21.3.1805
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Donstag den 21
Schrieb ich nun an unsre Lieben auf'm Graben2538
Haus der Familie Gessner am oberen Hirschengraben; dort wohnten Hans Caspar Gessner und Bäbe, geb. Hess mit ihren Kindern, nach deren Tod bezog es die mit Johann Wichelhausen verheiratete Tochter Elisabeth Wichelhausen-Gessner; nach deren Hinschied ging das Haus in den Besitz von Johann Bernhard Spyri und Johanna, geb. Heusser über.schliessen
folgendes Alleinbriefgen.2539
Ein Brief, der nur an eine bestimmte Person resp. an die Kernfamilie geht; im Gegensatz zum öffentlichen Brief, der sich an den gesamten Familienkreis inkl. Freunde der Familie richtet; vgl. Tagebuch vom 26.03.1801.schliessen
"Liebe!
Ich muß eüch über etwas schreiben, das eüch gar wunderbar vorkommen wird.
Die l[iebe] Lisette Lavater,2540
Anna Elisabetha Lavater (geb. 1772), Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater u. der Ester, geb. Vogel.schliessen
die diese Woche ein Paar Tag bey uns gewesen, war aüßerst offen u. vertraulich gegen uns: unter anderm erzählte sie uns viel von Heürathsanträgen, die ihrer Schwester Nannette2541
Anna Lavater (geb. 1780), Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater u. der Ester, geb. Vogel.schliessen
gemacht worden, besonders seit ihres Bruders Tod: wo sie dann beyfügte, sie für sich sey entschlossen, nicht zuheürathen, aber dafür seys ihre grösste Herzensangelegenheit, daß ihre Schwester an einen jungen Menschen von entschieden gutem Charakter verheürathet werde, u. in einen Familienkraiß hineinkomme, wo sie nicht nur keine Gefahr laufe, an ihren moralischen u. religiosen Grundsäzen Schiffbruch zuleiden, sondern in denen noch weiter gefürdert werden könne: sie – ihre Schwester wolle keinen Landpfarrer, sondern einen Profeßionisten von edlerer Art in der Stadt heürathen: u. hierin bestärke sie dieselbe; wenn sich nur auch bald einer hervor thäte: u.s.f.
[115] Da, ihr Lieben! konnten wir nicht anders als an eüern Caspar2542
Kaspar Gessner (1780-1812), Sohn des Hans Caspar Gessner und der Bäbe, geb. Hess, und älterer Bruder von Jakob, Tapezierer.schliessen
denken: u. ich muß es eüch nur sagen – ich trug mich schon lange mit dem Gedanken, daß er mit der l[ieben] Nannette Lavater glüklich werden könte.
Da müssen wir aber die Frage an eüch thun – 'ob der Liebe noch ganz frey sey, u. er keinen solchen Gegenstand seiner Liebe habe?' Nicht, daß wir da eine Ehe machen wollen: nein, die muß von beyden Seiten frey durch sie selbst geschehen: aber das könen wir eüch sagen, daß wir glauben, daß er da nicht abgewiesen würde, u. wir daran große Freüde hätten.
Dies sey izt aber nur eüch, l[iebe] Aeltern, u. eüch allein geschrieben. Berathet eüch nun mit einander darüber, u. schreibt uns dann mit wenigem, wie die Sache eüch vorkomme. Es ist gewiß nur unser warmes Intresse, das wir für den l[ieben] Caspar haben, das uns bey den Erzählungen der l[ieben] Lisette Lavater an ihn denken machte; u. an ihn nicht hätten denken könen, wenn wir die l[iebe] Nannette Lavater nicht als eine gute, moralische, verständige, arbeitsame u. eingezogene Person kennten, die dann mit der Zeit noch schöne Mittel bekömt.
Genug von dieser eüch gewiß wunderbaren Sache, die durch uns an eüch gelangt: wir machen eüch zwar nur aufmerksam auf etwas, das vielleicht tagtäglich eüerm aelterlichen Herzen anligen muß, so oft ihr eüern Caspar sehet.
Geschehe der Wille des Herrn, von dem wir u. unsre Kinder abhangen, u. der über uns u. unsre Kinder das Regiment hat! Ihm seye diese Sache ganz anbefohlen. In seinem Willen ruhet ihr u. wir mit eüch!
ewig die Eüern.

 


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