26.4.1804
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Donstag den 26.
Begräbnißtag des l[ieben] sel. Lavaters.2075
Konrad Lavater (gest. 1804), Sohn des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater (1735-1806) und seit 1800 sein Vikar daselbst; ZhPfrB, 403.schliessen
Gerade nach 6 Uhr Morgens machte ich mich auf den Weg nach Horgen. Unser Settli2076
Elisabeth (Setli) Schweizer (1786-1824), älteste Tochter von Diethelm Schweizer und Anna, geb. Gessner, verh. 1822 mit Johannes Suter; vgl. Hauschronik, 34, 85-88.schliessen
schrieb ein artiges Gedankenreiches Briefgen an die l[iebe] Lisette,2077
Anna Elisabetha Lavater (geb. 1772), Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater (1735-1806) u. der Ester (geb. 1741), geb. Vogel, Schwester des verstorbenen Kaspar Lavater.schliessen
das ich nebst einem Gedicht über das wiedersehn, das es für diese Liebe abschrieb, mit mir ab;2078
Statt "ab" muss es wohl heissen: nahm.schliessen
u. das ich, so bald ich sie sah, ihr überreichte: ich traf sie etwas ernst an; konnte aber nicht viel mit ihr reden: denn bald nach meiner Ankunft langten Kutschen aus der Stadt an: ich verfügte mich in des l[ieben] Verstorbnen Zimmer, u. hielte mich da wol eine Stunde allein auf; wo ich meine ganze Freündschaft mit dem verstorbenen Seligen durchgieng, u. besonders die Besuche, die ich ihm noch während seinem Krankseyn gemachet habe. Es langten nun immer mehrere Trauergäste an theils von Verwandten aus der Stadt, theils von benachbarten Herrn Pfarrern: voll Gedanken an den Entschlafnen verfügte ich mich unter sie; u. ich ward sehr [93] liebreich u. freündlich von allen empfangen: ammeisten nahte sich mir Frau Amtmann Rahnin,2079
Catharina Rahn, geb. von Orelli (1741-1806), Tochter des Johann Rudolf von Orelli b. Gemsberg u. der Elisabetha, geb. Scheuchzer, Mutter der 1803 verstorbenen Braut von Konrad Lavater, verh. 1767 mit Abraham Rahn (1734-1807), Tuchscherer und Presser, Amtmann und Gantmeister; C. Escher Keller, Die Familie Rahn von Zürich, I, Stammtafel IV.schliessen
Mutter der vor einem Jahr verstorbnen Braut2080
Regula Rahn (1774-1803), Tochter des Abraham Rahn (1734-1807) u. der Catharina, geb. von Orelli (1741-1806), starb als Braut von Konrad Lavater (gest. 1804); C. Keller-Escher, Die Familie Rahn von Zürich, Bd. I, Stammtafel IV, Zürich 1914.schliessen
des l[ieben] Seligen, u. dann auch sein Onkle Hr. Examinator Vogel:2081
Hans Conrad Vogel (1750-1835), Sohn des Hans Caspar Vogel und der Anna, geb. Lavater, Bruder der Ester Lavater, geb. Vogel, verh. mit Anna Elisabetha Werdmüller v. Elgg; 1771 Zunftschreiber zu Zimmerleuten, 1781 Zwölfer, 1782 Assesor der Synode u. Almosenpfleger, 1793 Examinator u. Rechenrat, 1799 Mitglied der Gemeindekammer, 1803 Stadtrat, 1808 Grossrat, 1821-1830 Stadtpräsident v. Zürich; J.P. Zwicky, Die Familie Vogel von Zürich, 158, HBLS VII, 287.schliessen
mit diesen beyden konnte ich mich nach meinem ganzen Herzen von dem verstorbnen Lieben unterhalten: was mir recht wohl thate: dann nahete die Zeit der Begräbniß: das Frauenzimmer2082
Die Frauen.schliessen
verfügte sich in die untere Stube; u. die Herrn standen aussen vor dem Haus; wo nun ein grosser Theil von der Gemeinde Horgen vor uns stand, u. bey uns vorbey gienge: ich sahe fürchterliche Gesichter, die mir wenig Lust machten, allhier Pfarrer zuseyn. Die Leiche ward nun gebracht u. ausser der Pforte beym Pfarrhaus auf die Bahre gelegt: wo die 4 Trager 2 oben u. 2 unten sich gegeneinander stellten, ihr Hüte für's Gesicht nahmen, u. unter der feyrlichsten Stille betheten. Ein rührender Auftritt, der mir durch die Seele gieng; das einzig Feyrliche, das die Seegegenden noch an ihren Leichenbegängnissen haben.
Die Bahre ward nun mit dem Sarg empor gehoben, u. der Leichenzug begann; wir kamen zum Grab, u. da ward die Leiche in die Erde gesenkt, u. damit ein liebes Weizenkorn auf den Tag der Garben Gottes gesäet:2083
Evt. nach Hiob 5,26: "In voller Reife steigst du zu Grabe, wie die Garbe einkommt zu ihrer Zeit."schliessen
da wir alle in der Kirche waren, dankte Hr. Pfr. Hirzel2084
Konrad Hirzel (1752-1810), Sohn von Prof. Heinrich Hirzel, ord. 1774, 1779-1782 Vikar in Kirchberg (BE), 1782 Vikar seines Bruders Hans Heinrich in Albisrieden, 1785 Pfr. in Wipkingen, 1794 Nachfolger seines Bruders in Oberrieden, resignierte 1808; ZhPfrB, 341.schliessen
von Oberrieden ab, machte eine kurze Lebensbeschreibung von dem Seligen u. bethete dann das gewöhnliche Abdankungsgebeth ohne weitere Leichenrede. Da wir wieder zurük ins Pfarrhaus kamen, u. die Condolationen nochmals abgelegt waren, ward zum Mittagessen gerüstet, wo gegen 30 Personen zu Tische sassen, u. wo nun über Allerley geredet ward, unter anderm auch von den gestrigen Delinquenten: Willi2085
Johann Jakob Willi (1772-1804), Sohn des Johann Jakob und der Anna Maria, geb. Leuthold von Horgen, Schuster, dann Soldat in spanischen und französischen Einheiten, 1801 Rückkehr nach Hause. Führer im Bockenkrieg; HBLS VII, 544; Leuthy, Vollständige Geschichte von dem Bockenkrieg, 201; Graber, Zeit des Teilens, 310; Peter Ziegler, 'Aufrührer', Verführte und Herrschende, in: Joseph Jung (Hg.), Der Bockenkrieg 1804, 49f.schliessen
soll auf seinem Todesgang noch Ernst gebethet haben;2086
So wird es berichtet in der Schrift von Leutpriester Jakob Cramer, Leben und Ende Hans Jacob Willis, 49. In den Verhören hatte Willi alle Versuche, seine Verfehlungen einzugestehen mit dem Argument zurückgewiesen, er sei seinem Treueid gegenüber seinen Mitverschworenen verpflichtet; den möglichen Sinneswandel kurz vor der Hinrichtung führt etwa Graber darauf zurück, dass Willi den Prozess als Farce mit möglichst grosser Abschreckungswirkung angesehen habe, die wie der Stäfner Prozess mit einer Scheinhinrichtung ende. Erst als er seine wirkliche Lage begriffen habe, sei es zu dieser Sinnesänderung gekommen; Graber, Zeit des Teilens, 355 u. 357.schliessen
Schneebeli,2087
Jakob Schneebeli (1755-1804) verhielt sich von allen Angeklagten am unbeugsamsten; er schlug den geistlichen Trost noch auf dem Gang zum Schafott aus und rief der Menge zu: "Ich sterbe ungerecht." Seine Frau, seinen erwachsenen Sohn und seine Tochter forderte er auf, nach Amerika auszuwandern mit der Begründung: "Ihr lebt dann in einem Freistaate und unter keiner so despotischen Regierung." Leuthy, Vollständige Geschichte von dem Bockenkrieg, 232; Graber, Zeit des Teilens, 320, 356f.schliessen
der an Bonaparte2088
Zur Stellungnahme Napoleon Bonapartes, der v.a. Ruhe in der Schweiz wollte, vgl. Jürg Stüssi-Lauterburg, Voraussetzungen und Folgen des Bockenkrieges in der internationalen Politik, in: Joseph Jung (Hg.), Der Bockenkrieg 1804, 27.schliessen
appellirte, hingegen nicht: Heberli2089
Heinrich Häberling (1764-1804), von Knonau, Sohn des Untervogts Heinrich Häberling und der Anna, geb. Syz, verh. mit 1) Elisabeth Frick – 2 Kinder; 2) 1802 Regula Forster v. Dietikon; zunächst auf dem Hof seiner Eltern tätig, 1788 Freiamtsweibel, 1798 Suppleant, dann Mitglied der Verwaltungskammer, 1803 wieder als Landwirt tätig, 1804 Führer der Insurgenten aus dem Knonauer Amt im Bockenkrieg, im Bockenprozess zum Tode verurteilt und am 25. April 1804 durch Erschiessen hingerichtet; Leuthy, Vollständige Geschichte von dem Bockenkrieg, 216-228; Peter Ziegler, 'Aufrührer', Verführte und Herrschende, in: Joseph Jung (Hg.), Der Bockenkrieg 1804, 62.schliessen
soll auch eifrig gebethet haben: u. der Grob,2090
Hans Ulrich Grob (1761-1837), von Knonau, Sohn des Heinrich, Schuhmachers, u. der Verena, geb. Frick, früh Vollwaise, bei einem Onkel auf dem Hof, dann Ausbildung zum Tierarzt, verh. 1783 mit Anna Cleophea Buchmann von Rossau bei Mettmenstetten, 3 Söhne, 3 Töchter, ausgedehnter Tier- und Branntweinhandel, zur Zeit der Helvetik Gemeindepräsident von Knonau, verwickelt in die Knonauer Unruhen von 1802, nahm er 1804 am Bockenkrieg teil; gegen ihn wurde die Todesstrafe beantragt, in einem zweiten Verfahren zu lebenslänglicher Haft gemildert; Gefangenschaft in Dischingen (Württemberg), Flucht ins Elsass, 1830 zurück nach Zürich, starb 1837 im Armenhaus Spannweid; Leuthy, Vollständige Geschichte von dem Bockenkrieg, 247-250; Peter Ziegler, 'Aufrührer', Verführte und Herrschende, in: Joseph Jung (Hg.), Der Bockenkrieg 1804, 59.schliessen
dem man das Leben geschenkt, soll sich geaüssert haben, man habe damit seinen Aeltern das Leben geschenkt, u.s.f. welche Aüsserung doch noch von kindlicher Liebe zu den Aeltern zeüget.2091
Hier irrt Schweizer oder wird Opfer einer Kolportage; Grob (1767-1837) war Vollwaise. Die Zürcher Obrigkeit hatte sich bemüht, die Verurteilungen und Hinrichtungen als ein Melodrama der Verführten zu inszenieren. Mit den Anführern des Bockenkrieges sollten nicht nur diese selbst, sondern vor allem ihr Gedankengut von Freiheit und Gleichheit als Verführungsmacht liquidiert werden. Als Propagandist dieses "politisch-pädagogischen Spektakels" tat sich v.a. Leutpriester Jakob Cramer hervor; vgl. Graber, Zeit des Teilens, 354ff.schliessen
Noch ward von vielem gesprochen, das ich hier nicht verzeichnen mag: wenig konnt ich mit den l[ieben] Jungfern2092
Anna Elisabetha (Lisette) u. Anna Lavater, Töchter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater, Schwestern des verstorbenen Kaspar Lavater.schliessen
allein reden; nur mit der Lisette etwa ein halb viertelstündgen, wo ich sie bat, wenn ihre Waschgeschäfte vorbey seyen, ein paar Tage zu uns zukommen, u. bey uns auszuruhen: sie versprach mirs. Nach u. nach verreissten die Trauergäste, u. auch ich verabscheidete mich ein wenig vor 5 Uhr von den müden Aeltern u. Schwestern u. des th[eüren] Seligen mit Hrn. Pfarrer im Schönenberg2093
Christoph Finsler (1772-1835), ord. 1796 als Pfr. von Basadingen (TG), 1798 Pfr. in Schönenberg, 1809 Pfr. in Berg; ZhPfrB, 271.schliessen
u. Hütten,2094
Hans Jakob Beyel (1769-1858), Sohn von Friedrich Beyel (1743-1807), ord. 1791, Vikar in Eglisau, 1793 in Maschwanden, 1795 Katechet an der Kreuzkirche, 1797 Pfr. in Hütten, 1805 in Buchs; ZhPfrB, 195.schliessen
die mit mir bis auf die Hannegg2095
Gebiet östlich der Harüti, noch auf Horgener Gemeindegebiet.schliessen
kamen, u. dann von mir schieden: bald war ich wieder bey den Meinen, denen ich nun vieles von dem Leichenbegängniß erzählen musste: Herzlich freüten sie sich alles Guten, das ich ihnen sagen u. erzählen konnte.
Da es Nacht war, kam der l[iebe] Hägi2096
Hans Rudolf Hägi, sein Vater Hans Rudolf (1723-1817) galt als "Musterbauer"; vgl. Neujahrsblatt 1808 der Zürcherischen Hilfsgesellschaft.schliessen
noch zu uns: er erzählte uns unter anderm, wie gestern zu Zug u. Baar allgemein die Rede davon gewesen, daß ich den Hirzlern die Brandschazung abgehebt habe; wie edel das von mir gehandelt sey, daß ich nicht nur keine Raache an den Hirzlern nehme, sondern ihnen Gutes thue, wo ich könne. So müssen Fremde meine Gemeindsgenoßen darauf führen u. aufmerksam machen, was sie mir zuverdanken habe. Habe das alles nur einen guten Eindruk auf meine Gemeine!
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