Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer

15.5.1798
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Den 15.
Aus heüte erhaltenen Briefen ..
1.
"Gewiß will der Herr Grosses mit dem, wie er unser Vaterland heimsucht und züchtigt. Und o, daß die Seinen seine Stimme hörten u. seinen Ruf merkten! ich hoffe immer – das wird geschehen; aber izt ists im Ganzen noch nicht an dem: vielleicht, daß er noch lauter sprechen muß!"
2.
"Nicht für die Christen darf uns bange seyn; aber die viel 1000 guten unschuldigen armen Menschen, die nicht vom Christenthum berührt wurden, die sinds, die heisse bittere Thränen aus unsern Augen pressen: Diese müssen wir Tag u. Nacht mit Gebeth u. Flehen unserm Gott zu Füßen u. ans Herz legen: Dieser erbarmt Er sich doch noch; u. schonet noch um ihret willen, daß nicht Elend u. Noth, Jammer u. Verderben u. Unheil aller Art ohne Zahl u. Maaß unser Vaterland verwüste. Denn warlich, wenn Er nicht ins Mittel tritt u. aushilft, wo wir durchaus keine Hilfe mehr sehen – so ist alles Elend u. Jammer, Noth, Verderben u. Unheil aller Art unaufhaltbar über unser Vaterland losgebrochen; so hat die Schweiz nach u. nach ein härteres Schiksal als Holland: ein Schiksal, Gott erbarme sich! wie Frankreich selbst in seinem Innern hat; es ist, als ob der Geist, der Frankreich in den Untergang u. das Verderben stürzte, unsre Schweiz vergiftet habe, daß sie sich selbst diesen Untergang bereitet."
3.
"Oft müßen wir sagen: ein entscheidender Krieg wäre noch leichter für unser Herz, als das, wie wirs haben, wo nach u. nach sich alles so in alles ergiebt u. ruft: 'Es ist ja Friede u. Sicherheit' – wo wir nichts als das schreklichste Verderben, das grauenvollste physische u. moralische Elend sehen. Freylich, man leidet unter dem Druke, der mit den Franken besonders auf unsre Stadtbürger zuleiden129
Evt. Verschrieb für: zuliegen.schliessen
kam, aber man arbeitet auf der anderen Seite mit aller Macht daran, alles aufzubringen, um das Volk im Allgemeinen zuzerstreüen u. ihns130
Mundartl. für: es.schliessen
seinen Druk vergessen zumachen, u. dem Leichtsinn alles vor Augen zulegen, was ihn erweken u. unterhalten kan ... Marionettenspiele, Seiltänzer, öffentliche Musik131
Daraus spricht die pietistische Feindschaft gegen Theater und Vergnügungen aller Art; vgl. im Begleitbuch zur CD das Kap. III, darin: "Gemeinschaft in Christo".schliessen
u.d.gl. hat man alle Tage: u. von Comoedianten, die kommen werden, sagt man laut, so wie auch von öffentlichen Bällen u.d.gl. die nächstens seyn werden. Kurz, es sieht entsezlich aus allweg."
4.
"Nur die Tage der Angst, sonst nichts, lehrt kräftig uns bethen,
Sezzen ins reine Verhältniß mit Jesus Christus uns wieder.
Wohlthat ist die Noth, in dem sie mit Ihm uns verbindet.
Dank sey unser Gefühl – u. Hoffnung, u. Glauben, u. Liebe!"
Es ist zeither eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, nachzudenken, wie der Herr uns durch alles noch so unbegreiflich schohnend durchführt. Ich erstaune oft der unaussprechlichen Gnade: u. fürchte mich nicht vor der Stokfinsterniß, die noch vor uns liget: denn ja eine Nacht bedekt uns, die sehr schwarz ist."
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