29.8.–31.12.1801
Kurze Nachhohlungen.
1.
Vom 29 Augstm[onat] bis den 14 Herbstm[onat] war unsre l[iebe] Bäbe662Bäbe Gessner, geb. Hess (1754-1826), Tochter von Hans Conrad Hess, Amtmann am Oetenbach, und Anna Barbara, geb. von Orelli, verh. 1779 mit Hans Caspar Gessner; vgl. Stammbäume Gessner-Keller und Hess-von Orelli, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
u. die l[iebe] Crite Keller663Anna Margaretha (Grite) Keller (1763-1820), Tochter von Elisabeth Gessner-Kellers Bruder Pfr. Heinrich Keller; vgl. auch Hauschronik, 67; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
bey uns. Ich merke nur dieses an. a.) Bäbe war als Bäbe Gesner u. Heß, u. Crite als Crite Keller bey uns.
b.) Mit der Bäbe hatten wir keinen vertrauten Augenblik – mit der Crite mehrere.
c.) Die l[iebe] Crite nahms auf meine Bitte auf sich, 35 fl.664
Abk. für Florin = Gulden.schliessen
bey seinem665Mundartl. Neutrum für das Femininum: ihrem.schliessen
Schwager Nägeli666Rudolf Nägeli, Bauer und Seckelmeister aus Kilchberg, heiratete im März 1800 Anna Catharina Brunner, geb. Keller.schliessen
für den l[ieben] Emmanuel sel. zubezahlen. d.) Während dieser Zeit kam ein Brief von Jung667
Johann Heinrich Jung (1740-1817), genannt Jung-Stilling, Arzt, Prof. für Kameralistik und religiöser Schriftsteller. 1770-1772 Studium der Medizin in Strassburg, wo er Goethe kennenlernte, der ihn zur Niederschrift seiner Lebensgeschichte anregte, ab 1772 praktizierender Arzt, bekannt geworden v.a. durch seine Staroperationen, 1778 Professor für Landwirtschaft, Technologie und Vieharzneikunde an der Kameralschule Kaiserslautern und Heidelberg (1784), 1787 Professor für Kameralistik in Heidelberg, 1803 Berater des Kurfürsten, nachherigen Großherzogs Karl Friedrich von Baden (1728-1811) und freier religiöser Schriftsteller; publizierte u.a. den Roman Das Heimweh (1794-1796) u. die Zeitschrift Der graue Mann (1795-1816); Beziehungen zu Lavater, Jacobi, Juliane von Krüdener und zu unzähligen pietistischen Konventikeln, u.a. zu den hier erwähnten Zürcher, St. Galler und Schaffhauser Kreisen. Umfangreiche Korrespondenz (ca. 20000 Briefe); NDB X, 665-667; Killy VI, 160-162; Hauschronik, 57, 66, 86, 163.schliessen
an, in dem er bey allen zürcherischen Christen herzlich abbittet, daß er sie durch sein allzu kurzes, oft rauhes Betragen gegen die Augen-Kranken geärgert habe. Ein Brief, der mir in der Seele wohl tat, von dem wir aber zum voraus sahen, daß er von vielen zürcherischen Christen mißverstanden u. mißbraucht werden werde. So frolokte unsre Bäbe über diesen Brief gar sehr: u. da nachher geschrieben ward, daß unser Georg668Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
dem l[ieben] Jung geantwortet, u. aber von seiner Antwort keine Kopie gemacht, aüßerte sich Bäbe hierüber gar heftig – "das sey ihm izt ganz gleich: es sey zuerwarten gewesen, daß die Antwort nicht gezeiget werde." 2.
Den 14 u. 15 Weinm[onat] las ich des th[eüren] Lavaters sel. Lebensgeschichte 1 Th[eil]6691802 erschien der erste und zweite Band von Johann Kaspar Lavaters Lebensbeschreibung, von seinem Tochtermann Georg Gessner, in der Steinerschen Buchhandlung in Winterthur, so dass Schweizer diesen ersten Teil wahrscheinlich in einer Abschrift oder in den Druckfahnen gelesen hat. Der dritte Band erschien 1803.schliessen
mit Rührung u. mit vielen Thränen. Oft war mir – ich lese meine Kindheit- u. Jugendgeschichte: oft war mir – meine Sentiments über die, diese, jene Sache seyen hier niedergeschrieben worden. 3.
Den 14 Weinm[onat] an die l[iebe] A. Barb. Bernet.670Anna Barbara Bernet (1759-1818), älteste Tochter des Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, verh. 1809 mit Kaspar Steinmann (1. Frau Anna Ehrenzeller, gest. 1806); vgl. Stammbaum der Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
... "Sie fragen
'Wenn eine völlige Reinigung und Heiligung, eine Vollkommenheit, wie der Vater hat, eine Gleichgesinntheit mit Jesus Christus von uns ohne Ausnahme gefordert wird – warum haben wir keine Verheißung, daß wirs hienieden schon dazu bringen werden? warum ist's gefordert, wenn das doch nicht seyn kan?'
Um diese Frage zu beantworten
bitt ich Sie, m[eine] Th[eüre]! das wort fordern für einmal beyseits zu sezen, u. das wort ermahnen, erweken dafür zubrauchen. Durch die ganze H[eilige] Schrift wird eine völlige Reinigung u. Heiligung, eine Vollkommenheit, wie der Vater hat, eine Gleichgesinntheit mit Christus nicht so fast von uns gefordert, sondern wir werden dazu erwekt, ermahnt, ermuntert.
z. B. Christus Wort ...
'Seyd vollkommen – nemlich in der allgemeinen Menschenliebe, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist'671
ist auffallend eine Ermahnung an uns, in der allgemeinen Menschenliebe so vollkommen zuwerden, wie Gott darin vollkommen ist, u. die Menschen es nicht sind.
So Paulus Worte:
'Seyd gesinnet, wie Jesus Christus gesinnet war! Seyd heilig, wie der, der eüch beruft hat, heilig ist! Jaget nach der Heiligung, ohne welche Niemand den Herrn sehen wird'672
Alle diese Worte sind lauter Ermahnungen, Erwekungen u. Ermunterungen, gesinnt zuseyn wie Jesus Christus u. nicht wie die Menschen: heilig zuseyn, wie Er heilig ist, u. wie die Menschen nicht heilig sind: nach seiner, und nicht nach der Menschen Heiligkeit zustreben.
Alle diese Worte sind Erwekungen, Ermahnungen, Ermunterungen, in Absicht auf Vollkommenheit nicht die Menschen, sondern Gott nachzuahmen.
Und sind das alles nur Ermahnungen, Erwekungen u. Ermunterungen, so sind es nicht Forderungen, d. h. Zumuthungen, daß wir hier auf Erden den höchstmöglichen Grad von Reinheit, Heiligkeit, Vollkommenheit erreichen müßen.
Es sind nur Ermahnungen, Erwekungen, Ermunterungen, daß wir uns in Absicht auf Reinheit, Heiligkeit u. Vollkommenheit nicht den sündigen Menschen, sondern den unsündigen Gott zum Muster u. Vorbild sezen, u. nach deßen Reinheit, Heiligkeit u. Vollkommenheit streben sollen.
Wo's wahrhaftig nirgends gesagt ist, daß wir den höchsten Grad davon erreichen müssen oder könen: wäre das, so müssten wir Gott werden, u. Gott müsste nicht mehr Gott werden.
Auffallend ist mit diesen – nicht Forderungen, sondern Erwekungen, Ermahnungen u. Ermunterungen darauf abgesehen. daß wir den uns höchstmöglichen Grad von Reinheit. Heiligkeit u. Vollkommenheit hienieden zuerreichen u. zuerstreben suchen: nicht, daß wir vollkommen rein u. heilig, wie Gott das ist, werden müssen. Wir werden das nie werden, nie werden müssen, nie werden könen: sonst bliebe kein Unterschied zwischen Gott u. uns Menschen: u. der wird doch immer seyn müssen, so lange Gott – Gott ist, und wir Menschen – Menschen sind.
Machen Sie allso, m[eine] Th[eüre]! einen genauen Unterschied zwischen Forderungen u. zwischen Erwekungen, Ermahnungen u. Ermunterungen: u. viele Stellen der H[eiligen] Schrift werden Ihnen in ihrem gehörigen Licht erscheinen; u. Sie werden dieselben unter sich ganz harmonisch finden.
Und nun noch ein Wort von dem – 'ob Verheissungen vorhanden seyen, daß wir zu dem uns möglichen Grad von Reinheit, Heiligkeit, Vollkommenheit gelangen könen?'
Mich dünkt, diese Verheißungen ligen in den Ermahnungen u. Erwekungen zur christlichen Reinheit, Heiligkeit, Vollkommenheit selbst. Diese wären uns ja nicht gegeben, wenn es für uns unmöglich wäre, den uns möglichsten Grad von Reinheit, Heiligkeit u. Vollkommenheit zuerreichen.
Jede uns gegebene Ermahnung, Erwekung u. Ermunterung enthält die dazu nöthige Verheissung in sich.
Es kan allso in keinem Sinn die Rede mehr davon seyn – warum wird's gefordert, wenn es nicht seyn kan? Es wird nicht gefordert, sondern ermahnt, u. darum mag es seyn – nemlich nicht zum höchstmöglichen, sondern zu dem uns möglichen Grad der Reinheit, Heiligkeit u. Vollkommenheit zugelangen."
4.
Den 23 Weinm[onat] an Bäbe673Bäbe Gessner, geb. Hess (1754-1826), Tochter von Hans Conrad Hess, Amtmann am Oetenbach und Anna Barbara, geb. von Orelli, verh. 1779 mit Hans Caspar Gessner; vgl. Stammbäume Gessner-Keller und Hess-von Orelli, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
allein ... "Dein Jaque674
Was wills werden, daß wir des Lieben nicht mehr Hauptort auf dem Lande sind?
Alle stillern Studirende besuchen sonst ihre pfarrerlichen Verwandte auf dem Land.676
Was wills werden? fragen wir in so manchem Sinn im Blik auf christliche Freündschaft u. Vereinigung. wir harren viel, u. täglich zeigt uns der Herr, daß wir noch länger harren müssen.
Vereinfachung aufs christliche, das wir haben, seye unser aller Sehnsucht. Ausdähnung entnervt, wie Vereinfachung benervt."
Auf diese Zeilen kein Wort, kein Laut von der Bäbe. Jakob Gessner d.J. (1782-1806), dritter Sohn von Hans Caspar und Bäbe Gessner-Hess; ord. 1804, Vikar in Horgen, 1805 Katechet in Oberstrass, verfiel in Melancholie und hungerte sich zu Tode; ZhPfrB, 296.schliessen
ist endlich zu uns gekommen: /er war 8 volle Tage zu Bändlikon675Bändlikon oder Bendlikon, heute eingemeindetes Dorf am linken Seeufer, das zur politischen sowie zur Kirch- und Schulgemeinde Kilchberg gehört, Wohnort der Schwestern Anna Margaretha (Grite) Keller und Anna Catharina (Cäther) Nägeli, vorher Brunner, geb. Keller.schliessen
im Herbst; u. kame nachher noch 8 Tage zu uns/ Was wills werden, daß wir des Lieben nicht mehr Hauptort auf dem Lande sind?
Alle stillern Studirende besuchen sonst ihre pfarrerlichen Verwandte auf dem Land.676
Vgl. dazu den Brief von Diethelm Schweizer vom 3.6.1800; Kopie im Tagebuch unter diesem Datum.schliessen
Was wills werden? fragen wir in so manchem Sinn im Blik auf christliche Freündschaft u. Vereinigung. wir harren viel, u. täglich zeigt uns der Herr, daß wir noch länger harren müssen.
Vereinfachung aufs christliche, das wir haben, seye unser aller Sehnsucht. Ausdähnung entnervt, wie Vereinfachung benervt."
5.
Auf den 25 Weinm[onat] den Hochzeittag des l[ieben] Jakob Bernet677Jakob Bernet (1775-1874), Sohn des St. Galler Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, Gerber.schliessen
u. der l[ieben] Sabina Rietmann678Sabine Rietmann (1774-1808), Tochter des Hans Jakob und der Sabine, geb. Huber.schliessen
ward von uns folgendes geschrieben. Von der Sette679
Elisabeth Gessner (1755-1831), Schweizers Schwägerin, Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, lebte seit der Heirat Schweizers mit Anna Gessner 1785 in deren Haushalt, vgl. Hauschronik 33, 91.schliessen
.."1.
Was im heißen Kampfe begonnen – werde in jubelnder Freüde vollendet! 2.
Auch die spathe Oktobersaat keim' u. gedeihe unter Frost u. Hize, Thau u. Regen: u. werde zu vollen Garben eüch noch auf den nahen großen Erndtetag unsers Herrn!"Von der Nette.680
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
"1.
Nahe Zukunft des Herrn sey traulichster aller Gedanken Eüch! 2.
Nahe Zukunft des Herrn das Salz u. die Würze all eürer Freüden. 3.
Nahe Zukunft des Herrn die Wonne all eürer Leiden!"von mir
"1.
Wen der Herr liebt, auf deßen Lebenspfade streüet Er Freüden und Leiden, deren volle Enthüllung ewige Anbethungen in der Zukunft erzeügen wird.
2.
Alles Sichtbare ist auf's Unsichtbare uns Deutung und Bild: Selig, wer im Sichtbaren wandelt, als wandelte er im Unsichtbaren!
3.
Genießet weise die Gegenwart, mit Wonne genießt ihr sie wieder in der Zukunft!"––
6.
Den 28 Weinm[onat] kamen die beyden Brüder Jaque681Jakob Gessner d.Ä. (1759-1823), Schweizers Schwager, Sohn des Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, verh. 1803 mit Anna Schulthess; Offizier in holländischen Diensten bis 1795, Oberrichter in Zürich, 1803 Stadtrat, 1805 Statthalter des Bezirks Zürich; vgl. Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
u. Georg682Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
u. der junge Caspar Gesner683Kaspar Gessner (1780-1812), Sohn des Hans Caspar und der Bäbe, geb. Hess, Tapezierer, verh. 1807 mit Anna Lavater, Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater, spätere Frau von Birch, Stiefmutter von Salomon von Birch; Hauschronik, 58.schliessen
zu uns: u. blieben bey uns bis den 21 Winterm[onat]. Frohe liebliche Genußvolle Tage, wie wir lange keine mit unserm Georg verlebt haben: es war ihm wohl bey uns u. uns war wohl bey ihm. Unsre Freüden, die wir hatten wurden durch eine Nachricht erhöhet, die unser Georg u. auch wir Freitags den 30. Weinm[onat] noch in der Nacht erhielten: Sie lautet so –
"Bern, den 28 Oktob[er] Morgens um 7 Uhr.
Ein diese Nacht angekommenes franz. Bataillon steht auf dem Zeüghaus Plaz: Husaren mit gezüktem Säbel durchziehen alle Straaßen: ein gleiches geschieht vom Fußvolk, schweizerischem u. französischem. Die Thore sind geschloßen u. so eben wird das Verbott ausgerufen, daß nicht 5 Menschen bey einander auf [38] der Straasse stehen sollen. Man erfährt, daß die Helvetische Tagsatzung aufgelöst, u. die 3 Vollziehungsräthe, Usteri,684
Dies ist allso die grosse wichtige Revolution, nach der alle Edlen u. Stillen im Lande sich sehnten, sie erwarten: Gottlob! daß sie so weise veranstaltet u. so gut ausgeführt worden. Das Revolutionaire u. das Sankülotische hat nun nicht mehr die Mehrheit bey unsrer Regierung. Ein diese Nacht angekommenes franz. Bataillon steht auf dem Zeüghaus Plaz: Husaren mit gezüktem Säbel durchziehen alle Straaßen: ein gleiches geschieht vom Fußvolk, schweizerischem u. französischem. Die Thore sind geschloßen u. so eben wird das Verbott ausgerufen, daß nicht 5 Menschen bey einander auf [38] der Straasse stehen sollen. Man erfährt, daß die Helvetische Tagsatzung aufgelöst, u. die 3 Vollziehungsräthe, Usteri,684
Paulus Usteri (1768-1831), Sohn von Leonhard I. Usteri, 1788 Dr. med., mit Jakob Römer Publizist auf botanischem und medizinischem Gebiet, 1798 Mitglied der Zürcher Kantonsversammlung, dann helvetischer Senator u. Präsident des Senats, war am Sturz des Direktorium Laharpe sowie am 2. Staatsstreich vom 7.8.1801 beteiligt, wurde Präsident des Vollziehungsrats, im dritten Staatsstreich vom 28. Oktober kaltgestellt, 1803 Mitglied der helvetischen Consulta, wird im selben Jahr als Führer der Demokraten und grosser Gegenspieler Reinhards in den Zürcher Kleinen Rat gewählt; später einer der Vorkämpfer des Liberalismus; HBLS VII, 177f.schliessen
Zimmermann,685Karl Friedrich Zimmermann (1765-1823), von Brugg, Sohn des Salzhändlers und Schultheissen Johann Jakob, verh. mit Johanna Katharina Delosea. Mitglied der Helvetischen Gesellschaft seit 1784, einer der Führer der aargauischen Revolution, 1798 helv. Grossrat, kam nach der Wahl der neuen Räte vom August 1800 in die Exekutive und verblieb darin bis zum Reding-Putsch (28.10.1801); ab 1803 aargauischer Grossrat, Regierungsrat, Tagsatzungsgesandter; HBLS IV, 158f.; BLA, 908-910.schliessen
u. Schmied,686Johann Jakob Schmid (1765-1828), aus alter Basler Familie, Liz. der Rechte, 1798 helvetischer Regierungsstatthalter in Basel, nach dem Sturz des helvetischen Direktoriums am 8.8.1800 in den Vollziehungsrat gewählt, am 28.10.1801 mit Usteri und Zimmermann gestürzt, kam im Jan. 1802 wieder in die umgebildete helvetische Zentralregierung (Kleiner Rat), war später helvetischer Kriegsminister (bis 1803); HBLS VI, 201.schliessen
welche an ihren wiederrechtlichen konstitutifen Verhandlungen Theil genohmen hatten, außer Aktivität gesezt sind. Die neüe Vollziehung hat Eilbotte in die kleinen Cantone geschikt, um die Truppen zurük zurufen. Es ist ein neüer Senat von 25 Mitgliedern erwählt."687Es handelt sich hier um den dritten Staatsstreich in der Helvetik unter Führung des Schwyzers Aloys Reding, eines gemässigten Aristokraten. Weil die von den Unitariern dominierte Tagsatzung die napoleonische Verfassung von Malmaison verändert hatte, wurde sie mit französischer Militärhilfe aufgelöst und durch einen von den Föderalisten dominierten Senat ersetzt. Der Umsturz in Bern führte auch zu Umstürzen in den Kantonen; in Zürich wurde der liberale Ulrich durch den reaktionären Hans von Reinhard ersetzt; HBLS IV, 160f.schliessen
––
7.
Gott kan tödten u. lebendig machen. Ersteres hat Er gezeigt an den Sodomiten:688Sodomiten; die Antwort bezieht sich wahrscheinlich auf die Geschichte von Sodom und Gomorrha, 1. Mos. 18,16-33 u. 1. Mos. 19,1-29 .schliessen
lezteres an wem? ward unter unsre Kinder gefragt: und Bäbeli689Anna Margaretha Barbara, die spätere Meta Heusser-Schweizer (1797-1876), Dichterin und Mutter Johanna Spyris; vgl. Hauschronik; Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer.schliessen
antwortete – am Lazarus!690Vgl. Joh. 11,1-46 .schliessen
Ein andermal warf das liebe denkende Kind der Mamma die Frage auf: "Warum hat sich Gott auch nur im A[lten] Testament geoffenbaret, u. keinem Menschen von Zürich?" Eine Frage für den l[ieben] Lavater sel.
––
8.
Aus Ewalds Monatschrift. VIII St[ük], 128–131.691
Christliche Monatschrift zur Stärkung und Belebung des christlichen Sinnes, hg. von Johann Ludwig Ewald, Bremen 1800-1804. In ihr erschienen 1800 auch Lavaters Epigramme auf Hardmeyer; vgl. Brief von Meta Post an J.C. Lavater v. 25. Juni 1800, in: Günter Schulz, Meta Post im Briefwechsel mit Lavater (1794-1800), in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen VII, 296.schliessen
1.
Die Hofnung.
Ja, geschmückt im leichten, weissefarbnem Kleide
Kömt gewiß die Hofnung, lächelnd wie die Freüde,
Und hält dem, der alle Lebenslust verlor,
Den krystallenen Spiegel beßrer Zukunft vor.
Hier sieht er das düstre Sturmgewölk verflogen,
Sieht, daß sich nun wieder Gottes Regenbogen,
Wie ein Bluhmengürtel um die Himmel schwingt,
Und der Blick der Sonne durch die Nebel dringt.
2.
Die neüeste Philosophie.
Izo lag an der Kette das Ungeheüer, der Greüel
Grüel! Izt war der Mensch über sich selbst erhöht!
Doch nein! nicht über sich selbst erhöht,
– Izt war der Mensch, was er stets seyn sollte – Ein Mensch.
3.
Ueber die nahe Zukunft des Herrn.
aus alten Liedern.
a.) Es wird schon der lezte Tag herkommen,
Denn die Bosheit hat sehr zugenohmen
Was Christus hat vorgesagt,
Das wird izt beklagt.
––
b.) O Jesu Christ! Du machst es lang
Mit Deinem jüngsten Tage:
den Menschen wird auf Erden bang
Vonwegen vieler Plagen.
Komm doch, komm doch – Du Richter groß,
Und mach uns in Gnaden los
Von allem Uebel. Amen!
––
c.) Darum komm, lieber Herre Christ;
Das Erdreich überdrüssig ist,
Zutragen solche Höllenbränd –
––
9.
Mitwoch Abend den 23 Christm[onat] Dies war der feyrliche Abend, wo unser aeltestes Kind – unsre liebe Sette,692
Elisabeth Schweizer (1786-1824), älteste Tochter von Diethelm Schweizer und Anna, geb. Gessner; vgl. Hauschronik, 34, 85-88.schliessen
nachdem ich ihm vorher einen eignen Religionsunterricht ertheilt, in der Gegenwart der l[ieben] Mamma693Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
u. Tante,694Elisabeth (Sette) Gessner (1755-1831), Schweizers Schwägerin, Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, lebte seit der Heirat Schweizers mit Anna Gessner 1785 in deren Haushalt, vgl. Hauschronik 33, 91.schliessen
von mir unter die Zahl der Communikanten aufgenommen ward. Nach einigen prüfenden Fragen u. nach einigen väterlichen Lehren, Bitten u. Ermahnungen, auch nach dem feyrlichen Handgelübd weyhten wir das gute Kind zu einer würdigen Auskünderin des Todes Jesu ein mit einer Privatkommunion695Vgl. auch den Eintrag vom 6. April desselben Jahres.schliessen
die wir so gleich mit ihm hielten. Es war eine liebe heilige feyrliche Stunde, die, wie wir hoffen, entschieden guten Eindruk auf das l[iebe] Kind machte, denn es war bey allem u. durch alles herzlich gerührt.
Es war eine liebe heilige feyrliche Stunde für die l[iebe] Mamma u. mich, die uns unsre Ehlichung nahe brachte, uns an unser Alter erinnerte, u. die Freüde uns voll zugeniessen gab, an diesem unserm Kind nun eine erwachsene Tochter zuhaben.
Auch der th[eüren] Tante – seine Mitauferzieherin u. Mitpflegerin hatte in dieser lieben heiligen u. feyrlichen Stunde ihre eignen, sie zum Herrn hinziehenden Enpfindungen. Es war für uns alle ein lieblicher haüslich religioser Auftritt, wie wir noch keinen hatten. Er sey uns unvergesslich, u. befestige u. erhöhe unsre Liebe zu einander!
––
10.
Den 24 Christm[onat] Auszug aus einem Brief, den wir heüt von unserm l[ieben] Jaque696
Jakob Gessner d.Ä. war damals Oberrichter, seit 1803 Stadtrat nach der neuen Mediationsverfassung, seit 1805 Statthalter des Bezirk Zürich. Als Amtsperson kam er auch an vertrauliche Information heran.schliessen
erhielten. "Nun kan ich eüch, Gottlob! wieder einmal recht beruhigende Berichte von unsrer politischen Lage geben.
Es sind nemlich von unserm würdigen Landammann Reding697
Es sind nemlich von unserm würdigen Landammann Reding697
Aloys Reding (1765-1818), Sohn des Landeshauptmanns u. Oberstleutnants in spanischen Diensten Theodor Anton Reding, selbst Oberstleutnant in spanischen Diensten, Verteidiger der Innerschweiz gegen die einmarschierenden Franzosen (Schindellegi u. Rotenturm). Ende Oktober 1801 wurde Reding vom neuen föderalistisch gesinnten Senat zum ersten Landammann der Schweiz ernannt. Am 17.4.1802 bereitete ein unitarischer Staatsstreich seiner Regierung ein Ende. Im Juni 1802 stand er an der Spitze des föderalistischen Aufstandes, der im Oktober von den einmarschierenden Franzosen beendet wurde. In der Mediation spielte er v.a. in der schwyzerischen Politik eine Rolle; HBLS V, 555.schliessen
Briefe gekommen, die ich selbst in offizieller Kopie sahe, welche substanzlich dahin gehen: Er habe bey Bonaparte sehr gute Audienzen erhalten u. könne den Senat versichern, daß er die begründete Hofnung nähre, unser Vaterland werde bald in eine glükliche und ruhige Lage kommen; die izige Regierung werde ehestens von Frankreich öffentlich anerkant werden: sie solle für jeden Kanton, die in ihre ehevorigen Grenzen einzutheilen sind, eine seiner Lage angemessene Constitution entwerfen. Die Schweiz solle nicht nur nicht geschmälert, sondern eher noch die abgerissenen Theile wieder zurük gegeben werden. Er – Reding werde sich noch einige Zeit in Paris verweilen, um mit dem Minister u. nachher mit Bonaparte alles ins Reine zubringen. Er hoffe, dem Vaterland wichtige Dienste leisten zukönen: u.s.f."698Reding, dessen Putsch dank Napoleon erfolgreich war, versuchte sich dessen Unterstützung für seine föderalistische Restauration zu sichern und unternahm daher eine diplomatische Mission nach Paris (7.12.1801-17.1.1802). Die Mission war aber keineswegs so erfolgreich, wie Reding schon vor seiner Rückkehr verbreiten liess; denn Napoleon behandelte ihn nicht als Vertreter eines Staates, sondern als Haupt einer Partei. Frankreich würde daher die Schweiz erst anerkennen, wenn Reding wieder sechs Unitarier in den Senat und den Kleinen Rat aufnehme. Auch in der Territorialfrage erreichte er keine Zusage über den Verbleib des Wallis bei der Schweiz; HBLS IV, 161.schliessen
"Gottlob" – schreibt unsre Bäbe in einem auch heüt erhaltenen Briefe – "Gottlob! das dürfen wir izt so aus vollem Herzen sagen, wie noch nie: Gottlob, der Herr will uns gnädig seyn, u. hat der Rotte der Boshaften die Gewalt genohmen, daß sie unserm armen Vaterland keinen Schaden mehr thun könen. Sie ist für einmal gestürzt diese Rotte, u. ihre Anschläge sind zernichtet!"
11.
Den 31 Christm[onat] Ich will dich loben, mein Gott! u. Deinen Nammen preisen am Abend dieses Jahres, denn Du hast herrlich mit mir, u. herrlich mit den lieben Meinen gehandelt!
[...]699
Es folgt ein zweiseitiges Dankgebet, das in Anrufen der Erbarmung für sich, die Familie, das Vaterland und die Erde endet.schliessen
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