17.1.1805
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Den 17.
Hier auch wieder einen Brief an die l[iebe] Judith Hess-Bernet2428
Judith Hess-Bernet (geb. 1762), Tochter des Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, verh. mit Lorenz Hess, St. Galler Waisenvater; Hauschronik, 63.schliessen
in St. Gallen.
"Theüre Freündin!
Gewiss ganz unverdient haben Sie mir noch am Ende des vorigen Jahres eine große Freüde mit Ihrem theüren Briefe gemacht, der mir der gröste Beweiß dafür ist, daß Sie mirs vergeben haben, daß ich Ihnen auf Ihren Brief v. 29. April v[origen] J[ahres] überall2429
überhaupt.schliessen
nie geantwortet habe. Beym Empfang deßelben hatte ich keine Zeit zuschreiben; u. da langten nach u. nach mehrere Briefe an, u. damit haüften sich die Antworten so stark an, daß mir darüber grauete, u. von mir alle aufgeschoben wurden, bis ich mich schämen musste, Antworten auf Briefe zuschreiben, deren Inhalt die l[ieben] Schreiberinen vielleicht nur nicht mehr wussten.
Um nun in diese Sünde des nicht antwortens nicht wieder zufallen, nahm ich mir vor, Ihnen diese Woche auf Ihren Brief v. 23 Christm[onat] v[origen] J[ahres] zuschreiben.
Sie sind, m[eine] L[ieben] überglüklich gewesen, die l[ieben] Bremerinnen2430
Meta Post (1769-1837), Christine Merrem (1768-1841) u. Adelheid von Lingen (geb. 1766); vgl. Tagebuch vom 13.8.1804.schliessen
17 Tage bey Ihnen zuhaben, u. sie zugenießen: besonders sie, da Sie den Kern u. die Quintessenz derselben bey Ihnen im Hause hatten. Bey der Beschreibung, die Sie mir von der Meta Post2431
Meta Post (1769-1837), Tochter des Bremer Senators Liborius Diederich Post (1737-1822) und der Anna Gertrud, geb. Wahls (1741-1838), von Bremen. Als 17-jähriges Mädchen lernte sie Lavater bei seinem Bremer Aufenthalt vom Juli 1786 kennen und begann dann, in Anknüpfung an die Korrespondenz ihres Vaters, eine umfangreiche Korrespondenz mit dem Zürcher Pfarrer; vgl. dazu Günter Schulz: Meta Post im Briefwechsel mit Lavater (1794-1800), in: Jahrbuch der Wittheit zu Bremen VII, 153-301 und Briefe von Liborius Diederich Post an Johann Caspar Lavater aus den Jahren 1786 und 1787. Mitgeteilt von Günter Schulz. In: Bremisches Jahrbuch IIL, 220-260.schliessen
machen, frappiert mich nichts so sehr, wie ihre Deemuth. Warlich, je größer – je deemüthiger. Der Christ ist nichts, aber alles der Herr. U. eben das wird einst den Herrn verherrlichen heissen, wenn wir Ihm alles, was wir sind, u. wozu Er uns gemachet hat, zum Opfer darbringen werden: denn als künftige Priester werden wir opfern müßen, geistliche Opfer zum angenehmen Geruch für den Herrn u. seine heilige Gemeine. U. da denke ich mir zum voraus, daß Sie, m[eine] l[iebe] Judith! weder als Dienerin von Meta Post, noch von einer andern Ihrer großen Freündinen zum Vorschein kommen werden, sondern mit u. neben diesen als Priesterin mit Ihrem Rauchfaß zum heiligen Altar hinaufsteigen werden. In diesem priesterlichen Heiligthum wird es freylich Vorzüge geben, aber alle werden groß u. Eins seyn im Herrn u. durch den Herrn.
Für die Weyhnachtgedanken, die Sie mir überschrieben, segnet Sie mein ganzes Herz. Oh l[iebe] Freündin! es ist so wohlthuend, aus der Ferne zuvernehmen, wie man den Werth der Menschwerdung Jesu würdigt u. schäzt. wie Recht haben Sie, wenn Sie sagen: 'Die in Ihm erschienene Liebe Gottes sollte uns mit einem Zutrauen gegen Ihn erfüllen, das jede unkindliche Sorge danieder schlüge' – Er ist ja Arm worden, damit wir in jedem Sinne reich würden. wie recht haben Sie, wenn Sie sagen: 'Die in Ihm erschienene Liebe Gottes sollte uns mit einem Zutrauen erfüllen, in Nacht u. Leiden Ihm willig zufolgen, wo Er uns hinführt:' – wir wißen ja, wohin seine Nächte u. Leiden Ihn hinführten; u. wißen, daß dieselben gleichen Geseze, die Ihn leiteten, auch uns leiten. Dulden wir, so werden wir mitregieren. Dieser Blik wird uns immer geöfnet bleiben, wenn wir immer nur auf Ihn den uns vorgegangnen Herzogen des Lebens sehen in den uns vorgelegten Kämpfen. Ach, wir haben keinen – keinen Kampf zubestehen, heisse er, wie er wolle, physisch, moralisch, religios, den unser Herr nicht zuerst durchwandelt habe, u. in dem Er uns nicht ein Vorbild gegeben, daß wir Ihm nachfolgen sollen. Je mehr ich als Mensch auf der Erde leben muß, je mehr freü ich mich der Menschwerdung deßen, der nicht um Seinet- sondern um unsertwillen in unser menschliches Fleisch u. Blut sich eingehüllet, u. menschliches Fleisch u. Blut aus einer reinen weiblichen Jungfrau an sich genohmen hat.
Was Sie mir vom Wachsthum Ihrer Geschwister im Christenthum, von Ihrem th[eüren] Gatten u. l[ieben] Kindern2432
Von ihrem Gatten Waisenvater Lorenz Hess (1764-1821) hatte Judith Hess-Bernet damals ein Kind, Cleophea Hess (geb. 1798), später Freundin und Briefpartnerin von Meta Heusser-Schweizer; aus einer früheren Ehe des Waisenvaters waren schon die Töchter Sabina Dorothea (geb. 1793), Maria Barbara (geb. 1795) und Ottilia Ursula (geb. 1796) da; vgl. Stammbaum Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
schreiben, u. im vorigen nicht beantworteten Brief geschrieben haben, das ist mir überaus lieb, besonders in der Rüksicht, weil ich daraus sehe, daß der Bernetische Christenkraiß sich immer gleich bleibt, zuerst u. zulezt sich lebt, sich bearbeitet u. vervollkommnet, um neüer Bekantschaften willen sich nicht vergisst, u. um neüer Freündschaften willen sich nicht trennt, alles mit einander und nichts ohne einander hat u. geniesst. Dies ist wahres Christenleben u. unschädliche Ausdähnung. Oh daß alle Christenkraiße dem Ihrigen glichen! u. alle so im Herrn zu Einem großen Ganzen wüchsen! wie würde einst das zusammen sammeln in Eins dadurch erleichtert werden, wenn so ein Trüpplein nach dem andern selbst bey seinem Erdengeschlechtsnammen herbey gerufen werden könnte! Oh das ist etwas, das den Zürcherchristen fehlt, u. zu dem sie zurük geführt werden müßen, wenn sie einander kennen u. bekennen, u. einander in der Gnade u. Wahrheit wachsen machen wollen. Grüssen Sie mir herzlich Ihren ganzen Bernetischen Kraiß. Meine Lieben grüßen Sie u. die Ihrigen alle. etc. etc."
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