21.3.1801
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Den 21.
Abends erhielten wir die frohe Nachricht, daß unsers Georgen Nette mit einem Sohn605
Es handelt sich um das dritte Kind aus der Ehe von Georg Gessner und Anna, geb. Lavater, Johann Caspar Georg Gessner (20.3.1801-1856), verh. 1830 mit Margarita Louise Ernst von Winterthur, ord. 1824, 1830 Pfarrer in Oberrieden, 1852 resigniert; ZhPfrB, 296.schliessen
glüklich entbunden worden; nemlich den 20 in der Nacht. Wir mußten so gleich flehen, daß auf diesen Knaben falle der Geist seines Grospapa's Lavaters; u. dessen Liebe durch diesen Neügebornen ersezt werde.
Am gleichen Abend erhielt ich auch einen Brief von St. Gallen, in dem die l[iebe] A. Maria606
Anna Maria Bernet (geb. 1765), Tochter von Ratsherr Caspar Bernet und Cleophea, geb. Weyermann, verh. 1808 mit Christian Sulzer.schliessen
mir den plözlichen Tod ihrer th[eüren] Mutter meldet: ich will ihn hier beysezen ...
"Lieber!
Ich muß ihnen die gewiß unerwartete, uns alle in tiefe Trauer versenkende Nachricht mittheilen von dem Hinscheiden unsrer theüersten besten Mutter.
Ach ja, sie ist uns für diese Erde entrissen – die edle stille sanfte deemüthige Seele, die aller Kinder u. Enkel Wonne war!
Montag Nachts /den 16/ kam Schwester A. Barbara von einem Besuch nach Hause, fande sie noch völlig gesund u. sehr froh: sie schikten sich gleich an, das Nachteßen zunehmen: u. die Mutter bethete wie gewöhnlich das Gebeth unsers Herrn laut: aber mitten darin sank ihre Stimme, u. dies machte die Schwester aufmerksam: sie sezten sich an den Tisch: u. die Liebe zog das eine Aug zusamen: A. Barbara fragte: Mutter, habt ihr Kopfschmerzen? sie antwortete: 'gerade izt bekomme ich sie.' Die Schwester bath sie, ins Beth zugehen: sie lächelte u. sagte: 'fürchtet eüch nicht!'607
Nach Luk. 2,10 sind das die Worte, die der Engel zu den Hirten auf dem Feld sprach.schliessen
fieng an Suppe zuschöpfen – allein, der Löffel entsank ihr ... Bruder u. Schwester hielten sie schnell: u. mussten sie ohne Bewußtseyn u. Empfindungslos zu Bethe tragen: u. so blieb sie ohne ein Aug zu öfnen, oder bey den mannigfaltigen Versuchen des Arztes, sie zu sich selbst zubringen, auch nur die geringste Spuhr von Empfindlichkeit zu aüßern.
[34] O Gott! wie uns alle diese Schrekensnachricht überraschte, u. der Anblik dieser th[eüren] Sterbenden uns die Seele zerriß!
Gegen 12 Uhr unterblieb nach u. nach der Odem: u. eine halbe Viertelstunde hernach ward sie Leiche, ohne daß man merken konnte, wie Sies geworden.
O Lieber! Schmerz über ihr mißen – u. Freüde über ihren Schmerzenlosen leichten Uebergang ins wahre Leben, nach dem sie sich besonders seit des Vaters608
Caspar Bernet (1735-1800), Ratsherr.schliessen
Tod still sehnte, waren und sind die abwechselnden Empfindungen unsrer Herzen.
Eine mütterlichere Mutter kan man nicht verlieren – aber sie gieng ja als solche hinüber! O wie mag ihr dort im Lande der Freyheit u. Liebe seyn? wie wird Sie über ihren eignen Werth erstaunen, u. über das, was sie wirkte! Sie – die so immer für nichts hielt, was sie thate u. war!
O wie gönne ich ihr – ihr selig seyn! sie hat lange für uns gelebt, gesorget, gebethet, gearbeitet! Nun ist das Ruhen und Genießen ihr ewiger Theil.
Halleluja dem, der uns zu der Hofnung des ewig seligen Lebens, zu der Freüde des wiedersehens wiedergeboren hat!
O Geliebter! wenn der Herr uns Kindern allen die Gnade schenkt, ihren deemüthigen selbstlosen Liebenssinn uns eigen zumachen – so haben wir genug, so sind wir glüklich u. brauchbar für dieses u. für jenes Leben!"
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Dieser Brief erfreüte uns gar sehr in mancher Rüksicht, vorzüglich um der ruhigen gelassenen Ergebenheit willen, mit der meine Freündinen diesen Verlust annemmen und tragen: ich kannte sie, u. wahrer hätte ich sie nicht charakterisiren könen, als sie in diesem Brief von der l[ieben] A. Maria charakterisirt wird. Lohne der lieben Heimgegangnen, du mein Gott! alle Liebe, Freündschaft u. Wohlthaten, die sie auch mir u. den l[ieben] Meinen erzeiget hat!
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