29.11.–4.12.1802
1.
Gerüchte.
1. Meine Gegner wollen Zürich ganz vorbey gehen, u. sich unmittelbar auf Bern wenden.850In der Tat bereiteten die Gegner von Schweizer Ende November/Anfang Dezember eine Klagschrift an den helvetischen Innenminister vor; vgl. Tagebuch vom 19.12. und drei Abschriften dieser Eingabe in: FA Schweizer/Heusser, D I 8a-c.schliessen
2. Sie haben auf den künftigen Sontag einen Vikar bestellt: u. sich verlauten lassen: "wenn ich am lezten Samstag vor der Gemeine nicht so frech getruzet, sondern abgebethen hätte, so hätten sie nichts weiter aus der Sache gemacht."
2.
Bemerkungen.
1. Es leüchtet mir immer mehr ein, u. der Huber hat mir auch beym Kokardenhandel851Vgl. auch Tagebuch vom 10.10.; die Kokarde galt als Symbol der Helvetik und verkörperte für die Landbevölkerung die Hoffnung auf Unterstützung durch die Zentralregierung oder die Franzosen gegen die Herrschaftsansprüche der Stadt; vgl. Graber, Zeit des Teilens, 210f., 295; Wilfried Ebert, Zum Verständnis der Symbolik in der Helvetik, in: Itinera, Fasc. 15, 30-34.schliessen
nicht undeütliche Winke dazu gegeben, daß der Plan unsrer schweizer Jakobiner seye – die izige Geistlichkeit zu stürzen, weil sie noch die alte aristokratische Geistlichkeit ist, neben der die neüe revolutionaire Regierung nicht bestehen köne:852Die Helvetik hat den Einfluss der Pfarrherren v.a. in politisch-administrativer und ideologischer Hinsicht brechen wollen: "So garantiert Art. 6 der helvetischen Verfassung die allgemeine Religions- und Gewissensfreiheit und statuiert gleichzeitig eine eigentliche Predigtzensur." – "Artikel 26 schliesst sodann alle 'Diener irgendeiner Religion' vom aktiven und passiven Wahlrecht aus"; Christoph Guggenbühl, Zensur und Pressefreiheit. Kommunikationskontrolle in Zürich an der Wende zum 19. Jahrhundert, 220.schliessen
um allso die bestehen zu machen, müsse die alte Geistlichkeit wie die alte Regierung abgeschaft seyn. sie wollen Geistliche mit revolutionairer Denkensart u. Grundsäzen. 2. wenn ich an diejenigen denke, die sich zu meiner Entfernung unterschrieben haben, so sind die Cheffs davon gerade diejenigen, die keine Religion haben, u. keine Religion wollen, die auch dies Joch von sich abwerfen, auf die ich allso auch überall853
überhaupt.schliessen
nichts habe wirken können: sie bedürfen keines Seelsorgers, denn sie glauben an keine unsterbliche Seele. Der andere Theil dieser Unterschriebenen ist nur mitgezogen aus allerhand Nebengründen, aus Verwandtschaft z. B. oder, wie mir einer selbst sagte, "weil ers mit beyden Partheyen halten müsse: seine Unterschrift werde mir nicht viel schaden." 3.
Briefe.
Am Samstag erhielte ich viele ermunternde u. stärkende Briefe: besonders von Herrn Antistes,854Dieser Brief des Antistes Johann Jakob Hess (1741-1828) hat sich im Nachlass Schweizer/Heusser nicht erhalten, hingegen ein Entwurf einer Antwort auf diesen Brief (FA Schweizer/Heusser, D I 10).schliessen
von unserm Georg,855Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
u. vom Kirchenrath:856Dieser Brief, "Der Kirchenrath des Cantons Zürich an den Hr. Pfarrer Schweizer im Hirzel", eine Ermutigung, standhaft zu bleiben, ist im Nachlass (FA Schweizer/Heusser, D I 9) erhalten.schliessen
lezterer ist ein Placit857Placet.schliessen
über meinen bisherigen standhaften Muth; u. eine Ermahnung, weiter auszuhalten um des Ganzen willen. [Dok. 8] ––
