23.7.–25.7.1800
Zurück zum Register
1 Vorkommen in diesem Eintrag
Eintrag drucken
Am 23 Heüm[onat]
Erhielt ich von der l[ieben] Bäbe diese Zeilen ...

"Unmöglich, du Lieber! kan ich dir izt deine Fragen, die du des gefundenen Blatts halben an die l[iebe] Bernet an mich thust, beantworten: ich hätte nicht Zeit: auf'n Freytag sag ich dir, was sich schriftlich sagen lässt. Ich respektire dies Geschehene: dies Blättgen musste nicht umsonst entfallen: ich fürchte mich nicht zuantworten mündlich u. schriftlich – so wenig du fürchten must, meine reine heilige Liebe zu eüch leide darunter, daß ich dieser edlen eüch wie mich nur um des Herrn willen liebenden Freündin eine bestimmte Vertrauensvolle Frage, die sie ganz nur an mein Herz thate, bestimt und vertraut auch wieder ganz nur für Sie beantwortete.
Was man mir nur ganz für mich aus dem Heiligthum des Herzens vertraut, das ist mir heilig, u. ich gehe keinen Schritt weiter, als ich weiß, daß Freünd oder Freündin es wünschen: sonst könt' es mich reüen, daß ich es eüch nicht perse469
Lat. per se: von selbst.schliessen
zulesen gab. Doch, ein ander Mal mehr.
Der Herr seye mit eüch! ich weiß, eüer Herz mißkennt mich nicht auch um dieses leicht mißdeütbaren ofnen Herzenswort willen an die l[iebe] Bernet. u.s.f."
Ich harrete nun auf den Freytag – ohne am Donstag ein Wort hievon zuschreiben; ich erwartete berichtigendere Briefe: allein folgendes wars, das ich erhielte.
Den 25 Heüm[onat]
"Ich weiß, du Lieber! dem besondern Wort, das ich lezten Mitwoch an dich schrieb, nicht vielmehr beyzufügen, als dies ...
Ich antwortete der l[ieben] Bernet, was sie mich fragte.
Zu dieser Frage ward sie nicht durch mich veranlaßet: sie fragte mich mit herzlicher Liebe: ich durfte ihr darum so frey u. offen schreiben, weil sie mir ebenfalls schon mehrere Male aus freyem Herzenstrieb mit dem offensten Zutrauen entgegen kam, u. aus dem Heiligsten ihres Herzens mir mitteilte, was sie nach ihrer Aussage noch keiner Seele auf Erden mittheilte, so wie sie gewiß ist, daß solche Herzensgeheimnisse nur mir gesagt sind, so bin ich gewiß, daß auch dies nur ihrem Herzen gesagt ist –
Es freüt mich, daß du meine Gedanken kopiert hast –
Liesest du sie mit Ruhe, so fühlst Du es gewiß dem Styl u. Geist dieser Zeilen an, mit wasfür einem Herzen sie geschrieben sind – ob mit einem von allem, was Falschheit oder Bitterkeit heissen kan, reinen eüch warm u. treü u. innig liebenden, vor unserm Gott liebenden Herzen oder nicht –
Ich brauchte keinen einzigen Ausdruck, der dein Herz kränken oder beleidigen kan, der dem Herzen unsrer Freündin nur einen Gran ihrer rein christlichen Liebe zu eüch u. eüern Kindern rauben könte – ein paar Ausdrüke – "sündlich u. schrekliches Nachgeben" – sind vielleicht gar zu stark, ich nehme sie zurük, u. du verzeihst sie. Sonst, dürftest nicht du, mit wem von unsern Freünden du wolltest, dessen reinen Herzens du sicher wärest, mit eben dieser Freyheit von mir u. meinen Kindern reden? ihnen frey u. offen sagen, wie du es ansiehst? Wir sind ja nicht die, die ohnfehlbar seyn wollen – selbst ein solches Urtheil ists nicht, wills nicht seyn – es ist nur die Freyheit, die christliche Freünde unter sich haben u. genießen, die wir gegenseitig schon oft brauchten – ohne daß unsre Liebe dabey lidte.
Nein, so etwas, obgleich es mir bange machen wollte, kan dein – eüer Herz nicht mißstimmen gegen mich – dafür stehet der Herr, in dem wir uns lieben – Er, der ins Innerste blikt! In Ihm mit heiß zu Ihm bethenden Herzen umfangt eüch
die Eürigste
Bäbe."

Dies sind die 2 Bäbebriefgen, die ich auf meine Fragen von ihm470
Hier und im Folgenden mundartl. Neutrum für das Femininum; hier: ihr.schliessen
erhielte: weil keine derselben direkte u. geradezu von ihm beantwortet ward, schrieb ich ihm nichts weiter zurük, sondern übergabe nun diese ganze Sache unserm Gott, der hierin unser besondere Schiedsrichter seyn wird – sey es, wann es wolle.
––

 


Zurück zum Register