Es liegen mir Deine Briefe vom 19t. und 23t. Februar zur Beantwortung vor, auf die weiter nicht viel zu sagen ist. Verheirathet bin ich und zwar am 3t. Juli in der hiesigen Deutsch-protestantischen Kirche von jenem Pastor Zollmann, von dem Du glaube ich einmal schriebst, Du kennest ihn. Es ist mir aber einmal rein nicht gegeben zu den Leuten zu sagen: "meine Mutter ist Verfasserin religiöser Gedichte, die von vielen Seiten sehr gut aufgenommen werden; vielleicht ist sie auch Ihnen bekannt" und somit gieng auch diese Funktion vorbei, ohne daß ich nähere Bekanntschaft des Hr. Zollmann machte. —
Meine Frau gedenkt übermorgen nach Englischer Sitte zum erstenmal zur Kirche zu gehen und läßt Dir sagen, daß ich sie nicht begleiten wolle. Damit ist unser gegenseitiger Standpunkt in wenig Worten gezeichnet. Sie wußte von Bremen707Gemeinsame Bekannte der Familien Malcolm und Heusser erwähnt Meta Heusser auch in der Hauschronik, S. 133.schliessen aus, wohin sie ziemlich regelmäßig correspondirt, wes Geistes Kind Du bist. — Hier lassen wir uns nach Englischer Sitte von denjenigen besuchen, denen wir die Verheirathung angezeigt, und die Lust dazu haben, und besuchen unsrerseits Niemanden zuerst. Ähnlich betrachtet meine Frau die Sache mit der Correspondenz; also kann, wenn Du oder die Schwestern Lust haben, das Kreuzfeuer beginnen. — Photographien haben wir noch keine machen lassen.
Aus Deinem Briefe vom 19t. sehe ich von neuem, wie vollständig verkehrt Ihr Euch alle hiesigen Verhältnisse vorstellt, und es wäre ein vergebliches Bemühen, Euch schriftlich richtige Vorstellungen beibringen zu wollen. Dagegen verweise ich Euch auf mündliche Unterhaltung mit dem jungen Zeller708Im Bürgeretat 1868 ist Paul Heinrich Eduard Zeller *1848, "in Bahia Blanka, Südamerika" aufgeführt, im Bürgeretat 1875 ist er erwähnt als Gutsbesitzer in Patagones. 1871 hielt sich Zeller demnach in Europa auf und besuchte die Familie Heusser auf dem Hirzel.schliessen von Zürich, der über Alles Auskunft geben kann. —
Wahrscheinlich seid Ihr, oder bist Du vor Allen durch die Gelb-Fieber-Nachrichten von B. As. in neue Bekümmerniß versetzt worden; dies war in der That kein Spaß. Ich war glücklicher Weise auf dem Camp, habe übrigens ausführlich darüber an Spyri geschrieben. Ob die Krankheit wiederkehrt, müssen wir eben abwarten; sicher sind wir jedenfalls vor der Wiederkehr derselben nicht. Furcht haben wir keine; indeß habe ich meine neue Wohnung in dem gesundesten Stadttheil gewählt, oder viel[S.2]mehr schon an der Grenze der Stadt und der Gärten, dem Jesuiten-Collegium gegenüber. Bekanntlich haben diese Herren überall, wenigstens in Südamerica, die schönsten Punkte zu Ihren Niederlassungen ausgewählt; und so haben sie auch hier in B.As. den höchst gelegenen Punkt genommen, von dem aus man fast die ganze Stadt überblickt. Neben dem Palast-artigen Collegium derselben befindet sich ein großer Garten, und so kann ich wohl mit Sicherheit darauf rechnen, daß mir die Aussicht ins Freie nicht verbaut werden wird.
Über den Französisch-Deutschen Krieg habe ich eben eine Epistel an Spyri geschrieben; da es sich dort darum handelte, daß er mir auf den Krieg sich beziehende Litteratur schicke, so kam ich gerade in Zug, und konnte dies nicht auf den vorliegenden Brief versparen.
Eine Frage in Deinem Brief vom 23t. Februar lautet wörtlich: "war es denn wirklich der Krieg, welcher Deine Freunde Malcolm abhielt auf das Festland zu kommen?" Ich will darüber sehr offen antworten, aber unter der Bedingung einer ebenfalls offenen Antwort auf eine Gegenfrage. — Malcolms waren wirklich auf dem Festland, und zwar in Bremen, aber nur kurze Zeit gerade in den Tagen der Vorbereitung zum Krieg Ende Juli. Von da sind sie wirklich des Krieges wegen so schnell nach England, aus England aber unerwartet schnell nach B. As. zurückgekehrt, aus Gründen, die die Malcolmsche Familie betreffen, die ich selbst nicht recht kenne, und die mich Nichts angehen. — Nun meine Gegenfrage: was für ein Verdacht liegt dahinter, an dem bei der damaligen Kriegslage natürlichen Grund des Aufgebens der vorerst projektirten Reise durch das Festland von Europa nicht glauben zu wollen?
Meine Frau läßt Euch Alle herzlich grüßen, sowie Euer: