Die Tagebücher des Pfarrers Diethelm Schweizer
1.8.–31.8.1799
Bis zum 14 dies[es Monats] blieben wir immer in der gleichen Lage zwischen den Franzosen u. den Kaiserlichen; allein heüte griffen erstere die lezteren mit überlegener Macht an u. trieben sie bis an die Schindellege,251
Das Fürchterlichste u. peinlichste bey all diesen Kriegserfahrungen ist das, daß wir überall254
Ach Gott! wann ist auch diese peinigende Spehrung255
Übergang von Pfäffikon (SZ) am oberen Zürichsee nach Biberbrugg.schliessen
wo das Haupttreffen erst vorfiele – eine fürchterliche Canonade sahen und hörten wir vor uns bis Nachts 10 Uhr: Den ganzen Tag über kamen aus einander gejagte Franzosen in meine Gemeine und auf den Abend fuhren viele Wagen durch sie mit Bleßirten. Dennoch wurden die Franzosen meister u. trieben die Kaiserlichen bis über Schweiz252Schwyz.schliessen
fort: erstere besezten nun wieder unsre ganze Berggegend; u. wir hätten unbeschreiblich viel Unmuß253Beschwernis, Unannehmlichkeit; vgl. Grimm 24, Sp. 1195.schliessen
u. Gewalthätigkeiten von ihnen zuleiden gehabt, wenn nicht den 17 dies[es Monats] eine Husaren-Wacht in Hirzel geleget worden wäre .. Die schafte uns Ruhe u. Sicherheit. Das Fürchterlichste u. peinlichste bey all diesen Kriegserfahrungen ist das, daß wir überall254
überhaupt.schliessen
keine Nachricht von unsern Lieben in der Stadt haben, u. wir ihnen keine von uns ertheilen können; u. dabey die fürchterlichsten Gerüchte über die Stadt für unsre Ohren kommen. Ach Gott! wann ist auch diese peinigende Spehrung255
Wahrscheinlich: Sperrung, Blockade [der Stadt].schliessen
am Ende? Mache Du uns bald Luft! denn nur Du kanst das! ––
Vom 15–31 – abwechselnde französische Einquartierung von Husaren u. Chasseurs u. Gemeinen. Die meisten, die bey uns waren, aüßerten sich offenherzig gegen uns, daß sie müde des Krieges seyen u. so gerne gerne nach Hause kehren: auch bezeügten einige ganz freymütig, daß alle u. jede Revolution nichts als Jammer, Elend und Verderben über die Menschheit bringe. Und meine Gemeine scheint erst izt im Revolutionsgeist aufzuleben: was wird aus ihr werden u. wie wird es ihr ergehen, wenn die Kaiserlichen sich durchschlagen u. meister von der Schweiz werden? Doch – von diesem Gedanken sind sie so ferne, daß sie ganz nur darin leben, u. darauf hin denken, reden u. handeln, daß die Franzosen sich in der Schweiz behaupten, u. allso unsre Revolutionsregierung werde souteniert256Von frz. soutenir: unterstützt.schliessen
werden. Gott, welch ein Gericht wird sich dann erst über unser Vaterland ziehen! Aber, wir vertrauen auf Dich u. Deinen Nammen, daß Du Deine Bessern nicht über ihr Vermögen werdest versucht werden lassen: wir vertrauen auf Dich, daß Du Güte, Wahrheit, Redlichkeit u. wahre Vaterlandsliebe noch werdest siegen lassen! [Dok. 2] ––
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