14.7.–17.7.1804
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Samstag den 14.
Die vorige Nacht war gut für die liebe kranke Nette;2219
Schweizers Gattin Anna, geb. Gessner (1757-1836).schliessen
sie konnte viel u. ordentlich schlafen; u. war daher diesen Morgen ziemlich munter. Und so auch
Sontag den 15,
Wo sie den ganzen [Tag] auf war, u. wirklich ein paarmal zu unserm Bänkli u. Rasenbank hinauf spazierte. Da es sich so mit der Theüren ganz zur Beßerung anliesse, entschloß ich mich, Morgens in die Stadt zugehen, wo ich einige wichtige Geschäfte zuverrichten hatte: ich verreisste wirklich
[98] Montag den 16
Um halb 7 Uhr mit aller Ruhe meiner Nette halben. Wie es mir diesen Tag ergangen, das schrieb ich meinen Lieben
Dienstag Morgen den 17
in folgendem Briefgen ...
"Liebe!
Zu dem, daß ich gestern Morgen späthe von Eüch weg, u. späth aus der Gemeine kam, langte ich doch gerade nach 9 Uhr im Nidelbad2220
Nidelbad oberhalb Rüschlikon.schliessen
an. Frau Pfarrer /Lavaterin,2221
Anna Lavater, geb. Schinz (1742-1815), Tochter von Hans Caspar Schinz, Kaufmann u. Obervogt zu Weinfelden, Witwe von Johann Caspar Lavater.schliessen
die daselbst mit der Luise2222
Luise Lavater (1780-1854), jüngste Tochter des Johann Caspar Lavater und der Anna, geb. Schinz, Schwester Anna Gessners, geb. Lavater.schliessen
war/ befande sich im Bad: und da unterhielte mich die l[iebe] Luise freylich zuerst von der l[ieben] Mamma;2223
Gemeint: ihre Mutter Anna.schliessen
dann von sich, wie sie nicht bade, sondern die Kuhwarme Milch brauche; endlich von den Bernergästen, wie die Herrn am letzten Samstag erst nach 6 Uhr einen Besuch bey der Mamma gemacht, der aber nicht lange dauerte, weil sie die Aussicht auch sehen wollten, u.s.f.
Nun kam Frau Pfarrerin aus dem Bad, u. nach dem sie sich ins Beth begeben, sezte ich mich zu ihr hin. Vor allem aus fragte sie eüch allen nach, u. da ich ihr sagte, daß du, mein Herz! krank gewesen, stutzte sie gar sehr, u. freüte sich der guten Berichte, die ich ihr von Dir geben konnte. So dann erzählte sie mir, wie sie's habe: es gehe ihr recht gut; sie seye gern im Nidelbad; schon das, daß sie auf dem Land sey, erquike sie. wie weit es von hier in Hirzel sey? fragte sie. So 2 ½ Stund, sagte [ich]. Oh so weit, erwiederte sie, da vermag ichs nicht zu Fuß zumachen. – Nun kams an unsre Lage im Hirzel, u. da erzählte ich ihr, warum wir glauben, daß wirs wieder im Hirzel machen könen; u. da freüte sie sich herzlich darüber, u. über alles Gute, das ich ihr erzählen konnte. Noch ward von dem neüen Kaiserthum in Frankreich,2224
Napoleon hatte sich 1802 zum "Konsul auf Lebenszeit" ernannt und krönte sich am 2.12.1804 selbst zum "Kaiser der Franzosen".schliessen
von der eidsgenößischen Tagbsazung, u. von anderm gesprochen. Eine Stunde saß ich so bey ihr am Beth, u. dann verabscheidete ich mich mit Dank gegen Gott für dies Stündgen.
Nun wanderte ich Kirchberg zu, wo ich die Lieben wohl antraf,2225
Gemeint ist die Familie von Pfarrer Hans Heinrich Wirz (1756-1834) und Anna, geb. Füssli (1768-1842) in Kilchberg.schliessen
u. wo ich bis nach 2 Uhr blieb, u. mich dann nach der Stadt begabe, u. nahe bey der den Stadth. Ulmer2226
Hans Rudolf Ulmer (gest. 1808), Untervogt zu Horgen, 1804 Unterstatthalter des Bezirks Horgen; HBLS VII, 115.schliessen
antraf, bey dem ich meine Commission so gleich ablegen konnte. Ich gieng in der Stadt zuerst ins Pfarrhaus, wo ich der l[ieben] Nette2227
Anna Gessner-Lavater (1771-1852), Tochter von Johann Caspar Lavater u. Anna, geb. Schinz, verh. 1795 mit Hans Georg Gessner.schliessen
die warmen Grüsse von ihrer Mamma u. Schwester u. gute Nachricht von beyden überbrachte. Fremde sah ich da nicht, u. auch den Georg,2228
Hans Georg Gessner (1765-1843), Sohn von Pfr. Caspar Gessner u. der Elisabeth, geb. Keller, Schwager von Diethelm Schweizer, verh. mit 1) 1791 Bäbe Schulthess, 2) 1795 Anna Lavater; ord. 1787, dann Vikar seines Vaters in Dübendorf, 1791 Diakon und 1794 Pfr. am Oetenbach und Diakon am Fraumünster, 1799 Pfr. am Fraumünster, 1828 Pfr. am Grossmünster und Antistes; ZhPfrB, 295; HBLS III, 500; Georg Finsler, Georg Gessner, 1862.schliessen
nicht, er war mit ihnen ausgegangen: bald begab ich mich zum Kleinod2229
Haus am Rennweg 10, das über Generationen im Besitz der Familie Keller vom Steinbock war. Zu jener Zeit wohnte die "Jungfer Tante" Anna Barbara Keller (1735-1810) und von Elisabeth Gessner-Kellers (gest. 1797) Kindern nur noch Dorothea (Döde) Gessner (1749-1830) dort.schliessen
wo ich die Lieben beym Abendthee wohl und munter antraf, u. von ihnen mit herzlicher Liebe empfangen ward. Da sah ich diesen Abend noch die junge Frau Wichelhausen,2230
Elisabeth Wichelhausen-Gessner (1785-1858), Tochter des Hans Caspar Gessner und der Bäbe, geb. Hess, verh. 13.3.1804 mit Johann Wichelhausen; vgl. Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
ihren Bruder Jaque,2231
Jakob Gessner d.J. (1782-1806), dritter Sohn von Hans Caspar Gessner und Bäbe, geb. Hess; ord. 1804, Vikar in Horgen, 1805 Katechet in Oberstrass, verfiel in Melancholie und hungerte sich zu Tode; ZhPfrB, 296.schliessen
u. ihren Papa,2232
Hans Caspar Gessner (1748-1828), Sohn von Pfr. Caspar Gessner und der Elisabeth, geb. Keller, verh. 1779 mit Bäbe Hess; Tuchpresser; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
der mich so gleich sehr ängstlich fragte, ob ich bey Bändlikon2233
Bändlikon oder Bendlikon, heute eingemeindetes Dorf am linken Seeufer, das zur politischen sowie zur Kirch- und Schulgemeinde Kilchberg gehört, Wohnort von Anna Margaretha (Grite) Keller und Anna Catharina (Cäther) Nägeli, vorher Brunner, geb. Keller.schliessen
vorbey sey? sie haben heüte keine guten Berichte von da erhalten, u.s.f. ich konnte nichts sagen, als daß ich im Pfarrhaus Kilchberg vernohmen, daß Fr. Nägeli2234
Anna Catharina (Cäther) Nägeli, geb. Keller (1764-1818), Schwester von Anna Margaretha (Grite) Keller, verh. mit 1) 1790 Pfr. Caspar Brunner (gest. 1793), 2) 1800 Rudolf Nägeli.schliessen
am Sontag Morgen in der Kirche gewesen. So dann redte der l[iebe] Caspar sehr angelegen mit mir über das Vikariat zu Horgen,2235
Nach dem Tod von Konrad Lavater, der Vikar seines Vaters Johann Kaspar Lavater (1735-1806) in Horgen war, ist das Vikariat von Horgen vakant.schliessen
von dem sie glauben, daß ihr Jaque es wol versehen könne; sie wollen nichts von der Grösse der Kirche u. von seiner schwachen Brust hören, u.s.f. ich will hören, was der l[iebe] Georg dazu sage; zu dem ich heüte vor 10 Uhr gehe, um Ewalden2236
Johann Ludwig Ewald (1748-1822), als Sohn eines Landrentmeisters in Dreieneichen, Grafschaft Ysenburg geboren, studierte 1766-1770 in Marburg und Göttingen, 1770 Pfr. in Offenbach, 1781 Lippe-Detmoldischer Hofprediger, 1791 Generalsuperintendent in Detmold, 1796 zweiter Prediger an der Stephanikirche in Bremen, 1802 Professor am Gymnasium, 1805 Professor der Theologie in Heidelberg, 1807 Grossherzoglich-Badischer Hofrat. Erbaulicher Schriftsteller und Herausgeber einer christlichen Monatsschrift (1800-1805), aus der Schweizer im Tagebuch zitiert, September-Dezember 1801, Pkt. 8.schliessen
zusehen; von da geh ich auf den Graben2237
Haus der Familie Gessner am oberen Hirschengraben; dort wohnten Hans Caspar Gessner und Bäbe, geb. Hess mit ihren Kindern, nach deren Tod bezog es die mit Johann Wichelhausen verheiratete Tochter Elisabeth Wichelhausen-Gessner; nach deren Hinschied ging das Haus in den Besitz von Johann Bernhard Spyri und Johanna, geb. Heusser über.schliessen
zum Mittagessen, weil der l[iebe] Jaque daselbst Nachmittag auf St. Morizen verreisst: dann geh ich noch in Schönenhof.2238
Stadthaus der Barbara Schulthess-Wolf, an der Ecke Kühegasse (heute Rämistrasse) – Stadelhofgasse gelegen. Seit seiner Heirat mit Anna Schulthess wohnte auch Jakob Gessner d.Ä. dort.schliessen
u. zum Steinbok2239
Wahrscheinlich zum Grossen oder Kleinen Steinbock (Rindermarkt 17, resp. Steinbockgasse 5), dem Familienhaus der Pestalozzi vom Steinbock, wo Salomon Pestalozzi (1753-1840), Bankier, Mitglied des Grossen Rats u. der Spitalpflege, wohnte; HBLS V, 405; Hans Pestalozzi, Geschichte der Familie Pestalozzi, 92f. u. Stammtafel 24.schliessen
Dies meine heütige Lebensweise.
So eben kömt ein Briefgen ab dem Graben von Grite Keller,2240
Anna Margaretha (Grite) Keller (1763-1820), Tochter von Elisabeth Gessner-Kellers Bruder Pfr. Heinrich Keller; vgl. auch Hauschronik, 67; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
daß die l[iebe] Nägeli gestern Abend um 6 Uhr mit einem Mädgen2241
Dieses Mädchen der Anna Catharina Nägeli, geb. Keller wird in der Genealogie der Familie Keller vom Steinbock von Zürich, bearb. von C.Keller-Escher (ZBZ: Ms Z II 613 u. 614), nicht verzeichnet.schliessen
entbunden worden sey: es seye noch alles wol abgelaufen; aber der Chirurgus Ammann2242
Geschlecht aus Thalwil; Mitglieder dieser Familie waren immer wieder Ärzte; HBLS I, 345.schliessen
musste doch das Kind empfangen. Nun Gottlob, daß Er da wieder geholfen!
Ich kan eüer Briefgen nicht erwarten; ich muß ausgehen."

Erst nach 12 Uhr erhielt ich dies[en] Brief: meine Nette2243
Schweizers Gattin Anna, geb. Gessner (1757-1836).schliessen
schrieb mir folgendes ...
"Damit du sehest, mein Herz! daß es mit mir recht ordentlich gehe, schreibe ich dir selbst ein Wort: ich blieb am Morgen, da du Abschied genohmen, auf, weil ich, wenn ichs erleiden mag, lieber außer als in dem Beth einnehme: es gieng mir gar gut, ich konnte ohne Ekel das Trank einnehmen, u. es greift mich nur sachte an: ich blieb bis Nachmittag ohne Beschwerden auf, dann gieng [ich], um ein wenig auszuruhen wieder ein paar Stunden ins Beth: izt um 5 Uhr bin ich auf, u. ist mir recht wohl, u. schreibe dir dies – aber auch nur dir, denn so viel mögte ich von mir gewiß nicht schreiben, wenn ich nicht wißte, daß dir dies izt das intreßanteste ist.
In der Gemeine gabs nichts: wir sahen keinen Menschen. u.s.f."

 


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