25.4.1803
Schuhlmeister1226
Ich kame zum Haus; u. da arbeiteten 2 Knechte, die ich freündlich grüsste, u. die mir kaum dankten.1228
Ich gieng ins Haus hinein, u. klopfte an der Wohnstube an u. öfnete sie: da war aber Niemand; da ich die Thüre wieder an mich zog, öfnete sich die Thüre der andern Stube, u. da kam eine Weibsperson heran, die ob mir erschroken zu seyn schien: ich sagte ihr: ich möchte gern die kranke Tochter besuchen. Ja, erwiederte sie, u. gieng, ohne mich anzubliken, wieder in die Krankenstube, u. schlosse die zu. Ich stand eine Weile auf der Laube: dann kam die Mutter heraus – kaum mogte mich die grüssen: sie nahm mich in die Wohnstube: ich sagte ihr ...
Ich hätte ihre kranke Tochter schon längst gerne besucht, wenn ich sicher in der Gemeine hätte herum gehen können, nun sey ich da, um mit ihr zureden, was sie mache?
Ha, erwiederte die Frau mit verzogenem Gesicht, nicht viel; sie müßen sie halt stille halten; u. sie lassen Niemand zu ihr.
Nun, nahm ich das Wort, ich wolle sie gar nicht scheniren, oder unruhig machen: ich habe meine Pflicht erfüllen wollen: nehme man die nicht an, so habe ich das meine gethan: übrigens gebe ich das ihrer Tochter in die Ewigkeit hinüber mit.
Es ist halt so, sagte die Frau: Schuhlmeister habe einmal ihrem Manne gesagt, ob er nicht auch den Pfarrer zu seiner kranken Tochter wolle kommen lassen: der habe es ihr gesagt: u. sie habe sich geaüßert: "sie brauche izt noch keinen Pfarrer: wenn sie fühle, daß sie einen bedürfe, so wolle sie mich hohlen laßen." Izt habe sie einmal noch nichts davon verlauten laßen: So bald sie's [63] wünsche, wollen sie mir's sagen laßen. Nun wußte ich, was ich zuthun hatte: ich verabscheidete mich, u. sagte der Mutter, ich lasse ihre Tochter herzlich grüßen – u. sie ließe mich wirklich gehen, ohne mich zu ihrer Tochter zulaßen.
Ist das auch schon einem Pfarrer begegnet? Muß ich denn auch alles noch nie Geschehene erfahren? so dachte ich, u. kehrte mit Wehmut gerade nach Hause. Da ich diesen Vorfall meinen Lieben erzählte, entsezten sie sich gar sehr darüber, u. sagten: so wird vieler Haüser Vereinigung u. Rükkehr zu ihren Pflichten gegen mich beschaffen seyn: es ist ihnen halt um nichts zuthun, als daß sie der Franzosen abkommen: im Herzen sind u. bleiben sie die gleichen Wiederwärtigen. Mit diesem Haus wenigstens wirds wol so seyn.
Hans Heinrich Strikler, Schulmeister und Gemeindeschreiber (Secrétair) im Hirzel, aktiv von 1785-1810, dann von seinem Sohn Jakob abgelöst; vgl. Hauschronik, 49.schliessen
sagte mir schon ein paar Mal – es halten sich Leüte, die gut von mir denken, darüber auf, daß ich die kranke Tochter des Praesid. Groben1227Jakob Grob (1750-1809), Zimmerberg, Präsident der Munizipalität ab 1802, 1803 in den Grossen Rat (Kantonsrat) gewählt.schliessen
auf'm Zimmerberg nicht besuche, da ich sonst doch zu allen Kranken gehe. Ich sagte ihm – ich hätte sie schon lange gerne besucht, aber er wisse selbst, daß diese ganze Gegend – vom Pfarrhaus weg bis auf den Zimmerberg die gefährlichste Gegend für mich seye: gleichwohl wolle ich sie, so bald ich könne, besuchen. Nun geschahe es, daß gestern ihr Vater, der immer einer meiner Hauptgegner gewesen, wieder das erste Mal zur Kirche gekommen: nun er das gethan, so besuchst Du seine kranke Tochter, dachte ich: u. heüt diesen Nachmittag machte ich mich auf den Weg zu ihr – zwar mit etwas schwerem Herzen. Nun, was geschahe. Ich kame zum Haus; u. da arbeiteten 2 Knechte, die ich freündlich grüsste, u. die mir kaum dankten.1228
D.h. den Gruss kaum erwiderten.schliessen
Ich gieng ins Haus hinein, u. klopfte an der Wohnstube an u. öfnete sie: da war aber Niemand; da ich die Thüre wieder an mich zog, öfnete sich die Thüre der andern Stube, u. da kam eine Weibsperson heran, die ob mir erschroken zu seyn schien: ich sagte ihr: ich möchte gern die kranke Tochter besuchen. Ja, erwiederte sie, u. gieng, ohne mich anzubliken, wieder in die Krankenstube, u. schlosse die zu. Ich stand eine Weile auf der Laube: dann kam die Mutter heraus – kaum mogte mich die grüssen: sie nahm mich in die Wohnstube: ich sagte ihr ...
Ich hätte ihre kranke Tochter schon längst gerne besucht, wenn ich sicher in der Gemeine hätte herum gehen können, nun sey ich da, um mit ihr zureden, was sie mache?
Ha, erwiederte die Frau mit verzogenem Gesicht, nicht viel; sie müßen sie halt stille halten; u. sie lassen Niemand zu ihr.
Nun, nahm ich das Wort, ich wolle sie gar nicht scheniren, oder unruhig machen: ich habe meine Pflicht erfüllen wollen: nehme man die nicht an, so habe ich das meine gethan: übrigens gebe ich das ihrer Tochter in die Ewigkeit hinüber mit.
Es ist halt so, sagte die Frau: Schuhlmeister habe einmal ihrem Manne gesagt, ob er nicht auch den Pfarrer zu seiner kranken Tochter wolle kommen lassen: der habe es ihr gesagt: u. sie habe sich geaüßert: "sie brauche izt noch keinen Pfarrer: wenn sie fühle, daß sie einen bedürfe, so wolle sie mich hohlen laßen." Izt habe sie einmal noch nichts davon verlauten laßen: So bald sie's [63] wünsche, wollen sie mir's sagen laßen. Nun wußte ich, was ich zuthun hatte: ich verabscheidete mich, u. sagte der Mutter, ich lasse ihre Tochter herzlich grüßen – u. sie ließe mich wirklich gehen, ohne mich zu ihrer Tochter zulaßen.
Ist das auch schon einem Pfarrer begegnet? Muß ich denn auch alles noch nie Geschehene erfahren? so dachte ich, u. kehrte mit Wehmut gerade nach Hause. Da ich diesen Vorfall meinen Lieben erzählte, entsezten sie sich gar sehr darüber, u. sagten: so wird vieler Haüser Vereinigung u. Rükkehr zu ihren Pflichten gegen mich beschaffen seyn: es ist ihnen halt um nichts zuthun, als daß sie der Franzosen abkommen: im Herzen sind u. bleiben sie die gleichen Wiederwärtigen. Mit diesem Haus wenigstens wirds wol so seyn.
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