Brief Nr. 10a – 18.11.1848
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10a 18.11.1848
[Berlin, 18. November 1848]
Meine Lieben!

Gerade heute den 17t. habe ich meine Bücher bekommen, doch ohne Brief von Fisch, geschweige Empfehlung an Ritter; doch schreibe ich dies nicht, damit Ihr ferner an Fisch stupft (denn erstens will ich keine solche Betelei, und zweitens nützt mir jetzt die Empfehlung für dies Semester Nichts mehr) sondern einfach um Eure Erwartungen zu enttäuschen und Euch zu sagen (auch zu Handen von Hr. Pfr. Wild) daß ich eben von Empfehlung und Besuch bei Ritter Nichts erzählen kann. Dagegen will ich Euch von meinen Plänen, die Ihr zu erfahren wünschet, Alles mittheilen, was ich selbst weiß, und dies Alles besteht darin, daß ich vor dem Frühjahr 1850 jedenfalls nicht von Berlin weg kann. Ich habe mir nun selbst etwelcher Maaßen meinen Studiengang vorgezeichnet und hoffe bis zu dem angeführten Termin in Mathematik und Naturwissenschaften so ziemlich allseitig und gründlich mich auszubilden, so daß ich mich dann wohl selbst durchschleppen, oder, wenn es der Alte wünscht, den Doktor machen könnte. Wenn aber aus der Empfehlung [S.2] an Ritter am Ende doch noch etwas wird, so kann ich von der Zukunft gar nicht sprechen, da ich mich dann ganz nach seiner Ansicht richten werde. Was meine Collegien in diesem Semester betrifft, so höre ich ein mathematisches und Mineralogie bei Gustav Roose,131Gustav Rose (1798-1873) war Professor für Mineralogie an der Universität Berlin.schliessen (Bruder von dem, an den ich empfohlen bin) und wahrscheinlich noch Chemie. Übrigens Euch wird das nicht interessiren, und für Hr. Pfr. Wild schreibe ich dies nicht, an ihn werde ich das nächste Mal jedenfalls selbst schreiben; ich hätte es schon jetzt gethan, wenn ich meine Collegien schon fest ausgewählt hätte, aber ich hospitire noch in verschiedenen Collegien und weiß noch nicht sicher, welche ich eigentlich regelmäßig besuchen werde. — Was jetzt übrigens meinen Plan betrifft, so lange in Berlin zu bleiben, so hängt natürlich Alles davon ab, ob ich Geld bekommen kann, oder nicht; aber ich bin guter Hoffnung theils im Vertrauen auf Hr. Pfr. v. Birch, theils besonders auf das freundliche Anerbieten von Hr. Pfr. Wild, von dem ich vielleicht Gebrauch machen werde, da ja, wenn ich nicht sterbe, an mir Nichts zu verlieren ist. An Einen von beiden werde ich mich schon im nächsten Briefe wenden, und Ihr könnt [S.3] mir rathen, an welchen; ich glaube aber es ist besser, wenn ich Hr. Pfr. v. Birch noch einmal anzupumpen versuche. Die Sache steht nämlich so: Ich habe mir verschiedenes Nothwendiges angeschafft, hatte überdies, als ich von der Reise zurückkam kein Geld mehr, sondern im Gegentheil in Berlin noch Einiges zu bezahlen, kurz bis zum Neujahr werde ich mit den 150 Thlr. gerade fertig werden. Nun schreibe ich aber dem Alten noch nicht um Geld, theils weil ich nicht riskiren will wieder eine Antwort zu erhalten, wie im November 1847, theils weil ich ihn dadurch daß ich jetzt nicht viel brauche vielleicht bestimmen kann, noch etwas länger mit seinen Geldsendungen fortzufahren. Also wenn ich auch im Januar wieder Geld kriegen könnte von ihm, so will ich nicht, sondern würde eher meine 50 Thlr. von Bremen gebrauchen. Ich will nun aber versuchen bei einem dieser beiden Pastoren 100 Fr. zu pumpen, denn mit 100 Fr. könnte ich dann wieder fast 3 Monate leben, da ich nun Alles Nothwendige habe, und im Laufe des Semesters Nichts mehr anzuschaffen brauche, als vielleicht noch einige Bücher. Übrigens sagt Ihr noch keinem der Pastoren etwas davon, denn es ist möglich, daß ich das Geld anderswoher bekomme.

[S.4] Jetzt muß ich Euch noch fragen, was Ihr mir rathet, an den Alten zu schreiben, in Betreff meines Hierbleibens; was glaubt er, daß ich Ostern thun werde? Wenn es viel kostet, ihn zu bewegen, mich in Berlin zu lassen, so versuche ich mein Glück bei den beiden Pastoren und nehme mein Geld von Wädenschweil in Anspruch; denn das ist mir unmöglich, mich mit dringenden Bitten an ihn zu wenden, eher würde ich heute noch Berlin verlassen und nach Zürich zurückkehren, wo ich mich jedenfalls durchbringen könnte. — Im nächsten oder zweit nächsten Brief muß ich einmal darüber zu sprechen anfangen.

Wenn er etwa den verrückten Gedanken hätte, diesen Brief Roose zu zeigen, damit dieser wisse, wie es in Berlin aussieht, so verbitte ich mir dies, da ich ja keine vernünftigen Ansichten darin ausspreche, sondern nur für den Alten schreibe, was ich etwa von den Schweizern schwatzen höre; denn ich selbst kümmere mich nicht im geringsten um die ganze Geschichte.

Grüße an Alle, auch an die Äga im Welschland von Eur.:
J. Chr. Heußer
Berlin den 18t. Novbr. 48.

NB. Condolation an die Familie Dödeli und Regeli u. Comp.132Auf welchen Todesfall sich diese Bemerkung bezieht, muss offen bleiben.schliessen



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