29.1.1803
Ich erhielt heüte von unserm Jaque1000
Noch wurden wir heüte ein paar Gerüchte inne: Das eine: daß Morgens der Unterstadthalter in die hiessige Kirche kommen, mich aufs Neüe als Pfarrer einsezen, u. mir einen öffentlichen Zuspruch thun werde.
Das andere: der Huber wolle mich Morgen wieder am Predigen hindern. Wollen sehen, was begegne.
Jakob Gessner d.Ä. (1759-1823), Schweizers Schwager, Sohn des Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, verh. 1803 mit Anna Schulthess; Offizier in holländischen Diensten bis 1795, Oberrichter in Zürich, 1803 Stadtrat, 1805 Statthalter des Bezirks Zürich.schliessen
folgendes Briefgen über die beyden mir zugesandten anonymen Briefe,1001Die anonymen Briefe sind die in den Tagebucheinträgen zum 8.-13.1. und 23.1. erwähnten; FA Schweizer/Heusser D III 14 u. 15.schliessen
über die unsre Lieben, wie es scheint, sehr ungehalten wurden. "Die beyden anonymen Schriften, besonders die lezte aergerte uns dermaßen: wir freüen uns aber höchlich, daß ihr so ruhig u. gelaßen dabey seyd, u. sie mit der Verachtung anseht, die ihnen gebührt. Indeß glaubten wir dann, noch einen Schritt weiter gehen zumüssen, u. von diesen gegen alle Polizey streitenden Brandbriefen an Behörde Anzeige zumachen. Ich gieng dessnahen gestern zum Reg. Stadth.1002
Am Abend hatte unser l[iebe] Georg1004
Nun war ich mit Jkr. Wyss beym General: Er stellte die Sache u. derselben ganzen Verlauf auf das bündigste vor; u. auf Verlangen des Generals übersezte er ihm den lezten Brief: /beyde behielt Hr. General bey sich/ u. schloß dann damit, zuersuchen, daß der Hr. Gen. belieben möchte, durch den Reg. Stadthalter der Munizipalität im Hirzel zubefehlen, daß sie persönlich für alles, was wieder den Hrn. Pfarrer begonnen werde, verantwortlich sey. Der General willigte mit Vergnügen, wie er sagte, darin; erinnerte sich auch noch gar wohl der ersten Truppensendung, u. sagte: ich begreife gar wohl, daß es izt nicht um Truppen zuthun seyn kan; die Beßern u. der Pfarrer müssten sonst vielleicht die Last tragen, weil man die Täter nicht weiß. Allein, ich will ihnen durch den Stadth. in meinem Nammen sagen laßen, daß meine Leüte den Weg wohl noch wissen, u. die Munizipalität soll mir persönlich verantwortlich seyn: seyen Sie versichert, ich werde alles thun, was an mir ligt, um Ruhe zuerhalten. U. zu mir sagte er im weggehen: ich hoffe, ihr Hr. Schwager werde ins künftig ganz ruhig seyn. Und so wäre nun diese Sache nach unserm Wunsch eingeleitet. Von Truppen noch Sauve Garde ist keine Rede, sondern nur ein Befehl vom General durch den Reg. Stadth. der, wie ich zuversichtlich hoffe, von guter Wirkung seyn wird. Ihr bleibt indeß ruhig, u. erwartet nun die Folgen, wie auch wir es thun."
Hans Jakob Koller (1757-1841), der nach dem erzwungenen Rücktritt der provisorischen Regierung am 28./29. Oktober 1802 von den Franzosen eingesetzt wurde, aber weitgehend machtlos blieb; Dändliker III, 155; Graber, Zeit des Teilens, 242; HBLS IV, 529.schliessen
u. übergab ihm die Kopie dieser Schrekbriefe mit der Aüßerung, daß ich wol wisse, ich könne nicht klagen gegen Unbekante; indeß glaube, als Ruheliebender Bürger schuldig zuseyn, von solchen Auftritten der ersten Polizey-Behörde Anzeige thun zumüssen: ich überlasse nun ihr, die nöthigen Maaßregeln zutreffen: etc. etc. etc. Er sagte, das ist halt eine schlimme Sache, es ist ein wildes Volk; allein Truppen kan ich nicht schiken, es trift sonst die ganze Gemeine: ich will mich indeß bedenken, was zuthun sey. – Das versteht sich, erwiederte ich, daß von Truppen so wenig als von Sauve Garde1003Frz.: Leibgarde.schliessen
die Rede seyn kan, auch würd ichs mir sehr verbitten: allein, meine unmaßgeblichen Gedanken wären – Sie würden eine Proklamation an die Munizipalität u. die Chefs der Rotte ergehen laßen, in welcher sie dieselben bey ihren Köpfen verantwortlich machen würden für alles, was geschieht. Ja, das könte gehen, sagte er, ich will mich darüber bedenken. Am Abend hatte unser l[iebe] Georg1004
Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
Gelegenheit, mit Jkr. Wyss1005Wahrscheinlich David von Wyss d.J., möglicherweise aber auch dessen Vater David von Wyss d.Ä., ehemaliger Bürgermeister.schliessen
zusprechen. Dieser glaubte, daß ohne ein Kraftwort des frz. Generals1006Gabriel Marie Barbou des Courières (1761-1827), von Abbéville; stieg in den Revolutionskriegen zum Divisionsgeneral auf, kam 1802 von einem Kommando in Turin in die Schweiz und ersetzte hier am 31. Oktober General Ney; verliess die Schweiz schon 1803 wieder, um eine Kommandostelle in Utrecht, dann in Hannover anzunehmen; Hauschronik, 45, 160.schliessen
nicht viel ausgerichtet würde; u. meynte daher, man müsse den Stadthalter bitten, seine Zuschrift durch den General bekräftigen zulaßen. Ich gieng desnahen diesen Morgen wieder ins Bureau, und fragte den Stadthalter, weßen er sich bedacht habe? auf die Antwort, er habe noch nicht Zeit gehabt, u. habe noch für mehr als 8 Tag Geschäfte, rükte ich mit dem Gedanke von Jkr. Wyss, jedoch unter meinem Nammen aus. Ja, sagte er, der ist der Einzige, den sie fürchten: allein, meine Stelle erlaubt mir nicht, diesen Schritt zuthun. Wollen Sie indeß es thun, so versichere ich, es nicht nur nicht übel zunehmen, sondern es wird mir lieb seyn. Oder, sagte ich, wollen Sie erst eine Proklamation ergehen lassen? und dann, wenns nicht hilft – der General? Nein, erwiederte er, wir wollen erst hören, was der General sagt. – Nun will ich diesen Mittag zu Jkr. Wyss, u. wann ich dann noch kan, eüch das Nähere sagen. – Nun war ich mit Jkr. Wyss beym General: Er stellte die Sache u. derselben ganzen Verlauf auf das bündigste vor; u. auf Verlangen des Generals übersezte er ihm den lezten Brief: /beyde behielt Hr. General bey sich/ u. schloß dann damit, zuersuchen, daß der Hr. Gen. belieben möchte, durch den Reg. Stadthalter der Munizipalität im Hirzel zubefehlen, daß sie persönlich für alles, was wieder den Hrn. Pfarrer begonnen werde, verantwortlich sey. Der General willigte mit Vergnügen, wie er sagte, darin; erinnerte sich auch noch gar wohl der ersten Truppensendung, u. sagte: ich begreife gar wohl, daß es izt nicht um Truppen zuthun seyn kan; die Beßern u. der Pfarrer müssten sonst vielleicht die Last tragen, weil man die Täter nicht weiß. Allein, ich will ihnen durch den Stadth. in meinem Nammen sagen laßen, daß meine Leüte den Weg wohl noch wissen, u. die Munizipalität soll mir persönlich verantwortlich seyn: seyen Sie versichert, ich werde alles thun, was an mir ligt, um Ruhe zuerhalten. U. zu mir sagte er im weggehen: ich hoffe, ihr Hr. Schwager werde ins künftig ganz ruhig seyn. Und so wäre nun diese Sache nach unserm Wunsch eingeleitet. Von Truppen noch Sauve Garde ist keine Rede, sondern nur ein Befehl vom General durch den Reg. Stadth. der, wie ich zuversichtlich hoffe, von guter Wirkung seyn wird. Ihr bleibt indeß ruhig, u. erwartet nun die Folgen, wie auch wir es thun."
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So unerwartet uns dieser Bericht war, /denn wir dachten nicht daran, daß die anonymen Briefe unsre Lieben so ärgern werden/ so freüten wir uns doch darüber: obsgleich aüsserst wunderbar ist, daß mir noch durch einen frz. General volle Hilfe verschaft werden soll. Noch wurden wir heüte ein paar Gerüchte inne: Das eine: daß Morgens der Unterstadthalter in die hiessige Kirche kommen, mich aufs Neüe als Pfarrer einsezen, u. mir einen öffentlichen Zuspruch thun werde.
Das andere: der Huber wolle mich Morgen wieder am Predigen hindern. Wollen sehen, was begegne.
