19.12.1800
Am 19 an unsre Jakobiten506
Die Bauernfamilie Hans Jakob und Elisabeth Kuster aus Diepoldsau, die sich als Jakobiten besonders an die Pfarrerfamilie Schweizer-Gessner angeschlossen hatte; vgl. Diepoldsauer Tagebuch 1785-1789, 19.1.1789; Bg. 98,4-99,1 (Ms V Z 613); vgl. auch im Begleitbuch zur CD das Kap. IV, darin: "Gescheiterter Christianisierungsversuch der 'Rheintaler Heiden'?".schliessen
zu Diepoldsau. "Das ist doch auch fürchterlich viel, daß ihr 300 Tage französische Einquartierung gehabt, u. nun noch eine so grosse Summe Gelds bezahlen müsst! /fl.507
Warum kan man sich auch an keinem Ort in der Schweiz mit einander vertragen? u. in Gottes Namen tragen u. dulden, was jedem zukömt, ohne so genaue Rechnung über alles zuführen? Haben wir doch die Strafe, die über unser Vaterland ergehet, samt u. sonders verdienet! Freylich, das ist allerorthen gleich, daß die, die diese Strafe aus frevlem Ungehorsam über unser Vaterland gebracht haben, am leichtesten durch zukommen suchen u. am wenigsten bezahlen: u. das thut weehe, besonders dem, der ein unschuldiges Kind an der ganzen betrübten Sache ist, u. der doch oft ammeisten mitgenohmen wird u. oft zuerst bezahlen muß: und wenn ers nur auch noch erschwingen kan, noch zuerst zahlt.
O ihr Lieben! daß wir eüch helfen u. aushelfen könten! wie gerne thäten wirs! welche Freüde wäre uns das! Aber – wir könen nicht! wir sind von den gegenwärtigen Zeitdingen selbst so gebunden, daß wir oft nicht wissen, was wir machen sollen. Mein Pfrundeinkommen vom Jahr 1799 ist mir noch nicht ganz bezahlt, u. von dem diesjährigen noch überall508
Und da bleibt uns nichts übrig, als – glaubend still u. ruhig zuwarten, bis beßere Zeiten kommen, u. der Gott unsers Vaterlands demselben wieder Luft u. Weite verschafft.
In diesem Glauben, in diesem stillen ruhigen Warten auf die Hilfe des Herrn verharret auch ihr, Liebe! der Gott, der eüch bisher getragen, u. durchgeholfen, wird eüch weiter beystehen, u. nicht über Vermögen versucht werden lassen! Dies lehrt uns unsre Religion: u. die ist und bleibt immer die beste Trösterin in solchen Lagen u. Umständen, in denen wir uns nun seit ein paar Jahren in unserm Vaterland befanden. Wies mit dem weiter kommen werde, wollen wir nicht wissen; aber dessen uns freüen, daß der Herr Gott die kennt, die sein sind; u. daß es jeder gut hat u. gut bekommen wird, der von der Ungerechtigkeit weichet!"
Abk. für Florin = Gulden. 50 Gulden entsprechen etwa dem Jahreseinkommen eines Knechts.schliessen
50/ Warum kan man sich auch an keinem Ort in der Schweiz mit einander vertragen? u. in Gottes Namen tragen u. dulden, was jedem zukömt, ohne so genaue Rechnung über alles zuführen? Haben wir doch die Strafe, die über unser Vaterland ergehet, samt u. sonders verdienet! Freylich, das ist allerorthen gleich, daß die, die diese Strafe aus frevlem Ungehorsam über unser Vaterland gebracht haben, am leichtesten durch zukommen suchen u. am wenigsten bezahlen: u. das thut weehe, besonders dem, der ein unschuldiges Kind an der ganzen betrübten Sache ist, u. der doch oft ammeisten mitgenohmen wird u. oft zuerst bezahlen muß: und wenn ers nur auch noch erschwingen kan, noch zuerst zahlt.
O ihr Lieben! daß wir eüch helfen u. aushelfen könten! wie gerne thäten wirs! welche Freüde wäre uns das! Aber – wir könen nicht! wir sind von den gegenwärtigen Zeitdingen selbst so gebunden, daß wir oft nicht wissen, was wir machen sollen. Mein Pfrundeinkommen vom Jahr 1799 ist mir noch nicht ganz bezahlt, u. von dem diesjährigen noch überall508
überhaupt.schliessen
nichts: u. so könnt ihr denken, daß es bey uns auch schmal schmal gehe. Dennoch hat unser Gott wieder all unser Verdienen uns bisher geholfen u. fortgeholfen: weder wir noch unsre Kinder haben je etwas gemangelt: tägliche Speis u. Trank, Kleidung u. Obdach hatten wir immer: aber – dem Armen Dürftigen mitzutheilen, oder sonst lieben Leüten Auskunft zuverschaffen – das ist uns durch Alles geraubt. Und da bleibt uns nichts übrig, als – glaubend still u. ruhig zuwarten, bis beßere Zeiten kommen, u. der Gott unsers Vaterlands demselben wieder Luft u. Weite verschafft.
In diesem Glauben, in diesem stillen ruhigen Warten auf die Hilfe des Herrn verharret auch ihr, Liebe! der Gott, der eüch bisher getragen, u. durchgeholfen, wird eüch weiter beystehen, u. nicht über Vermögen versucht werden lassen! Dies lehrt uns unsre Religion: u. die ist und bleibt immer die beste Trösterin in solchen Lagen u. Umständen, in denen wir uns nun seit ein paar Jahren in unserm Vaterland befanden. Wies mit dem weiter kommen werde, wollen wir nicht wissen; aber dessen uns freüen, daß der Herr Gott die kennt, die sein sind; u. daß es jeder gut hat u. gut bekommen wird, der von der Ungerechtigkeit weichet!"
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An Gvatter Friedrichs509Die Person konnte nicht identifiziert werden; möglicherweise ein Bauer aus Hirzel, der den Pfarrer um die Patenschaft für sein Kind gebeten hat.schliessen
... "So hat eüch dann unser Gott wieder ein Kind geschenkt, u. zwar einen Knaben. Nehme ihn unser Gott in seine Obhut, u. verwahre ihn vor allem Bösen unsrer Zeit u. unsrer Tage, besonders vor dem fürchterlichen Revolutionsgeist, der nichts als Jammer u. Elend über die Menschheit bringet! Jesus Christus mach diesen lieben Knaben von seiner Kindheit an in sich frey – so wird er wahrhaft frey werden!"
