18.10.1803
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Dienst[ag] den 18.
Nun war er da der l[iebe] Hochzeittag unsers Jaquens1793
Jakob Gessner d.Ä. (1759-1823), Schweizers Schwager, Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, verh. 1803 mit Anna Schulthess; Offizier in holländischen Diensten bis 1795, Oberrichter in Zürich, 1803 Stadtrat, 1805 Statthalter des Bezirks Zürich; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
mit seiner Nannette Schultheß.1794
Anna Schulthess aus dem "Schönenhof" (geb. 1775), Tochter der Bäbe Schulthess-Wolf.schliessen

Mit der lieblichsten Himmelhelle begann er, die uns zum Gebeth erwekte, daß unser Gott dem l[ieben] Brautpaar u. uns Geschwistern allen diesen Tag zu bleibendem Segen mache. Und Er thate es reichlich.
Nach 8 Uhr sammelte sich Militair bey der Schuhle. wir sahen einen Wagen mit einem Pferd, auf den 2 Mörser gebunden waren, u. Canoniers dabey: diese fiengen den Zug an; auf sie folgten 2 Jäger-Musikanten; dann Hürlimann1795
Hans Caspar Hürlimann, Stillstandspräsident 1800-1802, ab 1803 Gemeinderat und Friedensrichter.schliessen
als Jäger Hauptmann, u. nach ihm etwa 18 Jäger Paarweis: in schönster Ordnung u. Stille zogen sie beym Pfarrhaus vorbey dem Brautpaar entgegen. Es war wirklich für uns alle sehr rührend. Etwa um halb 10 Uhr hörten wir die ersten Schüße, die uns die Ankunft der l[ieben] Hochzeitleüten ankündigten; u. nach 10 Uhr langten sie wirklich unter dem Begleit des Militairs u. einer Menge Volks an. Unsre gegenseitige Bewillkommung war so herzlich u. rührend wie möglich, u. so gleich bezeügten uns die Lieben alle, daß die Art u. Weise, wie sie vom Militair empfangen worden, u. die liebe frohe Freündlichkeit, mit der sie aller Orthen gegrüsst wurden, recht frappant für sie gewesen.
Um halb 11 Uhr gieng man zur Kirche: es war ein feyrlicher Zug. Die Kirche wurde voll von Leüten; auch das ganze Militair erschiene da. [80] Der l[iebe] Georg1796
Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
predigte über den vom Brautpaar selbst gewählten Text, Sirach, 11, 6-9 v.1797
Sirach 11,6-9: "Viele, die hoch standen, wurden tief verachtet und Angesehene wurden den Niedrigen ausgeliefert. Tadle nicht, ehe du geprüft hast; zuerst untersuche, dann weise zurecht! Gib keine Antwort, bevor du gehört hast, sprich nicht mitten in einer Rede! Wenn du nicht beleidigt wirst, reg dich nicht auf! Nimm nicht teil am Streit der Übermütigen!"schliessen
brüderlich u. christlich zu seiner u. unser aller innigsten Rührung.
Und nun die Einsegnung ward mit Würde, Ernst, u. heissem Gebeth für die Verlobte vollzogen. Man sang beyde Male aus dem 25 Psalter, 1, 2 St[rophe].1798
Die zwei Strophen lauten nach dem lobwasserschen Psalmenbuch, Die CL Psalmen Davids, Zürich 1759: 1) "Zu dir ich mein Herz erhebe,/ Und, Herr, meine Hoffnung richt,/ Daß ich keine Schand erlebe,/ und mein Feind frolocke nicht/ Dann zu schanden werden nie,/ Die so sich auf dich verlassen, Laß zu schanden werden die,/ Welche sie ohn Ursach hassen." 2) "Deinen Weg mir, Herre, zeige,/ Daß ich wird verführet nicht,/ Lehr mich gehen deine Steige,/ Und derselben mich bericht/ Leit mich, und nach deinem Wort/ Mich gerad zu wandlen lehre,/ Dann du bist mein höchster Hort,/ Auf dich hoff ich stets mein Herre." In anderer Übersetzung entpricht dem Nr. 6 des Gesangbuchs der evangelisch-reformierten Kirche der deutschprachigen Schweiz, 1952: Psalm 25: Ich erhebe mein Gemüte.schliessen
Aus der Kirche mussten wir wieder zwischen 2 Reihen von vielen Zuschauern hindurch gehen nach Hause, u. da segneten wie erst die l[ieben] Getrauten recht ein.
Bald dann stellten sich die Armen im Pfarrhof ein; u. der l[iebe] Hochzeiter theilte Geld unter sie aus.
Das Militair postirte sich in unserm Gut beym Bänkli, u. liesse sich da hören mit Musik u. starkem schießen; die Hochzeitgäste verfügten sich auch dahin, um das freündliche Militair zugrüssen, was sie sehr gut aufnahmen.
Bald sasse man dann mit frohem Herzen zusamen zum Mittagessen, das uns über alles gewürzt wurde durch die Ankunft des l[ieben] Prof. Sailers1799
Johann Michael Sailer (1751-1832), Theologieprofessor an der kath. Universität Dillingen, wurde wegen seines "Evangeliums" des Amtes enthoben. 1800 Professor an der Universität Landshut und 1822 Koadjutor des Bischofs zu Regensburg, 1829 dessen Nachfolger. Sailer war seit 1778 mit Lavater bekannt und übertrug seine Freundschaft zum Zürcher Pfarrer auch auf dessen Familie; vgl. Horst Weigelt, Lavater und die Stillen im Lande, 140-145.schliessen
u. Hrn. Pfarrer Meyers1800
Karl Meyer (1769-1830), seit 1798 Pfr. in Meggen. Sailer bezog in der Regel bei Karl Meyer Quartier, wenn er in die Schweiz reiste; vgl. Marlies Betschart, "Ihr Gott ist mein Gott!": Katharina Schmid, in: Brodbeck, Doris (Hg.): Dem Schweigen entronnen. Religiöse Zeugnisse von Frauen des 16. bis 19. Jahrhunderts, 207.schliessen
von Meggen am Luzerner See, der den theüren Mann Gottes hieher begleitete.
Ja wol ein theürer Mann Gottes – der liebe Sailer; ausgefeilt u. fein polirt durch die Leiden u. Verfolgungen, die über ihn ergangen; hingedrängt zum Herrn ist er bey dem immer: seine stille Erhabenheit zieht zu sich hin jeden, der Jesum seinen Herrn nennt: sein öfteres schliessen der Augen zeügt von stether Selbstunterhaltung u. Bewachung seines Herzens: u. dann das plözliche Aufschliessen seiner Augen, sein Blik auf Alle, u. das Ruhen seines Blikes mit Zuniken seines Hauptes ist Herzdurchdringend. Ich konnte mich nicht auf meinem Siz halten, ich mußte zu ihm an sein Ort, wo er saß, hinstehen, wo er mir dann oft die Hand nahm, sie fest in die seine drükte, u. mich unbeschreiblich anblikte – als wollt er mir sagen: "Du bist auch ein Genoß meiner Leiden und Verfolgungen! wir wollen uns nur freüen – dort wartet unser Sieg u. Cron u. Triumph!" Auch Herr Pfarrer Meyer – ein würdiger Zögling des lieben Sailers, frappirte uns alle; wir erblikten in ihm einen über sich wachsenden, nach Licht u. Wahrheit strebenden Mitbruder, der mit den Leiden u. Wiederwärtigkeiten dieses Lebens auch schon wohl bekant ist. Dieser Theüre trank noch mit uns den Kaffe, u. dann verabscheidete er sich: Sailer wollte niemand von uns ihn begleiten lassen – er allein begleitete ihn zu seinem Wagen.
Und bald darauf kam auch die Zeit des Scheidens unsrer Lieben allen von uns: sie blieben, so lange sie konnten – bis halb 4 Uhr: u. da umarmten wir uns alle froh des vollen Segenstages: auch Sailer umarmte mich: wir begleiteten sie zu ihren Kutschen – 3 Kutschen voll lieber u. liebender Menschen! 3 Kutschen voll Christen! welch ein Anblik! segnend begleiteten sie unsre Herzen, da sie von uns weggefahren u. wir sie nicht mehr sahen! Und nun noch ein paar Anmerkungen über diesen Tag.
1.

Jaque der Liebe empfieng auf den heütigen Tag die für ihn schiklichste Gattin: seine Nannette ist gewiß für ihn geschaffen: das fühlten wir heüt – besonders in der Kirche während der Predigt, u. bey der feyrlichen Trauung. Gott erhalte sie ihm, u. lasse sie bey ihm seine Gesundheit genießen!
2.
Bey der innigen u. frohen Theilnahm, die weit aus der größere Theil meiner Gemeine an dieser Hochzeit nahm, mussten wir heüte viel an unsre Lage denken, in der wir um diese Zeit des vorigen Jahres waren, wo der über mich ergangene Sturm am Ausbruch ware. welche Umaenderung! wir konnten uns um der Hirzler willen recht sehr freüen, daß sie einmal einen Anlaß bekamen, sich wieder mit uns herzlich zufreüen. Viele von ihnen sollen gesagt haben – "sie haben noch keinen frohern Tag in ihrem ganzen Leben gehabt!" andere – "dies ist seit einem Jahr der erste Tag, wo wir uns auch wieder mit unserm Pfarrer öffentlich freüen durften u. konten!" Ja wol war dem so; u. Du, mein Gott! hast diesen guten1801 diesen Tag recht zu lieb werden laßen damit, daß überall1802
überhaupt.schliessen
nichts Betrübendes begegnete, u. jeder Unfall durch Deine schüzende Hand abgewandt ward. Dein Namme seye dafür gepriesen!
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