25.4.1805
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Donstag den 25.
Aus einem Brief an die l[iebe] A. B. Bernet2628
Anna Barbara Bernet (1759-1818), älteste Tochter des Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, verh. 1809 mit Kaspar Steinmann (1. Gattin Anna Ehrenzeller, gest. 1806); vgl. Stammbaum Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
zu St. Gallen.
"1.

Ihre Ansicht, nach der Sie Ihre körperlichen Leiden Ihrer Lage, u. Ihrem Charakter angemessen finden, dünkt mich sehr richtig, indem ich glaube, daß unser Gott bey allen aüßern u. innern Leiden, die Er über uns verhängt, auf unsre /aüßere u. innere/ Lage u. auf unsern Charakter wesentlich Rüksicht nehme: Er handelt auf 1000 Zweke hin, u. weisst die so zuerreichen, daß einer den andern gebihret: daß das Individuelle auf's grosse Ganze, u. das grosse Ganze auf das Individuelle wirken muß. Im grossen Wirkungskraisse Gottes stehet alles in der harmonirendsten Verbindung mit einander. Es ist ein in allen physischen u. moralischen Leiden labender u. erhebender Gedanke, daß sie aus dem grossen Ganzen genohmen sind u. zu dem wieder zurük kehren, d. h. zu seiner größern Vervollkomnung das ihrige beytragen müßen. Dieser Gedanke lehrt uns geduldig, ich möchte beynahe sagen, freüdig leiden. 'Die schnelle Leichtigkeit unsrer Trübsal wirkt die allerfürtreflichste ewige Wichtigkeit der Herrlichkeit' – ist ein erhabnes u. wahres Wort von P.2629
Unklar, wen Schweizer mit P. meint.schliessen
2.

Daß auch Sie Vergnügen an den Auszügen gefunden, die ich am Ende des vorigen Jahrs Ihnen u. Ihren th[eüren] Schwestern aus meinem Tagebuch gemacht u. überschikt, ist mir lieb. Daß ich Sie in einem derselben als eine Erzköchin angeredet, kömt nicht allein daher, weil ich Sie als solche aus Erfahrung kenne, sondern daher, weil wir einmal, da Sie bey uns im Hirzel2630
Schweizer traf Anna Barbara Bernet am 31. Mai 1801 in Zürich, als er wegen der Synode in der Stadt weilte; nach Schluss der Synode am 3. Juni kam sie für vier Tage mit ihm auf den Hirzel; vgl. Tagebuch unter diesen Daten.schliessen
waren, ein Gespräch über das hatten, daß jeder Mensch in der zukünftigen Ewigkeit gerade das Metier erhalten werde, zu dem er sich durch seine Anlagen u. Fähigkeiten hienieden gebildet:2631
Derselbe Gedanke erscheint auch in einem Brief an Judith Hess-Bernet, Tagebuch vom 5.11.1800; er lässt sich sowohl aus der Bibel herleiten, etwa Gal. 6,7, wie er auch in Lavaters Aussichten in die Ewigkeit, 13. Brief, Schluss, enthalten ist.schliessen
wo Sie denn gegen uns über das Kochen eben die Gedanken aüßerten, die in Ihrem vor mir habenden Briefe stehen. Und wenn Sie im kommenden Himmelreich wirklich eine Köchin werden sollen, so werden die Gerichte, die Sie da werden zubereiten haben, geistig seyn: wie dann nichts mehr leiblich, sondern alles geistig seyn wird: denn der Herr ist der Geist, u. alles, was zu ihm kommen wird, wird Geist werden: u. damit werden Sie dann gewiß keine niedere, sondern eine hohe Diakonißin werden. Der Herr bereite Sie hierzu völliglich, und vollende sein Werk an Ihnen!
3.

Ja wol erkante ich die th[eüre] Meta Post2632
Meta Post (1769-1837), Tochter des Bremer Senators Liborius Diederich Post (1737-1822) und der Anna Gertrud, geb. Wahls (1741-1838), von Bremen. Als 17-jähriges Mädchen lernte sie Lavater bei seinem Bremer Aufenthalt vom Juli 1786 kennen und begann dann, in Anknüpfung an die Korrespondenz ihres Vaters, eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Zürcher Pfarrer; vgl. dazu Günter Schulz, Meta Post im Briefwechsel mit Lavater (1794-1800), in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen VII, 153-301 und Briefe von Liborius Diederich Post an Johann Caspar Lavater aus den Jahren 1786 und 1787. Mitgeteilt von Günter Schulz. In: Bremisches Jahrbuch IIL, 220-260.schliessen
in der Stelle, die Sie mir aus Ihrem Brief an Sie kopierten, als die deemüthige, u. immer auf die Ewigkeit blikende Christin, die sie ist. Herzlicher Dank Ihnen für diese Mittheilung: sie hat mir u. den Meinen recht wohl gethan, u. uns unter anderm auch gezeiget, wie die Bremer Freünde sich unter einander unterhalten. z. B.
Menken:2633
Gottfried Menken (1768-1831), studierte seit 1788 in Jena, seit 1790 in Duisburg, 1793 Vikar in Uedem, 1794 Pastor bei der evang. Gemeinde Frankfurt, 1796 Prediger in Wetzlar, 1802 Prediger an der St. Paulikirche in Bremen, 1811 an der Martinikirche. Meta Post erwähnt ihn im Briefwechsel mit Lavater, bevor er nach Bremen kommt; Brief vom 13. Oktober 1794, vom 17.-19. November 1795, 11. Mai 1797, vgl. Günter Schulz, Meta Post im Briefwechsel mit Lavater (1794-1800), in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen VII, 181, 208, 251.schliessen
Seine Lieblinge führt der Herr von einer Noth in die andere.
Meta: Und von einer Klarheit zu der andern, bis sie Ihm ähnlich sind.
Sehen Sie, m[eine] Th[eüre]! hier den rechten Takt, mit dem christliche Freünde einander berühren, u. hinauf auf die Höhe schwingen. Ach, daß dieser aufwerths ziehende Takt unter den Christen nur auch gewöhnlicher wäre! Aber, sie fürchten sich einander zuberühren; u. da ist von keiner Hinaufziehungsart die Rede; u. die Spuhren des wirkenden Geistes werden kaum mehr bemerkt.
4.

Unsre dermalige Lage ist aüßerst ruhig: der Herr hat mir wieder ein Ansehen bey meiner Gemeine verschaft, daß Niemand mehr es wagen darf, uns zubeleidigen: [120] Auch sind meine Feinde meistens alle so zurük gebracht, daß sie von meiner Unschuld überzeügt sind: wir leben izt so sicher u. wohl behaglich auf unsrer Berghöhe, wie noch nie. Und dann schenkt uns allen unser gute Gott eine so volle Gesundheit, daß keines von uns unter irgend einem körperlichen Gebrechen zuleiden hat. Oh daß wir Ihm hiefür genug dankten! u.s.f."
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Unser Knecht kame diesen Abend wieder bey guter Zeit aus der Stadt zurük; es gieng ihm recht wohl; u. Herr Doktor2634
An anderer Stelle (Tagebuch vom 27.-31. Mai 1805) als Doktor im Waldreis bezeichnet; daher wahrscheinlich Heinrich Lavater (1768-1819), Sohn des Johann Caspar Lavater und der Anna, geb. Schinz, Bezirksarzt und Arzt am Zuchthaus in Zürich; HBLS IV, 636.schliessen
soll sich sehr gefreüt haben, ihn so weit hergestellt zusehen. Er brachte uns wieder ein Alleinbriefgen2635
Ein Brief, der nur an eine bestimmte Person resp. an die Kernfamilie geht; im Gegensatz zum öffentlichen Brief, der sich an den gesamten Familienkreis inkl. Freunde der Familie richtet; vgl. Tagebuch vom 26.3.1801.schliessen
von unsern Lieben ab dem Graben,2636
Haus der Familie Gessner am oberen Hirschengraben; dort wohnten Hans Caspar Gessner und Bäbe, geb. Hess mit ihren Kindern, nach deren Tod bezog es die mit Johann Wichelhausen verheiratete Tochter Elisabeth Wichelhausen-Gessner; nach deren Hinschied ging das Haus in den Besitz von Johann Bernhard Spyri und Johanna, geb. Heusser über.schliessen
aus dem einiges hieher gehört, weil es mit unsrer dermaligen Geschichte mit ihnen innigst verbunden ist. Bäbe2637
Bäbe Gessner, geb. Hess (1754-1826), Tochter von Hans Conrad Hess, Amtmann am Oetenbach, und Anna Barbara, geb. von Orelli, verh. 1779 mit Hans Caspar Gessner; vgl. Stammbäume Gessner-Keller und Hess-von Orelli, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
schreibt:

"Liebe Herzen!
Ja, wir sind eben in Absicht unsers Jaquens2638
Jakob Gessner d.J. (1782-1806), dritter Sohn von Hans Caspar Gessner u. Bäbe, geb. Hess; ord. 1804, Vikar in Horgen, 1805 Katechet in Oberstrass, verfiel in Melancholie und hungerte sich zu Tode; ZhPfrB, 296.schliessen
auf den Herrn gewiesen, weil Herr Doktor glaubt, ihm nichts geben zukönen, indem er mit Medizinen u. Curen alles versucht habe, was er für zwekmässig hielte. Es thut uns zwar doch weh, so von aller menschlichen Hilfe verwiesen zuseyn, hauptsächlich darum, weil es uns zeigt, wie Herr Doktor seinen Zustand viel schwerer u. bedenklicher ansieht, als vor 1 u. 2 Jahren; wir allso, wenn er uns denn schon daneben Hofnung zur Beßerung macht, dieser Hofnung uns nicht überlaßen dürfen. Dennoch, es gehört eben auch noch mit zu dem Schweren unsers Erdengangs: wir wollen uns desto inniger an den Herrn anschließen. Er wird uns Kraft u. Liebe u. ausharrende Geduld geben, wie wir sie bedürfen, täglich bedürfen: u. ihr verharret mit uns im Gebeth u. Liebe, deß freüt sich hoch unser Herz, u. segnet eüch vor dem Herrn dafür. wir sprachen am Montag mit unserm Georg;2639
Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner u. der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
er sieht wol, daß Jaque es nicht gut hat, aber er weisst eben auch nicht zurathen, u. sieht es wie Herr Doktor als gar nicht physisch an, u. mißräth alles Arzney brauchen: u. das, daß ihm auch der Genuß der schönen Natur auf eürer Berghöhe nur gar nicht so wohl that, als wir hoften, stärkt ihn in seiner Ansicht.
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Das glaub ich wol, daß der l[iebe] Caspar2640
Kaspar Gessner (1780-1812), Sohn des Hans Caspar Gessner und der Bäbe, geb. Hess, Tapezierer, verh. 1807 mit Anna Lavater, Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater.schliessen
eüch unerwartet kam: hätten wir erwartet, daß es so zuregnen käme, so hätten wir ihn doch zurük gehalten. Jene Angelegenheit nihmt er wirklich zu Herzen, wie es recht ist; nur wollte es mir nicht gefallen, daß er schon auf'n Sontag über 8 Tag die Uetlibergerreise anstellte. Indeß kam ihm izt selbst ein militairisches Hinderniß in Weg, das er nicht heben kan, u. so muß sie verschoben werden: denn uns dünkte es so erzwungen, daß, seine geheime Absicht ausgenohmen, nicht viel Genuß u. Freüde, u. viel Mühe dabey heraus käme: für's erste ists noch so rauhe Luft, die Natur noch so todt, u. noch nicht so lang Tag, daß die lange Streke ab dem Hirzel auf den Uetliberg für Frauenzimmer nur möglich wäre, um zu rechter Zeit dort zuseyn: u. dann dünkts uns allweg so weit u. mühselig aus'm Hirzel auf den Uetliberg, daß von Rükkehr keine Rede seyn kan. Wärs nicht eben so artig u. schiklich u. nicht so schwerfällig mühsam, wenn sie eine Parthey auf'n Höhnrohn2641
Berg südlich von Hütten auf der anderen Seite der Sihl, 1229 m.schliessen
abredten, u. denn von Zürich Niemand als Caspar käme, u. von eüch eüre ältern Töchtern? es wäre viel stiller u. einfacher, u. der Weg bey weitem nicht so mühselig, u. zur Erreichung der Absicht für Caspar eben so schiklich, als unter so vielen Leüten. Ich will mit Caspar reden, u. ihr bedenkt eüch auch, u. dann wollen wirs einander wieder sagen. Genug, auf den abgeredten Sontag ist perse2642
Lat. per se: selbstverständlich.schliessen
nichts: u.s.f."
Anmerkung.
Dieser lezte Punkt wegen der Uetliberger-Reis ist uns ganz aus dem Herzen geredt u. geschrieben. Es wollte uns nur gar nicht einleüchten, daß die Lieben einander in einer so weitlaüftigen Gesellschaft sehen: wir sind recht froh, daß Bäbe dies zu hintertreiben sucht.
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