23.1.1805
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Mittwoch den 23.
Diesen Vormittag war ich wieder bey dem geschlagnen Grob:2445
Die Person konnte nicht identifiziert werden; zur Sache siehe Tagebuch vom 16.1.1805.schliessen
er lag auf der Kutsche2446
In der Stube eingebautes Ruhebett, auch tragbares Bett, Bahre; vgl. Grimm 11, Sp. 2887f.schliessen
– ob in Kleidern, oder ohne Kleider, konnt' ich nicht bemerken: er grüsste mich ganz bey Sinnen; ich fragte ihn, wie es ihm gehe? er antwortete: die Wunde thue ihm nicht mehr wehe, sie seye auch zugeheilet, aber innerlich sey er noch stark angegriffen: er dürfe sich nicht bewegen, wenn er nur aufsizen wolle, so schiesse ihm alles Blut in den Kopf u. in die Augen, Schlaf habe er keinen, u. auch wenig Appetit zum Essen. Ich schaute nach seiner Wunde, u. die war kaum mehr bemerkbar; ich drükte darauf – ob er das empfinde? kaum stärker, als wenn man ihn sonst am Kopf angreiffe. ob er Kopfweh habe? nicht sonderlich – Nun, wo es ihm dann auch fehle? im ganzen Leib; er bekomme oft fürchterliche Schmerzen über die Brust u. im Bauch. ob ihn die zum Schweiß treiben? nein, nicht mehr. u.s.f. Dies alles redte er mit deütlicher vernehmlicher Stimme: u. gerne hätt' ich ihn mehr gefragt, wenn ich nicht befürchtete, ihn zuermüden. Man erzählte mir, Herr Distriktarzt Ammann2447
Geschlecht aus Thalwil; Mitglieder dieser Familie waren immer wieder Ärzte; HBLS I, 345.schliessen
habe ihn am lezten Sontag auf die Beine stellen u. herum führen lassen, er seye aber so ermattet, daß man ihn so gleich wieder zu Bethe bringen musste, worauf Herr Ammann sich geaüssert haben soll – er sehe das für aüßerst gefährlich an; es werden wohl Chirurgi aus der Stadt noch zu ihm kommen müßen. Und, sagte ich zu den Aeltern allein, da sie mich begleiteten, wenn die kommen, so wird eine Operation mit ihrem Sohn vorgenohmen werden, wo man auf Leben u. Tod hin seinen Kopf öfnen u. sein Gehirn erlesen werde. Dies, erwiederte die Mutter, lasse sie in Ewigkeit nicht geschehen: ich sagte, sie werden sich den Verordnungen der Regierung unterziehen müssen. Nein, sagte sie wieder, das laße sie gewiß nicht geschehen, lieber wolle sie ihren Sohn sein Lebtag elend haben. Ich nahm Abschied, u. dachte diesen Reden nach, u. fande sie sehr zweydeütig. Es wird sich nun zeigen, was sie thun. Ich glaube, ich habe sie erschrekt, was ich aber auch wollte. Dies zweite Mal wie das erste suchte ich zur Milderung des Schlags zureden: aber die Aeltern u. Geschwister des Geschlagnen scheinen empörter u. aufgebrachter zuseyn, als der Geschlagene. Ich glaube, ich hätte ihn bald zum aufstehen gebracht: was ich aber doch nicht weiter treiben wollte, weil dies eigentlich auch nicht meine Sache ist.
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