Jakob Christian Heusser – Briefe an die Familie

Brief Nr. 6a – 22.6.1848
Eintrag drucken
6a 22.6.1848
[Berlin, 22. Juni 1848]
Meine Lieben!

Inliegender Brief war schon geschrieben, als ich Deinen Brief bekam, liebe Mama; wie Ihr aus dem Anfang desselben seht, war ich der Meinung, er komme zu spät; wenn er nun aber im Gegentheil zu früh kommt, so könnt Ihr ihn einfach die Tage bei Seite legen; es wird dem interessanten Inhalt dadurch kein Abbruch gethan werden. — Was jene Angelegenheit betrifft, so kann ich weiter Nichts darüber schreiben; mich freut es natürlich, wenn es wider Erwarten erträglich geht; und wenn es wieder umschlägt, so kann man am Ende immer noch anfangen. Daß Papa mir noch Geld geschickt hat, darüber kann ich nicht sagen, ob es mich freut, oder mir leid thut, da ich so eine Art Verpflichtung gegen ihn habe, die ich nicht gerne trage. Für etwas Geld von andrer Seite muß ich jetzt doch sorgen; denn außer der größeren Reise, die ich auf den Herbst vorhabe, brauche ich jetzt viel Geld für einen Globus, Karten und Bücher, die ich theils angeschafft habe, theils anschaffen werde. Und wie ist es nun mit dem folgenden Semester? betrachtet er es als abgemacht, daß ich da bleibe, oder muß ich noch extra darum schreiben? Ich fange nämlich nicht gerne jetzt schon an, da sich dies noch einige Semester wiederholen müßte.

Ich habe von einer etwas fehlerhaften Geschichte von Netti Fries82Anna Susanna Fries (1827-1901) war in engem Kontakt mit den Heusser-Kindern aufgewachsen. Die Familie Fries lebte 1826 einige Monate im Doktorhaus im Hirzel, wo Dr. Heusser den Vater während einer schweren Depression behandelte. Die Familien blieben eng befreundet. Anna Susanna Fries wurde eine bekannte Kunstmalerin und führte später eine Malschule in Florenz. Danach lebte sie in Sestri-Levante. Vgl. M. Heusser, Hauschronik, S. 94f., und R. Schindler, Memorabilien, Stammbaum der Familien Wirz-Fries-Heim.schliessen gehört, ist sie eigentlich wahr? übrigens könnt Ihr mir einzelne Mitglieder dieser Familie grüßen; ist eigentlich Äga mit Berthi Fries83Josephine Albertine (Berthi)Fries (1831-1887) war die jüngere Schwester von Anna Fries. Sie heiratete den Kaufmann Wilhelm Schlatter. Die Familie Fries war mit der Familie Heusser eng befreundet: 1826 hatte Dr. Heusser den Vater während einer schweren Depression behandelt, die Familie Fries lebte damals einige Monate im Doktorhaus im Hirzel. Die Familien blieben eng befreundet. Vgl. M. Heusser, Hauschronik, S. 95, und R. Schindler, Memorabilien, Stammbaum Wirz-Fries-Heim.schliessen im Welschland?

Jetzt erwarte ich Antwort von Rümlingen oder von Euch, ob eigentlich Hr. Pfr. Birch nach Berlin kommen wird?

Euer tr. J. Chr. Heußer, stud. phil.
Berlin den 22t. Juni 1848

NB. Ich höre Astronomie und bin wöchentlich einmal auf der Sternwarte mit Prof. Encke versteht sich übrigens das ganze Colleg nicht etwa ich allein; er ist famos!

Der das letzte Mal eingeschloßene Brief wird doch abgegangen sein an Steinfels?

[S.2] NB. Adressirt nicht mehr Wittwe sondern nur Mad. Lange; sie wird böse über jenen Titel, da sie geschieden ist, was ich das erste Mal, als ich die Adresse schickte, nicht wußte.


vorheriger nächster