24.11.1802
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Mitwoch den 24.
Endlich erhielt ich diesen Morgen einen Brief von meinen Lieben im Hirzel. Meine Nette811
Anna Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
schrieb mir ...812
Der Brief hat sich im Nachlass (FA Schweizer/Heusser, D I 6) erhalten.schliessen
"Dank dir, liebstes Herz! für deine Beschreibung deines Hinwandelns auf Zürich. Es plangte uns813
Mundartl. für: wir verlangten.schliessen
sehnlichst darnach. Gott Lob u. Dank, daß Er dich in der Ruhe erhielt, in die Er dich, dich814
Auch der Brief im Nachlass hat hier die Wiederholung des "dich".schliessen
durchkämpfen liesse noch vor dem härtesten Sturm. Auch uns erhielt Er gelaßen u. auf alles gefaßt.
Da du fort warest am Sontag, saßen wir den ganzen Abend still beysamen, staunend über alles – schwer beladen für's Ganze – ruhig Willenlos für uns! Das liebe Heimwehbuch815
Roman von Jung-Stilling: Das Heimweh. Vollständige, ungekürzte Ausgabe nach der Erstausgabe von 1794-1796, hg., eingeleitet und mit Anmerkungen und Glossar versehen v. Martina Maria Sam, Verlag am Goetheanum, Dornach 1994.schliessen
u. die Herzenspsalmen unsers Davids waren unsre Unterhaltung: auch schrieben die aeltern Kinder an die l[iebe] Bernet:816
Vermutlich Anna Barbara Bernet (1759-1818), älteste Tochter des Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, heiratete 1809 nach dem Tod von dessen erster Frau (Anna Ehrenzeller, gest. 1806) Kaspar Steinmann; vgl. Stammbaum der Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
so gieng uns der Sontag noch vom Herrn gesegnet vorbey.
Da wir zu Nacht eßen wollten, laütete Jemand: es war Pfister u. Landis:817
Zwei nicht näher identifizierbare junge Hirzler.schliessen
die anerbotten uns, bey uns zuwachen, wenn wir uns fürchten. Wir dankten ihnen für ihre Sorgfalt, u. sagten: wir erkennens als Liebe, was sie am Morgen schon für dich gewaget hätten, u. nun auch für uns thun wollten: wir glauben aber gewiß, daß wir izt nichts zubefürchten haben, in dem die Rotte ihren Muth nun einmal abgekühlt habe. Sie nahmens freündlich an, und giengen wieder. wir waren froh, denn wir dachten, wenn unsre Wiederwärtigen auch wirklich wieder kommen, so werden sie unser Haus doch nur von außen mit Fluchen und Lästern umstürmen, u. wir sind dann stille, so dürfen sie gewiß nicht weiter: hingegen wenn die hizigen Menschen da bey uns wären, so bald sie etwas hörten, so machten sie Lerm, u. könte so Mord u. Todschlag absezen. Und so begegnete uns Gottlob nicht das mindeste. So waren wir auch gestern den ganzen dunkeln Tag ruhig u. still bey unsrer Arbeit u. bey unserm Heimweh: wir sahen den ganzen Tag keinen Menschen als etliche Arme:818
Vermutlich Bettler. Strukturelle (Krise und Umstrukturierung in der Landwirtschaft und Tuchindustrie) und konjunkturelle Faktoren (Wirtschaftsblockaden und der 2. Koalitionskrieg) führten zum Phänomen dauerhafter Armut auf dem Land, das später als Pauperismus bezeichnet wird; vgl. Graber, Zeit des Teilens, 256-260.schliessen
wir wissen auch gar nicht, ob u. was in der Gemeine vorgeht: auch Schuhlmeistern sahen wir nie, ob er heüte noch kömt, weiß ich nicht.
Nun muß ich machen, daß der Brief zu rechter Zeit wegkömt. Gottes Ruhe bleibe u. vermehre sich in dir! Grüsse herzlich die Unsern alle. Ewig deine
Nette, Sette u. Kinder"
[45] Ich konte nur folgende wenige Zeilen an meine Lieben zurük schreiben ...819
Auch von diesem Brief findet sich eine Abschrift im Nachlass (FA Schweizer/Heusser D I 5b) als Fortsetzung und dritter Bogen des Briefes vom 23.11.1802.schliessen
"Gottlob! Gottlob! ihr Herzen! daß ihr so ruhig u. unangefochten seyd: ich lase eüer Briefgen mit vielen Thränen, die ich, wie ihr wisst, eher zur Freüd als zum Leid vergießen kan. Ihr habt wohl gethan, daß ihr die Bewachung nicht angenohmen habt: obsgleich brav an den Jungen ist.
Es ist noch ungewiß, ob ich am Donstag heimkomme: Herr Rathsherr Pestaluz820
Johann Jakob Pestalozzi (1749-1831), Politiker, Gelehrter und Kaufmann, 1788 Ratsherr, 1793 zürcherischer Repräsentant in Genf, während des Stäfner Handels in Horgen, 1798 eidg. Abgeordneter auf dem Rastatter Kongress, 1799 nach Basel deportiert, nachher Präs. der Stadtverwaltung, 1802 Mitglied der prov. Regierung des Kt. Zürich, während der Mediation Präs. der kant. Verwaltungskommission, Mitglied des Kleinen Rats, 1814 Staatsrat; HBLS 5, 404; Nachlass in ZBZ.schliessen
u. Jkr. Stadtschreiber Escher821
Johann Conrad Escher vom Luchs (1761-1833), Sohn des Johann Heinrich, Ratsherrn, und der Dorothea Ott, verh. 1785 mit Anna von Muralt, Tochter des Conrad. 1782 Zürcher Sanitätsschreiber, 1783 Ratssubstitut, 1785 Oberratssubstitut und Legations-Sekretär, 1787 Unterschreiber, 1794 Stadtschreiber, 1798-1802 Mitglied der Verwaltungskammer des Kt. Zürich (1801-1802 Präs.), 1799 Mitglied des Grossen Rats der Helvetik, dann Mitglied der Notabelnversammlung zur Beratung der neuen Helvetischen Verfassung, 1803-1814 Bürgermeister des Standes Zürich, 1805, 1811, 1817 und 1820 Tagsatzungsgesandter; HBLS III, 75; HLS III, 301.schliessen
wollen sich der Sache annehmen: man sieht sie hier allgemein nicht bloß für meine, sondern für die Sache der ganzen Geistlichkeit an: u. das kan ihr eine gute Wendung geben.
Ich kan nicht weiter: ich muß zu Antistes. Unser Gott behüte u. bewahre eüch! Alle hier grüßen eüch herzlich: am herzlichsten
eüer Papa.
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Ich konte diesen Nachmittag meine nöthigsten Besuche machen, u. hatte allso Hofnung, Morgen heim gehen zukönen: nur sagte man mir aller Orthen, daß ich noch einmal zum Reg. Stadthalter müsse, um von ihm etwas Sicheres zuerfahren, was er zu meinem Schuz u. Rettung zuthun im Sinn habe: ich sahe das auch ein, u. entschlosse mich, Morgens bey guter Zeit zu ihm hinzugehen.
Am Abend dieses Tages schrieb ich einen zimlich weitlaüftigen Brief über diesen Handel an meine St. Gallischen Freündinen,822
Wahrscheinlich war der Brief an die Familie Bernet adressiert und richtete sich an die verheirateten und unverheirateten Töchter dieser Familie; vgl. Stammbaum der Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
die, wie man mir an verschiedenen Orthen verdeütete, auf Bericht von mir selbst plangen.823
Mundartl. für: sich sehnen.schliessen
Ich lase den Brief der Jgfr. Tante824
Anna Barbara Keller (1736-1810), jüngste Tochter von Hans Balthasar Keller u. Regula, geb. Landolt, Schwester von Elisabeth Gessner-Keller; wohnte im "Goldenen Kleinod".schliessen
vor, was sie sehr gern hatte, u. mir als Vert[r]aulichkeit aufnahm, die sie auch verdient, da sie sich aüsserst Liebevoll für uns intressirt, u. all ihr Mögliches anwendet, um mich aufzumuntern u. frohen getrosten Muthes zumachen.
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