Jakob Christian Heusser – Briefe an die Familie

Brief Nr. 3a – 30.1.1848
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3a 30.1.1848
[Berlin 30. Januar 1848]

NB. Der Brief an Hr. Pfr. braucht von Niemandem gelesen zu werden, wenn ich ihn auch aus Mangel an Platz nicht habe versiegeln können!

Liebe Mama und Geschwister, Tante Regeli51Regula Schweizer (1791-1874), in den Briefen Regeli oder Reguli genannt, war die unverheiratete ältere Schwester von Meta Heusser-Schweizer. Sie lebte mit der Familie auf dem Hirzel und war Meta Heussers grosse Hilfe: vgl. die zahlreichen Erwähnungen in der Hauschronik und R. Schindler, Memorabilien, S. 105-107.schliessen etc.!

Ihr scheint mich in meinem letzten Brief mißverstanden zu haben; daß ich mich von aller Welt zurückzuziehen im Sinn hatte und es eine Zeit lang that, ist zwar wahr; (jetzt thue ich es übrigens nicht mehr) daß ich aber im Sinn hatte Stunden zu geben ist nicht wahr, ich schrieb doch in dem Zeddel an Euch entschieden, daß ich es nicht thun, sondern eher anders woher Geld zu erhalten suchen werde. Dazu werde ich auch genöthigt sein, denn in Berlin werde ich nie und nimmer anfangen Stunden zu geben, sondern fortzustudiren, um ein Mal an ein Ziel zu gelangen; und dies wird bis nächsten Herbst nicht möglich sein und länger wird es Papa nicht prästiren können. Doch genug davon; ich kann immer noch früh genug wieder davon anfangen.

Wenn Du, liebe Mama, wie Du im vorletzten Brief schriebst, irgend etwas über den Untergang der kleinen Cantone dichtest, oder auch Hanni, so schickt es mir, und wenn es nur ein Distychon wäre, damit ich auch was habe, wenn die andern sich an den angekündigten Schlachtgesängen von Pfr. Tobler52Der liberal gesinnte Salomon Tobler (1794-1875) war von 1826 bis 1839 Pfarrer auf dem Hirzel und befreundet mit Meta Heusser, danach von 1840 bis 1864 Pfarrer in Embrach. Bekannt wurde er als Verfasser des Epos "Die Enkel Winkelrieds". Vgl. M. Heusser, Hauschronik, S. 118-120, und R. Schindler, Memorabilien, S. 270-277.schliessen und Gottfried Keller weiden. —

Was ich so in Berlin erlebt, steht ungefähr im andern Brief, und über euer Verhältniß zu Hause [S.2] will ich jetzt weiter Nichts schreiben, bis ich Nachricht habe, was mit Theodor geht. Wenn er nicht mehr in Hirzel kommt, und der Alte auch kein Minimum von Widerstand mehr hat, so wäre es vielleicht doch gut, wenn ich einmal eine Salve losbrennen würde, oder was meint Ihr?

Am letzten Jahrestag war es mir unmöglich nach meinem Vorsatz zu Hause zu bleiben; da außer den hiesigen Schweizern, noch die von Halle angekommenen in mich drangen (von denen mir beiläufig gesagt, auch einigermaaßen die Augen über die Schweizerverhältnisse geöffnet wurden). So mußte ich eben mit ihnen gehen. — Das Wort beispiellose Gastfreundschaft im andern Brief habe ich unterstrichen, in der Erinnerung an Flugi.53Es fehlen leider nähere Angaben, um welches Mitglied der Familie Flugi und um welche Episode es sich handeln könnte. Die nähere Bekanntschaft mit der Bündner Familie von Flugi und die Verlobung Theodor Heussers mit Regina von Flugi erfolgte erst zwei Jahre später.schliessen Papa wird aber wohl nicht merken, daß es auf ihn geht. Übrigens war es wirklich so, denn das Geschenk, das ich am Weihnachtsabend bei der allgemeinen Bescherung in der Familie jenes Wolff hätte erhalten sollen, brachte er mir sogar nach Berlin, nämlich ein sehr elegantes Reiseetuis.

Von Hanewinkel,54Hermann Hanewinkel aus Bremen kannte Heusser vom Studium her. Er hatte ein paar Semester in Zürich Medizin studiert. Matrikeled. der Universität Zürich 1833-1924.schliessen der jetzt in Würzburg ist habe ich jüngst einen Brief erhalten. Wenn ich im Frühjahr nach Bremen gehe, wozu ich übrigens noch nicht fest entschlossen bin, so werde ich ihn wohl dort treffen.

J. Chr. Heusser, stud. phil.
Berlin den 30t. Jan. 48.

NB. Der andere Brief ist auch für den Schulmeister55Heusser denkt wohl an Jakob Strickler, der als Nachfolger seines Vaters von 1810 bis zu seinem Tode 1853 Lehrer in Hirzel war. Vgl. M. Heusser, Hauschronik, S. 49.schliessen und Präsidenten geschrieben; sie dürfen wissen, und meinetwegen die ganze Gemeinde, daß ich um keinen Preis zu ihnen gehören wollte.


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