16.6.1803
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Donstag den 16.
An die l[iebe] Helena Schlatter1512
Helene Schlatter-Bernet (1764-1830), dritte Tochter von Ratsherr Caspar Bernet und Cleophea, geb. Weyermann, verh. mit Kaufmann Salomon Schlatter (1757-1807).schliessen
zu St. Gallen.1513
Der Brief ist auch im Nachlass Schweizer/Heusser vorhanden, E I 26.schliessen
"Die Leidens- u. Prüfungsschule, in die der Herr uns genohmen hat, gehet, m[eine] Th[eüre]! noch immer fort: Er will uns noch nicht aus ihr entlassen. Was seit der lezten Charrwoche neües Böses in meiner Gemeine vorgefallen, das erzählt ein Briefgen meiner aeltesten Tochter1514
Elisabeth Schweizer (1786-1824), älteste Tochter von Diethelm Schweizer und Anna, geb. Gessner, verh. 1822 mit Johannes Suter; vgl. Hauschronik, 34, 85-88.schliessen
an die l[iebe] A. Barbara,1515
Anna Barbara Bernet (1759-1818), älteste Tochter des Ratsherrn Caspar Bernet und der Cleophea, geb. Weyermann, Schwester der Helene Schlatter, verh. 1809 mit Kaspar Steinmann (1. Frau Anna Ehrenzeller, gest. 1806); vgl. Stammbaum Familie Schlatter-Bernet, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
die es Ihnen wol zulesen geben wird.
Sie sagen in Ihrem Brief v. 23 April, für den ich Ihnen herzlich danke: "Der Christ ist Mensch, der gegen alle Arten Leiden nicht unempfindlich ist: ja er leidet in gewissem Sinn noch mehr als der Weltmensch, wenn seine Leiden von den Sünden u. Bosheiten seiner Mitmenschen herrühren." Und, mehr, seze ich hinzu, wenn seine Leiden von seinen Gemeinsgenossen, von solchen herrühren, die seine Schaafe seyn sollten. Oft müßen wir uns fragen: "Ist es auch der Schaafen Art, so zustoßen? so zupeinigen? Das könen keine Schaafe, das müssen Böke seyn." Und so ists offenbar worden, daß unter der Heerde, die mir zuwaiden übergeben worden, auch Böke seyen. Da, was ist anzufangen? sie von den Schaafen zu söndern? Ja, das haben sie selbst gethan: sie stehen wirklich ausser der Heerde, u. neken nun Hirt u. Heerde zusamen: u. das müssen wir dulden, bis der rechte Meister kömt, der das Recht hat, die Schaafe von den Böken zusöndern. Jene Zeit, wo alle guten Hirten u. alle guten Schaafe zur Rechten des Richters, u. alle Böke zu seiner Linken werden gestellt werden,1516
Vgl. Mat. 25,33: "und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken."schliessen
giebt mir in jedem Leiden Stärkung u. Haltungskraft, u. ruft mir zu: es ist dennoch besser, ein eine Zeitlang leidendes u. duldendes Schaf zuseyn, auf das ewige Ehre wartet, als ein eine Zeitlang stoßender u. leiden machender Bok zuseyn, der mit ewiger Schande wird belegt werden. Ueberhaupt erfahren wir es von Tag zu Tag, daß es seliger ist, enge Dinge leiden zumüßen, u. dabey auf Weite hoffen zudürfen, als hier auf der Weite zuwandeln, u. dann erst die Enge befürchten zumüßen. Warlich, m[eine] Th[eüre]! keines der Leiden, die über uns gekommen, wünschen wir nicht gelidten zuhaben; u. keine Enge, die uns bezeichnet worden, nicht durchwandelt zuhaben. Leiden u. Engenen haben unter ihrem Züchtigenden ihr Wohlthuendes, wie die bittere Arzney ihr Heilendes u. wegraümendes hat. Ist das Haus u. Zimmer gewischt, so freüt man sich der Reinlichkeit, die alsdann genossen werden kan; so wenn die Leidenskehrbesen unser Inneres gereinigt haben, geniessen wir uns selbst ganz wohlbehaglich, u. freüen uns unsers reinlichen innern Sinnes u. Wesens. Dies, m[eine] Th[eüre]! ligt auch in ihrer Erfahrung: u. darum werden sie dies Bild wohl verstehen."
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