Brief Nr. 20a – 4.10.1849
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20a 4.10.1849
[Berlin, 4. Oktober 1849]

Es ist doch Zeit, daß man solchem Unsinn endlich einmal steuert; weiß Gott, was er noch Alles anfangen würde, wenn er noch lange ungestört fortmachen könnte [und] würde, aber seine Herrschaft wird hoffentlich bald ihrem Ende entgegen gehen. Von Berlin aus kann ich freilich Nichts machen, um so erwünschter kam mir aber die vorläufige Anzeige von Theodors Brief und Plänen; ich werde gewiß keinen unüberlegten Schritt thun, aber wenn sich da in Fideris187Im 19. Jh. beliebtes Mineralbad und Kurort im Prättigau (GR).schliessen etwas machen läßt, wobei ich nicht bloßer Wirth sein muß, wie der Urner an der Sihlbrugg, so bin ich dabei; dies könnt Ihr Theodor sagen, und daß ich auf seinen Brief gespannt sei, aus welchem ich also etwas Näheres erwarte und nicht bloß, was Ihr mir schreibt mit ein Paar andern Worten. Ich kann mir [S.2] übrigens gar nicht denken, daß wir zusammen ein solches Etablissement übernehmen können, da wir kein Geld haben; ich wenigstens habe keines, und Theodor wird in Richtersweil wohl auch noch nicht viel aufgesteckt haben; und der Alte wird keines hergeben wollen; und überdies, wenn er es noch thun wollte, so würde ich mich viel unlieber oder vielleicht gar nicht betheiligen, da ich in diesem Leben nicht mehr von ihm abhängig werden will. — Wenn irgend etwas geschehen soll, so soll nach meiner Meinung der Alte gar Nichts dazu zu sagen haben, und wenn er noch so viele tausend Gulden abmarkten könnte. Was den Kauf selbst und die finanziellen Angelegenheiten betrifft, so mag Theodor zu wenig davon verstehen; und da ist meine Meinung, man soll bei Fisch anklop[S.3]fen; wenn er Zeit hat, und sich der Sache annehmen will, so habe ich, was die finanzielle Seite betrifft, vollkommenes Zutrauen und Hoffnung auf Gelingen, wenn er sich dafür ausspricht und beim Kauf behülflich sein will. Was dann die andere Seite der Angelegenheit betrifft, nämlich die, daß mir dadurch ein bestimmter und ganz unerwarteter Lebensweg vorgeschrieben wird, so werde ich darüber mit Hr. Pfr. Wild mich besprechen; ich darf einen solchen Schritt nicht mehr thun, ohne ihn darüber zu befragen, da ich in meinem letzten Brief an ihn einmal ganz offen gewesen bin und ihn sogar um Geld gebeten habe. — Daraus daß ich Hr. Pfr. Wilds und Fisch's Ansichten über die Sache kennen will, könnt Ihr schließen, daß ich Nichts voreilig thun werde; ich bin auch jetzt in ganz anderer Lage [S.4] als nur vor zwei Monaten; jetzt studire ich zum ersten Mal seit ich von Hause weg bin ganz sorgenlos (warum, kann ich jetzt nicht auseinander setzen) und weiß, daß ich mir nach einiger Zeit, wenn alles Andere fehlen sollte, als Chemiker eine Stelle verschaffen könnte, die mich reichlich erhalten und auch intellektuel so ziemlich befriedigen würde. Nichts desto weniger wäre ich bei etwelchen ordentlichen Aussichten sehr geneigt auf den Plan mit Fideris einzugehen, da mich die Alpengegend lockt, wo ich von dem Brüllen in Bern nicht viel zu hören hoffe, und da überdies den Irrfahrten des Hr. Vater dann wohl ein Ende gemacht werden kann; Denn den Winter wird man wohl nicht in Fideris zubringen, im Sommer aber könnt Ihr auch hinkommen. Falls Theodor noch nicht an mich geschrieben hat, [S.5] wenn dieser Brief bei Euch anlangt, so soll er mir doch bald schreiben; ich bin sehr begierig etwas zu hören, und möglicherweise könnte es auf meine Studien einigen Einfluß haben. Chemie zwar werde ich diesen Winter noch hauptsächlich betreiben, um jedenfalls noch meinen Doktor zu machen; falls aber aus Fideris etwas werden sollte, so würde ich daneben mit Energie noch Englisch betreiben, denn dies könnte man allenfalls in Fideris gebrauchen!

So viel von diesem Punkt. Von der Ausleer-Geschichte188Der Unfall der Eltern vom 18. September 1849.schliessen mag ich hier gar nicht weiter sprechen; das Blut steigt mir in den Kopf, wenn ich an den Unsinn denke. Danket Gott, daß es so gegangen ist, ich kann es nicht. Aber noch einmal die Wahrheit will ich denn doch wissen! Wenn der Alte über mein Abentheuer flucht, so [S.6] ist es gerade recht, aber schreiben müßt Ihr mir genau, was er dazu sagte. Ferner habt Ihr ob der dummen Geschichte vergessen mir zu schreiben, was für Pläne er geschmiedet hat für ein chemisches Unternehmen in Zürich?

Wie ist es nun eigentlich mit Roses, sind sie dem Alten etwa schon verleidet, oder waren eben gerade er und Mama krank? Wenn Roses noch einmal kommen, so thut Alles Mögliche für einen freundlichen Empfang, nicht damit ich diesen Winter noch oft eingeladen werde, sondern weil es famose Leute sind und die einmal angeknüpfte Bekanntschaft nicht sogleich wieder soll aufgegeben werden. —

Also schreibt bald, wie es der lieben Mama geht und den Übrigen dazu!


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