Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer

20.4.–30.4.1798
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Den 20–28.
In diesen Tagen ward von unsrer Cantonsverwaltung unserm Volke angezeigt, daß die Franken auf Zürich kommen u. durch unser Land in die kleinen Cantone ziehen wollen.110
Die Zürcher hatten gehofft, durch Annahme der neuen helvetischen Ordnung verschont zu bleiben; aber als sich in der Innerschweiz ein Aufstand gegen die Helvetik und die französische Fremdherrschaft vorbereitete, beanspruchten die Franzosen den Kanton Zürich als Aufmarschgebiet; vgl. Dändliker III, 120, Handbuch der Schweizer Geschichte II, 789.schliessen

Man erschrak allgemein – aber man musste sich unter dies Vorhaben der Franken schmiegen – denn sie und ihre Truppen sind nun der Befehlsherr in der Schweiz.
Wir Bergbewohner hoften von ihnen verschohnt zubleiben. Allein wir betrogen uns –
Am 29
abends rükte eine Cohord Husaren111
Leichte Reiter.schliessen
in meiner Gemeine ein: Sie kamen von Zug an die Sihlbruk, wo sie bald zeigten, weß Geistes Kinder sie seyen: sie lärmten, soffen, stahlen, schlugen, u.s.f.
Um 9 Uhr ward uns angesagt, daß 8 von ihnen im Hirzel einquartiert werden müssen. Auch ins Pfarrhaus seyen 2 verschrieben: Wir erschraken – wie, wer da Christ und Mensch ist, nicht? gleichwohl machten wir Anstalt zu ihrer Beherbergung. Um 10 Uhr kamen sie; da sie hörten, daß sie in 3 Haüser vertheilt werden, kehrten sie so gleich zurük zu ihren Cammeraden: u. wir sahen so heüte keinen. Wer war froher als wir! Auf unsern Knieen dankten wir unserm Gott, begaben uns zur Ruhe, u. unter seinem guten Schuze schliefen wir wohl.
Am 30.
Am Morgen dieses Tages vernahmen wir nebst vielen Exzessen, die die Franken noch gestern Abend begangen haben, das, daß sie heüte meinen hirzlischen Gemeinsgenossen alle ihre Waafen abgefordert haben, u. sie gezwungen, dieselben noch selbst auf Zug zuführen.
Nachmittag erscholl das Gerücht, sie kommen sämtlich in Hirzel, u. wollen sich da einquartieren. Mit Gebeth u. Kampf erwarteten wir dies harte uns bang machende Vorhaben. Und siehe, es ward ausgeführt: Abends zwischen 4 u. 5 Uhr kamen sie daher geritten: welch ein Anblik für uns, solche scheüssliche Krieger u. Unmenschen vor unserm Pfarrhaus zusehen, wo sie still hielten u. abstiegen u. um den Freyheitsbaum herum sich lagerten. Es währte nicht lange, so meldete sich einer bey mir, der [6] ihr Anführer zuseyn schien: ich fasste Herz, u. durch das Gebeth gestärkt, öfnete ich ihm die Hausthüre: es war einer von meinen Gemeinsgenossen bey ihm: da er mir verdeütete, daß ich ihm Billet zu ihrer Einquartierung allhier machen müsse, so führte ich ihn in meine Stube, schrieb ihm die da – für unser Haus nahm ich ihn nebst noch einem Unteroffizier u. 3 Knechten auf. Kaum aber hatten sie ihre Quartiere bezogen, u. sich zum Essen u. Trinken gelagert – erscholls in unserm Hause: "sie müssen wieder fort, so gleich fort! u. heüte noch auf Zug!" welch ein uns willkomner Ruf, der unser erschlagenes Herz durch u. durch erquikte! in Zeit von einer halben Stunde hatten sie alle den Fleck geraümt ... u. zu Nacht noch wurden wir inne, daß sie nur gar nicht auf Zug seyen, sondern sich wieder an der Sihlbrücke befinden. U. das wie anders konnten wirs ansehen als das Werk unsers Gottes, der sich unser erbarmte, u. dies Höllengeschlecht von uns verscheüchte! wir merktens einige Male, daß es ihnen bey uns nicht behagte: ohne uns in Etwas zukränken schieden sie von uns: u. da dankte unser Herz laut dem Herrn unserm Gott u. lobpreisete seinen Nammen für diese seine Hilfe u. Rettung! Auch diese Nacht schliefen wir wieder von unserm Gott wohl gedekt ruhig.

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