Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer

1.6.1798
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[8] Den 1 Brachm[onat]
Alles Christliche, das uns kennt, hält uns für die innigsten treüsten Bether. Und siehe, in dieser so nöthigen Bethenszeit sind wir schon mehrmalen durch uns selbst davon abgeführt worden .. denn, wie mögen entzweite Herzen in Einem Sinn, mit Einem Drang bethen?? Ich bin auf stürmische Meerswogen hinausgeworfen u. darf den schlafenden Herrn nicht weken.142
Anspielung auf das Gleichnis von der Stillung des Seesturms; das Wecken Christi ist dort Zeichen des mangelnden Glaubens; vgl. Mat. 8,23-27, Mark. 4,35-41, Luk. 8,22-25.schliessen
O mir Elenden, wenn ich da verderben soll! Doch – auch schlafend wird Er mich hier, wo ich bin, sehen ... vielleicht traümt Ihm von mir, u. dann seh ich Ihn wachend um mich!
O Herr! ich warte auf dein Heil!
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Dies den 1. Brachm[onat] geschrieben, u.
dies unterzeichnet den 18 Winterm[onat].
Immer alles Eine Sache, Eine Stimmung, bey mir Ein u. Eben daßelbe Bedürfniß, das zwar nun dicht geworden ist wie meine Feder!!!
!!!!!
Ach, Jesus Christus, meine Seele harret Dein, u. sehnet sich nach Rettung von Deiner Hand!
Denn ausser der – wo ist die Hand auf Erde, wo im Himmel,
die entspricht meinen Bedürfnissen, die sie befriedigen kan!
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Bemerkungen.
1. "Man erwartet eine Ruhezeit."143
Die Ruhezeit scheint bei Schweizer die Zeit der Vorbereitung der Christen vor dem Ansturm des Antichristen zu sein, die ihrer Sammlung dient.schliessen

Jesus Christus! lasse die bald kommen.
2. "Man erwartet eine Vereinigung der Christen."144
Die Idee einer Vereinigung der Christen vor dem Weltende kann sich auf Off. 14,1-5 berufen, prägte im 18. Jahrhundert stark die pietitische eschatologische Vorstellungswelt und auch Schweizers Dübendorfer Utopie der "Baue", die er als eine Sammlung der wahren Christen vor der Parusie Christi und dem Beginn des Tausendjährigen Reichs sah; zur Baue vgl. Schweizers Tagebücher ab 1782 und im Begleitbuch zur CD das Kap. III, darin: "Das Reich Christi auf Erden: die Utopie der 'Baue'".schliessen

Und die zertrennt sich unter den sich Nähesten, wenigstens sich nähest Geglaubten.
Vielleicht zwar auch hier – "Die unfruchtbar Geschienene hat viele Kinder geboren!"
3. Laktantius soll gesagt haben: "Der Antichrist kömt nicht, bis das fränkische Königreich zerstört ist."145
Bei Laktantius (ca. 250-325 n. Chr.) gibt es in den Divinae institutiones, VII. Buch (De vita beata) die Vorstellung, dass nach dem Zerfall des Reichs in zehn Königreiche ein letzter König komme, schlimmer als alle anderen, auf dessen von Naturkatastrophen begleitete Schreckensherrschaft das Ende der Welt und der Beginn des Tausendjährigen Reichs folge. Diese Interpretation eines letzten Königs vor dem Sieg des Lamms kann sich auf Off. 17,9-10 stützen. Laktantius ging aber von einer Zerstörung des römischen Reiches aus; die Idee einer Zerstörung des fränkischen Reiches konnte erst nach der Wiederherstellung der römischen Reichsidee im fränkischen Kaiserreich von Karl dem Grossen entstehen. Im Tagebuch wird zudem das fränkische Königreich mit dem französischen Königreich gleichgesetzt. Woher die von Schweizer referierte Prophezeiung stammt, ist unklar.schliessen

Das ist nun zerstört – allso wer ist nahe u. da?
4. Der Antichrist in Person wird bezeügen: "Jesus Christus seye ein falscher Messias gewesen."146
So wie die Vorstellung des Messias verknüpft ist mit der Verkündigung des Reichs Christi, so ist diejenige des falschen Messias mit der Ankündigung des Reichs des Antichrist verknüpft, das nach eschatologischer Vorstellung dem Reich Christi unmittelbar vorausgehe. Der falsche Messias resp. der falsche Prophet ist daher auch eine Verkörperung des Antichrist; vgl. Off. 16,13; ebenso im Begleitbuch zur CD das Kap. V, darin: "Eschatologie und Französische Revolution".schliessen

5. Das Haupt am Thier,147
Vgl. Off. 13,3. Das Tier, dem Macht vom Drachen gegeben ist, ist in der Offenbarung eine Verkörperung des Antichrist, vgl. Off. 13 u. Off. 17.schliessen
sagte mir jüngsthin ein Christ, seye Frankreich – verwundet durch den Sturz des Königs: geheilet seine Wunde durch einen neüen König.
Der allso Frankreich bevorsteht. Wo wird er hervortretten??? wie sich durchschlagen u. durch das Afterrepublikanische wieder auf einen Königsthron sezen?
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Sey, Jesus Christus! nicht ferne den Deinen! Gieb Weisheit ihnen, Geduld u. Glauben!
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