12.6.1805
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Mitwoch den 12ten –
Abhohlungstag meiner Lieben, die von Zürich wieder nach Hause kamen; dies geschahe folgender Maaßen.
[122] Morgens nach 8 Uhr verreiste ich von hier, u. wanderte auf Kilchberg, um den lieben Wirz,2706
Hans Heinrich Wirz (1756-1834), Sohn von Hans Konrad Wirz (1726-1794), Pfr. in Kilchberg; verh. mit Anna Füssli, Tochter von Obmann Füssli; ord. 1776, Weiterstudium in Halle 1777-1778, Vikar in Kilchberg (Vertretung des kranken Vaters), 1794-1834 Pfr. in Kilchberg; 1795 Schlichtungsversuch im Stäfner Handel, Freundschaft mit Lavater und enge Beziehung zu Pfr. Schweizer während dessen Hirzler Zeit; Literaturvermittlungstätigkeit; Memorabilien der Zeit; Hauschronik, 60f.; Wernle III, 310ff.; ZhPfrB, 623.schliessen
daselbst wieder einmal zubesuchen: nach 11 Uhr langte ich da an, u. traf den Lieben zimlich wohl u. munter an; asse da zu Mittag; u. um halb 3 Uhr gieng ich auf Bändlikon2707
Bändlikon oder Bendlikon, heute eingemeindetes Dorf am linken Seeufer, das zur politischen sowie zur Kirch- und Schulgemeinde Kilchberg gehört, Wohnort von Anna Margaretha (Grite) Keller und Anna Katharina Nägeli, vorher Brunner, geb. Keller.schliessen
um nach Abrede meine Lieben daselbst zu empfangen, u. sie dann auf Horgen zubegleiten, wo wir im Pfarrhaus2708
Bei Johann Kaspar Lavater (1735-1806), Sohn von Dekan Hans Jakob Lavater in Neunforn, Vetter des Zürcher Pfarrers und Physiognomikers Johann Caspar Lavater, seit 1781 Pfarrer von Horgen, verh. 1768 mit Ester, geb. Vogel (geb. 1741), Tochter von Hans Caspar Vogel u. Anna, geb. Lavater; ZhPfrB, 403; J.P. Zwicky, Die Familie Vogel von Zürich, 152.schliessen
zu übernachten im Sinn hatten. Allein erst nach 4 Uhr langten meine Lieben zu Bändlikon an, wo ich sie, nach dem ich sehr auf sie geplanget,2709
Mundartl. für: mich gesehnt.schliessen
in meine Arme schloß: das l[iebe] Dödeli2710
Dorothea Schweizer (1799-1822), jüngste Tochter von Diethelm und Anna Schweizer; vgl. Hauschronik, 38f., 83ff.schliessen
war recht munter: geschwind tranken sie noch den Thee zu Bändlikon, wo wir die Grite2711
Anna Margaretha Keller (1763-1820), Tochter von Elisabeth Gessner-Kellers Bruder Pfr. Heinrich Keller; vgl. auch Hauschronik, 67; Stammbaum Gessner-Keller, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
nirgends sahen, weil sie nach Bernek2712
In Berneck war damals Johann Konrad Beyel (1769-1811), Bruder von Pfr. Hans Georg Beyel (1777-1823), verwandt mit Melchior Kirchhofer von Schaffhausen; ord. 1794, Pfr. in Bärental, Württemberg, 1797-1805 in Berneck, danach in Flaach; Memorabilien der Zeit; EvPfrSG, 126; ZhPfrB, 195.schliessen
ins Rheinthaal verreist waren: ein wenig nach 5 Uhr nahmen wir unsern Weg nach Horgen: die l[iebe] Frau Sekelmeisterin2713
Anna Catharina (Cäther) Nägeli, geb. Keller (1764-1818), Schwester von Anna Margaretha Keller, verh. mit 1) 1790 Pfr. Caspar Brunner (gest. 1793), 2) 1800 Rudolf Nägeli.schliessen
begleitete uns eine Streke: u. da wir allein waren, erzählten mir meine Lieben folgendes ...
1.

Herr Doktor habe der Mamma2714
Anna (Nette) Schweizer, geb. Gessner (1757-1836), Tochter von Pfr. Caspar Gessner u. Elisabeth, geb. Keller, verh. 1785 mit Diethelm Schweizer; vgl. Hauschronik, 30, 32-34, 91, 139f.schliessen
für ihr Bein das Bad zu Baden nicht gerathen: die fließende Materie lige zu tief: wenn er ihr ein Bad rathen sollte, so würde er ihr das zu Walliß.2715
Leukerbad; nach Leu, Allgemeines Helvetisches, Eidgenössisches oder Schweitzerisches Lexicon XII, 110f. öfter nur das Walliser Bad genannt; vgl. auch Scheuchzer, Naturgeschichte des Schweizer Landes, II, 372.schliessen
rathen: so lang ihr Bein offen sey u. fliesse, diene es ihr zur Gesundheit2716
Vgl. dazu die Ausführungen zur medizinischen Lehre des 18. Jahrhunderts betr. die Schädlichkeit einer "Stauung d. Säfte"; Jürg Winkler, Johanna Spyri, 79.schliessen
Und so bekömt unsre Nette2717
Anna Gessner-Lavater (1771-1852), Tochter von Johann Caspar Lavater u. Anna, geb. Schinz, verh. 1795 mit Hans Georg Gessner.schliessen
nicht die l[iebe] Mamma zur Badgefährdtin, aber dafür die l[iebe] Käther Kramer,2718
Anna Catharina Cramer (1765-1826/1812), Tochter des Metzgers Caspar Cramer und der Anna, geb. Jenny (geb. 1737), eine Nachbarin der Keller im Kleinod, verh. 1806 mit Landschreiber Johannes Fries (geb. 1755).schliessen
der Herr Doktor auch eine ganze Badkur gerathen; u. mit der nun schon alles abgeredet sey. Dies zuhören war mir herzlich lieb.
2.
Beym Kleinod2719
Stadthaus der Familie Keller am Rennweg 10 in Zürich.schliessen
habe die l[iebe] Mamma um Geld gefraget; wo die l[iebe] Tante2720
Anna Barbara Keller (1736-1810), jüngste Tochter von Hans Balthasar Keller u. Regula, geb. Landolt, Schwester von Elisabeth Gessner-Keller; vgl. C. Keller-Escher, Genealogie der Familie Keller vom Steinbock von Zürich, Bd. 1 u. 2 (ZBZ, Ms Z II 613 u. 613a).schliessen
sie liebend angeblikt u. zu ihr gesagt habe – sie werde doch nicht denken, daß sie ihre Gothen2721
Patenkind.schliessen
vergeße, u. daß sie dieselbe leer auf Baaden werde gehen laßen: izt werde sie das Geld nicht brauchen; sie soll dann nur, wenn sie auf Baden gehe, bey ihr vorbey kommen. Dies frappirte mich sehr, u. ich wainte eine Dank-Freüdenthräne zu meinem Gott, der da auch wieder meine stillen Seüfzer erhöret hat: denn ich war wirklich in Verlegenheit, wo wir für die Nette Geld zu seiner Badkur hernehmen sollen, da wir oft nicht einmal zu unserm täglichen Gebrauch haben.
3.
Mit dem armen Widmer,2722
Widmer aus dem Geristeg, Bauernhof nördlich von Spitzen; vgl. Tagebuch vom 5. u. 27.-31.5.1805.schliessen
der in den Spithal aufgenohmen worden, sey es eine arme Sache; alle Herrn Doktor u. Chirurgi haben nicht die mindeste Hofnung, daß er je zum Gebrauch seiner Hand kommen werde; ja, es könne dazu kommen, daß sie ihm abgenohmen werden müsse; man sage ihm zwar das izt noch nicht; sondern man werde alles Mögliche anwenden, um seine Hand noch zuretten: aber ja, sie haben da wieder ein fürchterliches Beyspiel, welch ein Unheil entstehen könne, wenn Flußschäden2723
Wahrscheinlich eine von der Säftelehre ausgehende Vorstellung einer Störung des Säfteflusses im Körper; möglicherweise einfach Zirkulationsstörungen; vgl. Johann Georg Krünitz, Oekonomische Enzyklopädie, Art. Fluss (online-Version).schliessen
nicht grad Anfangs recht behandelt werden; u.s.f. Hierüber erschrak ich gar sehr, u. ward unwillig über die Viehaerzte, daß sie solchen armen Leüthen zu brauchen geben; sie sollten dieselben so gleich, wenn sie zu ihnen kommen, an Menschenaerzte weisen.
4.

Die verabredete Lustparthey aufs Albis seye ganz abgestellt. Alle Onkle findens sehr unschiklich, daß auf das verlesene Sabbath- u. Sitten-Mandat hin so eine Lustparthey an einem Sontag unternohmen werde, zumal aus 3 Pfarrhaüsern Kinder dazu kommen, was einen fatalen Eindruk auf ihre Gemeinen machen könte. Hierüber wer war froher als ich: denn nie wollte es mir einleüchten, daß es recht sey. u. war meinem ganzen Herzen zuwieder, daß meine Kinder einen ganzen Sontag in u. mit solcher Lustbarkeit zubringen sollten. Der l[iebe] Caspar2724
Kaspar Gessner (1780-1812), Sohn des Hans Caspar Gessner und der Bäbe, geb. Hess, Tapezierer, verh. 1807 mit Anna Lavater, Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater; Hauschronik, 58.schliessen
sey zwar ein wenig murrig darüber geworden; indeß habe man ihm gesagt, es werden sich schon Gelegenheiten zeigen, wo er die Jgfr. Lavaterin2725
Anna Lavater (geb. 1780), Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater u. der Ester, geb. Vogel, verh. 1807 mit Kaspar Gessner (1780-1812), als Frau von Birch Stiefmutter von Salomon von Birch; Hauschronik, 58.schliessen
näher werde kennen lernen: u.s.f.
5.

Aller Orthen, wo meine Lieben in der Stadt hingekommen, seye man ihnen mit herzlicher Liebe begegnet, u. sie haben die Bemerkung wie noch nie gemacht, daß alle unsre Lieben gut von unsern Kindern denken; selbst izt auch wieder von unsern aeltern; freylich sey unsre Regel2726
Regula Schweizer (1791-1874), dritte Tochter von Diethelm Schweizer u. Anna, geb. Gessner; vgl. Hauschronik 34 u. passim.schliessen
das Angeschriebenste. Auf'm Graben,2727
Haus der Familie Gessner am oberen Hirschengraben; dort wohnten Kaspar und Bäbe Gessner-Hess mit ihren Kindern.schliessen
wo sie logirten, haben sie wenige Augenblike mit der Bäben2728
Bäbe Gessner, geb. Hess (1754-1826), Tochter von Hans Conrad Hess, Amtmann am Oetenbach, und Anna Barbara, geb. von Orelli, verh. 1779 mit Hans Caspar Gessner; vgl. Stammbäume Gessner-Keller und Hess-von Orelli, in: Regine Schindler, Die Memorabilien der Meta Heusser-Schweizer, Beilage.schliessen
allein seyn könen; sie haben viel Arbeit u. ein grosses Gefäch2729
Mundartl. für: Unruhe, Geschäftigkeit.schliessen
gehabt; u. da sey die l[iebe] Bäbe des Abends müde gewesen, u. habe gern seinen2730
Mundartl. Neutrum für das Femininum: ihren.schliessen
müden Cörper frühe zu Beth geleget.
Unter diesen u. andern Gesprächen u. Erzählungen kamen wir nahe bis Horgen, wo wir Frau Pfarrerin2731
Ester Lavater, geb. Vogel (geb. 1741), Tochter des Hans Caspar Vogel u. der Anna, geb. Lavater, verh. 1768 mit Johann Kaspar Lavater (1735-1806); J.P. Zwicky, Die Familie Vogel von Zürich, 152.schliessen
u. die l[iebe] Lisette2732
Anna Elisabetha Lavater (geb. 1772), Tochter des Horgener Pfarrers Johann Kaspar Lavater u. der Ester, geb. Vogel.schliessen
uns entgegen kommen sahen; da wir zu ihnen stiessen, wurden wir mit allen Freüden u. herzlich von ihnen bewillkommet, u. eben so, da wir mit ihnen ins Pfarrhaus kamen, da aufgenohmen. Es war eine allgemeine Freüde, daß die Lieben uns wieder einmal in ihrem Hause hatten, u. wir waren froh, da nun ausruhen zukönen, besonders das l[iebe] Dödeli, das doch nun müde war. Wir glaubten nichts anders, als nun allein seyn zukönen u. einander in Liebe zugenießen: aber, siehe, da wir zum Tisch zum Nachteßen uns sezen wollten, langten noch 2 Gäste an – Herr Pfarrer Bänziger von Wattweil2733
Johann Konrad Bänziger (1774-1839), 1792?-1796 Pfr. in Grub (AR), 1798-1802 Pfr. in Rebstein, 1802-1839 Pfr. in Wattwil; EvPfrSG, 237. Johann Kaspar Lavater war vor seiner Horgener Zeit selbst Pfarrer in Wattwil von 1767-1781.schliessen
u. sein Bruder, ein Kaufmann u. Witwer; da wurden wir zerstreüt u. das Nachteßen sehr verzögert; so daß wir erst nach 11 Uhr vom Tisch aufstunden, wo wir froh waren, nun zu Bethe gehen zu könen.
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