31.12.1800
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Den 31 Christm[onat]
Einige Schlussgedanken über das sich heüt endende 18 Jahrhundert.520
Diese Schlussgedanken enthalten eine kurze Zusammenfassung aller Tagebücher von 1775-1800, die aber angesichts der Konflikte der Gegenwart (Revolution und Krieg) die Konflikte der Vergangenheit ausblendet und diese in einem rosigen Licht erscheinen lässt; vgl. dazu im Begleitbuch zur CD das Kap. V, darin: "Alltag auf dem Hirzel – das Ende des Tagebuchs".schliessen
1.
In diesem Jahrhundert bin ich geboren, getauft, mit meinem Erden-Nammen genennt, auferzogen u. beschuhlet worden: Ich habe allso Aeltern, Geschwister u. Lehrer bekommen.
2.
In diesem Jahrhundert hab ich mich dem geistlichen Stande gewidmet, u. bin auch zu dem ordinirt worden: habe in meinen akademischen Jahren viele guten Freünde gefunden, von denen ein guter Theil entschlafen, der übergebliebene mich noch liebet.
3.
In diesem Jahrhundert hab ich vorzüglich viele gute christliche Freünde gefunden, die nach meiner vorhergegangenen Erwekung, zu der mich meines Gottes Erbarmung hinführte, mich ins Christenthum u. vorzüglich in die Bibel hineinführten, u. mit ihnen verschiedene christlich religiose Gesellschaften hatte; in denen der brüderliche Genuss des H[eiligen] Abendmahls eingeführt ward.
4.
In diesem Jahrhundert bin ich durch die besondere Fürsorge meines Gottes dem frommen christlichen Kraisse der lieben Gesners von Dübendorf einverleibt worden. Von 1777 bis 1785 lebte ich vorzüglich mit den 4 Schwestern daselbst im allerintimsten Umgang u. Gemeinschaft, u. genossen da mit einander eine Bibel-Lesezeit, wie wir seither keine so ganz mehr bekommen haben.
5.
In diesem Jahrhundert hab ich mich mit der jüngsten dieser 4 Schwestern – mit meiner theüren von Gott mir geschenkten Nette521
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
verheürathet, durch die ich nicht nur innig liebende Schwiegeraeltern u. Geschwister,522
Vgl. den Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
sondern auch freündschaftlich für uns sorgende Kellerische Onklen u. Tanten erhalten, die uns in mancher klemmen Lage liebreich aushalfen, u. oft von unserm Gott dazu erwekt wurden, wenn wirs ammeisten bedurften.
6.
In diesem Jahrhundert bin ich Vater geworden – O Herr! Dir dank ich izt noch mit dieser Thräne im Aug, daß Du mich in die Geheimnisse der H[eiligen] Ehe hinein geführt hast! bin Vater geworden von 6 gesunden, wohlgebildeten Kindern – von 5 Töchtern u. einem Knabe,523
Der im Mai 1796 in Diepoldsau an Pocken verstorbene Sohn Caspar Schweizer (geb. 1794); vgl. Tagebuch vom 25.4.-10.5.1796, Bg. 430 (Ms Z V 614).schliessen
der aber nur 9 Vrtl. Jahr bey uns bleiben musste, weil sein höherer Vater ihn zu Haus daheim haben wollte.
7.
In diesem Jahrhundert hab ich auch an die 15 Jahre als Religionslehrer das Evangelium gepredigt u. verkündigt: nemlich 11½ Jahr bey meiner ersten Gemeine zu Dieboldsau im Rheinthaal; u. von da bis izt in meiner zweiten Gemeine im Hirzel. O Herr! hab ich das immer mit Fleiss, mit Treüe u. Eifer gethan? Ach, Herr! habe Geduld mit mir und mit meiner Schwachheit! Mache Dich an mir Schwachen noch herrlich!
8.
In diesem Jahrhundert bin ich auch oft gefährlich krank gewesen, so auch meine Nette,524
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
so auch unsre Sette,525
Elisabeth Gessner (1755-1831), Schweizers Schwägerin, Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, lebte seit der Heirat Schweizers mit Anna Gessner 1785 in deren Haushalt, vgl. Hauschronik 33, 91.schliessen
die immer bey uns war, wo wir waren, u. alles mit uns theilte von Freüd u. Leid, das wir hatten – so auch unsre Kinder: Aber der Herr half uns allen gnädig aus jeder Krankheit, so daß Er uns bald wieder Gesundheit schenkte, u. uns unsre Tage wieder froh und heiter machte. Gelobet seye sein Namme dafür!
9.
In diesem Jahrhundert bin ich mit den Meinen oft in Klemme u. Enge gewesen, doch nie so, daß wir nicht immer unser tägliches Brodt, unsre täglichen Kleider, unser tägliches Dach u. Gemach hatten. O Herr! Deine Güte ist gross gegen uns geworden! Selbst in den gegenwärtigen Zeiten, wo mein verdienter Lohn mir entzogen wird, lassest Du mirs u. den Meinen an nichts gutem mangeln!
10.
In diesem Jahrhundert musst ich mit allen christlichen Menschen den Abfall vom Christenthum in der französischen Revolution kommen sehen, musste sehen, wie die auch unser Vaterland ergriff, u. das durch den Sturz der alten Regierung in die gröste Verwirrung u. Zerrüttung stürzte, u. den Krieg u. alle fürchterlichen Uebel des Kriegs über daßelbe brachte. Auch dies, o Herr! wolltest Du, daß ich es mit den lieben Meinen sehen, erfahren u. versuchen sollte! Ach, sollte uns an Deiner Gnade, die wir in den beyden lezten Jahren dieses Jahrhunderts in mancher furchtbaren Lage augenscheinlich erfahren haben, nicht genügen? Wol, Herr! wir erheben Deine Gnade u. kündigen aus Deine großen Thaten, die Du an uns gethan hast! Deine Ehre ist erhöhet bey allen, denen Du in diesen gefährlichen Zeiten Sonne und Schild gewesen bist!
Und nun weiter kein Wort, als – dies einzige Schlussgebeth –
Herr! bleibe bey uns, denn es will Abend werden,
und der Tag hat sich geneiget!
Amen!
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N. Sch.526
Abk. für Nachschrift.schliessen
Noch hatten wir in der lezten Nacht zwischen 9 u. 10 Uhr eine Dank- und Anbethungsstunde, der auch unsre 3 aeltesten Töchter527
Es handelt sich um Elisabeth Schweizer, damals 14-jährig, Anna Schweizer, damals 13-jährig, und Regula Schweizer, damals 9-jährig. Die beiden jüngsten, Meta und Dorothea, waren damals erst 3- resp. 1-jährig.schliessen
beywohnten – die erste Stunde, die wir mit ihnen feyrten: sie liessen sich gut an, u. erhöheten unsre Hoffnung, daß sie nach u. nach ins Religiose hinein werden gezogen werden.
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