug Geld hatte, dann wäre ich noch ein ganz andrer Kerl, als ich jetzt bin. Auf den Besuch von Rose sollt Ihr Euch freuen, und besonders die Äga, die alle Ursache hat, da Rose jedes Mal, so oft ich diesen Winter dort zu Mittag aß vor der ganzen Tafel von 20-30 Leuten von Eurer Tour nach dem Mangeli232Das Mangeli, ein schön gelegener Bauernhof in der Nähe des Gottschalkenbergs, war ein beliebtes Ausflugsziel der Familie Heusser, erwähnt in Meta Heussers Memorabilien der Zeit zum 11. 10. 1842 und 25. 7. 1843, sowie in der Hauschronik, S. 117.schliessen erzählt, und richtig gestern in der geographischen Gesellschaft abermals, und wie er eine malerische Gruppe gebildet habe im Gras liegend zwischen Euch vier oder dreien, etc. Übrigens also in allem Ernst hoffe ich daß Rose auch dies Mal noch möglichst gut unterhalten werde, wie ich denn auch im andern Brief mein Möglichstes gethan habe um den Alten gut zu stimmen; wenn es nur dies Mal noch geht, das nächste Mal werde ich dann wohl selbst Rose in der Schweiz empfangen. — Wunder nimmt mich eigentlich doch, was Theodor in seinem Richterschweil treibt; wenn ich Zeit hätte, so würde ich wiedereinmal an ihn schreiben; aber das geht jetzt nicht, da ich zu sehr durch das bevorstehende Examen in Anspruch genommen bin; übrigens wäre es glaube ich an ihm mir zu schreiben; und falls er wieder auf Zürich spekulirt, so wäre es mir dann doch lieb etwas Näheres zu erfahren. Was [S.2] den Spott über den Glauben seiner Kindheit betrifft, so ist dies Nichts als ein Ausbruch seiner augenblicklichen Unzufriedenheit; wenn heute oder morgen seine Wünsche befriedigt, seine früheren Träume realisirt würden, dann würde er wieder schön an das ganze Evangelium glauben! Ob dies jemals der Fall sein wird, oder ob die Erinnerung an S. Fr.233S. Fr. könnte auf Sophie Fries hindeuten: vgl. Brief Nr. 13 vom Frühjahr 1849, in dem Christian die "Sophie-Geschichte" erwähnt, die für Theodor enttäuschend ausging. Sophie Fries hatte 1847 Johann Conrad Heim geheiratet.schliessen ihm dies unmöglich macht, weiß ich freilich nicht; aber item so sehr ernst ist es ihm mit seinem Schimpfen nicht!

Weiter weiß ich eigentlich Nichts zu schreiben, da ich gar Nichts erlebe, was Euch interessiren kann; die Bekanntschaft mit den zwei Amerikanern werde ich jedenfalls fortsetzen, meine Hoffnung für die entferntere Zukunft ist immer noch dorthin gerichtet; mit Louis Tobler stehe ich immer ganz gut, auf einem Fuß, wie er wohl bleiben wird, wenn wir uns irgendwo in unserem Leben wieder treffen sollten; d.h. nicht zu nahe, aber so daß man sich gegenseitig etwas helfen kann. — Nächster Tage werdet Ihr also den im andern Brief erwähnten Besuch von Zschokke erhalten, den ich Euch nicht aufgesalzen habe; aber als er sagte, er wolle einmal in den Hirzel gehen, konnte ich ihn wahrhaftig nicht davon zurückhalten. Viel wird er Euch übrigens von mir nicht brichten234Mundartausdruck für "erzählen".schliessen können; in Rücksicht der durch ihn gemachten Bekanntschaft in Magdeburg und meiner frühern Stellung zu ihm, die ich äußerlich nicht gebrochen habe, wäre es mir doch lieb, wenn auch sein Besuch im Hirzel vom Antiquen freundlich aufgenommen würde. — Über mein Verhältniß zu den beiden Professoren Rose und zu einigen andern Professoren muß ich nothwendig weitläufig an Hr. Pfr. Wild schreiben, wiederholen mag ich mich damit nicht, er wird Euch übrigens mittheilen, und die Hauptsache ist ja, daß ich bei Heinrich Rose im Laboratorium bin. — J. Ch. Heusser.



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