7.6.1804
Ich gieng heüt Vormittag um halb 10 Uhr aus, u. besuchte eine kranke Frau im Weidenbach.2174
1. wie wir alle heüt Morgen bey unserm Aufstehen nur gar nicht daran dachten, daß wir uns heüte hier sehen werden.
2. wie leicht u. bald ein Unglük entstehen köne, das uns näher zu Gott hinführen soll, u. das unsre Nächsten- u. Bruderliebe, u. unsre Hilfslust auf die Probe seze.
[96] 3. wie der von ihnen so bald gelöschte Brand u. die nächsten noch stehenden u. von ihnen geretteten Gebaüde der gröste Beweiß von ihrer behenden geschikten u. thätigen Hilfslust u. Hilfskraft seyen.
4. wie ihnen die Unglüklichen u. die Geretteten u. wir alle mit gerührten Herzen danken, ihnen u. ihren Haushaltungen alles Gute anwünschen, u. sie nun entlassen mit dem Gebeth, daß unser Gott sie für ihre heütige saure Arbeit segne, u. sie u. ihre Haüser vor jedem solchen oder ähnlichen Unglük verwahre: u.s.f. So ungefehr redte ich, u. die fremden Feüerlaüfer kehrten zufrieden nach ihrer Heimat zurük.
Ich gieng noch zu den unglüklich abgebrandten, u. redte noch mit ihnen über eint u. anders u. verfügte mich dann nach Hause, wo ich froh war, meine Lieben zusehen, u. nun mit ihnen zu Mittag aß, wo ich ihnen alles erzählte, was ich in diesen 2 traurigen Stunden gesehen, gehört, bemerkt, gethan habe. Es war eine allgemeine Anmerkung, die man bey diesem Brand machte, daß nemlich bey des aeltesten Mannes Gedenken keine Feüersbrunst in der Hirzlischen Gegend gewesen; daß dies die erste sey, die die izt lebenden Bewohner derselben erleben mußten; daß daher aller Hilfe so werkthätig u. unverdroßen gewesen.
Nachmittag begab ich mich wieder auf die Brandstätte, u. nahme meine 3 jüngern Töchter2177
"Es sey ihm die vorige Woche einiges Kupfergeschierr aus der Küche gestohlen worden: u. da habe man ihm gesagt: es sey ein Mann im rothen Thurm,2180
Ich stuzte über diese ganze Geschichte, u. bekümmerte mich in meinem Herzen, daß ein solcher Aberglauben noch in meiner Gemeine herrsche. Ich machte den Mann auf das aufmerksam, daß die Diebe es wol inne geworden, daß er in den rothen Thurm hinein gegangen, u. so aus Furcht, daß ihnen etwas geschehen könne, die Waare wieder zurük gebracht haben? wo zwar dann die Wahrscheinlichkeit gleich bleibe, daß sie aus boshafter Raache ihm Feüer eingeleget haben. Zugleich ermahnte ich den Mann, daß, wenn Morgen der Herr Unterstadthalter2182
Weil es heüte Donnstag war, so schrieb ich hinten in unsern Briefen an unsre Lieben in der Stadt nur mit wenigem, daß wir heüte einen Brand in unsrer Gemeine gehabt haben. Weitlaüftig konnt ich izt nicht darüber schreiben.
Widenbach: Weiler nordwestlich von Hirzel-Kirche.schliessen
Kaum war ich eine 4tel Stunde bey ihr, so sahen wir einen fürchterlichen Rauch aufsteigen, u. bald hörten wir die fürchterlichen Worte – "es brenne zu Kalbisau!"2175Chalbisau, Weiler westlich von Hirzel-Kirche Richtung Sihlbrugg.schliessen
Schnell begab ich mich in diese Gegend; u. je näher ich kam, desto gewisser wards, daß wirklich ein Haus brenne: denn von allen Seiten liefen die Leüte herbey: u. da ich auf die Brandstätt kam, wars wirklich das baumanische2176Nicht näher identifizierbare Hirzler Bauernfamilie.schliessen
Haus zu Kalbisau, das schon weit abgebrant war: welch ein Gewirr sah ich da! u. welche eifrige Thätigkeit zuhelfen, zulöschen, die andern Gebaüde zuretten, bemerkte ich! wie frappirte es mich, daß Männer u. Weiber, Knaben u. Töchtern, ja so gar Kinder Waßer unermüdet herbey trugen! ich suchte die unglüklichen Bewohner dieses Hauses auf, um sie zutrösten: ich fande sie auf der Erde sizend, wainend, die Hände ringend: ich that mein Möglichstes, sie aufzurichten, u. das Unglük mit Gelaßenheit vom Herrn anzunehmen, der ihnen gewiß alles Verlorne wieder ersezen könne, u. ersezen werde, wenn sie nun mit kindlicher Ergebung in seinen Willen ehren. Ich fragte sie anbey, ob sie mir nicht sagen könen, wie ihr Haus angekommen? allein, sie konnten mir nichts bestimmtes sagen. Die herbey geeilten Feüerlaüfer wandten alles an, das brennende Haus niederzureissen, denn damit hoften sie, die nahe stehenden Gebaüde zuretten: u. dies gelang ihnen auch, um so mehr, da izt eben ein sanfter Unterwind wehete, der die Flamme des Feüers auf die Seite trieb, wo weniger Gefahr war. Da izt das brennende Haus eingestürzt war, u. die brennenden Balken u. Bretter weggeschaft u. gelöscht waren, fand man gut, die fremden Feüerlaüfer zu entlaßen. Die hiessige Vorsteherschaft u. der Feüerhauptmann kamen zu mir, u. bathen mich, nun abzudanken. Das war etwas, das ich Gottlob noch nie habe thun müssen. Ich ergabe mich meinem Gott, u. flehte zu ihm, das Er mir eingeben soll was ich zureden habe: denn einem solchen Anlaß wohnte ich noch nie bey, wusste allso nicht, was man da vom Abdanker zuhören gewohnt ist; ich konte mich auch keinen Augenblik auf eine Abdankrede besinnen: ich stieg auf ein Maüerchen, u. so gleich versammelten sich alle Feüerlaüfer, u. alles Volk, das hier war, um mich: da es stille war, fieng ich an reden, u. konnte Gottlob gut fortkommen in meiner Rede, die etwa 10 Minuten dauerte, u. deren Hauptinhalt ungefehr der war ... 1. wie wir alle heüt Morgen bey unserm Aufstehen nur gar nicht daran dachten, daß wir uns heüte hier sehen werden.
2. wie leicht u. bald ein Unglük entstehen köne, das uns näher zu Gott hinführen soll, u. das unsre Nächsten- u. Bruderliebe, u. unsre Hilfslust auf die Probe seze.
[96] 3. wie der von ihnen so bald gelöschte Brand u. die nächsten noch stehenden u. von ihnen geretteten Gebaüde der gröste Beweiß von ihrer behenden geschikten u. thätigen Hilfslust u. Hilfskraft seyen.
4. wie ihnen die Unglüklichen u. die Geretteten u. wir alle mit gerührten Herzen danken, ihnen u. ihren Haushaltungen alles Gute anwünschen, u. sie nun entlassen mit dem Gebeth, daß unser Gott sie für ihre heütige saure Arbeit segne, u. sie u. ihre Haüser vor jedem solchen oder ähnlichen Unglük verwahre: u.s.f. So ungefehr redte ich, u. die fremden Feüerlaüfer kehrten zufrieden nach ihrer Heimat zurük.
Ich gieng noch zu den unglüklich abgebrandten, u. redte noch mit ihnen über eint u. anders u. verfügte mich dann nach Hause, wo ich froh war, meine Lieben zusehen, u. nun mit ihnen zu Mittag aß, wo ich ihnen alles erzählte, was ich in diesen 2 traurigen Stunden gesehen, gehört, bemerkt, gethan habe. Es war eine allgemeine Anmerkung, die man bey diesem Brand machte, daß nemlich bey des aeltesten Mannes Gedenken keine Feüersbrunst in der Hirzlischen Gegend gewesen; daß dies die erste sey, die die izt lebenden Bewohner derselben erleben mußten; daß daher aller Hilfe so werkthätig u. unverdroßen gewesen.
Nachmittag begab ich mich wieder auf die Brandstätte, u. nahme meine 3 jüngern Töchter2177
Regula (1791-1874), Anna Margaretha Barbara Schweizer (1797-1876), die spätere Meta Heusser-Schweizer, und Dorothea Schweizer (1799-1822).schliessen
mit mir, um ihnen diese Brandstatt zuzeigen: allein, da es noch stark rauchte, u. noch viele Leüte zum wegraümen hier waren, so kehrten sie bald wieder nach Hause zurük. Nachdem ich mich eine Weile hier aufgehalten, suchte ich die Beschädigten wieder auf; ich traf sie in eines Nachbars Haus /s Näffen/2178Rudolf Näf, Bauer im Chalbisau.schliessen
an, der sie so gleich aufgenohmen, u. ihnen eine Stube u. Kammern eingeraümt hat. Das freüte mich herzlich, daß diese Unglüklichen so bald ein Obdach gefunden haben. Ich ließ mich nun näher mit ihnen ins Gespräch ein, u. forschte nach, was für einer wahrscheinlichen Ursache sie ihren erlidtenen Brand zuschreiben? Einstimmig war die Antwort – "es müsse ihnen Feüer eingelegt worden seyn." Aber, wandte ich ein, habt ihr dann so Feinde in der Gemeine? u. wer kan auch bey hellem Tag Feüer einlegen? Zumal wenn man so bey Haus, u. um's Haus herum ist, wie ihr saget, daß ihr diesen ganzen Morgen immer hier gewesen. Auf dieses nahm mich der eine Baumann, der Jakob,2179Wohl nicht identisch mit Jakob Baumann (Zimmerberg).schliessen
bey Seite, u. eröfnete mir im Vertrauen folgendes ... "Es sey ihm die vorige Woche einiges Kupfergeschierr aus der Küche gestohlen worden: u. da habe man ihm gesagt: es sey ein Mann im rothen Thurm,2180
Rothenthurm, Kanton Schwyz.schliessen
der könne einem die gestohlenen Sachen wieder verschaffen: zu dem sey er hingegangen, u. hab ihm seine Noth geklagt; u. der hab ihm weiter nichts gesagt, als: er soll izt nur wieder heimgehen, und nach seinem Glauben für's Wohl der Kirche bethen: er wolle es auch thun nach seinem Glauben: wenn ihm die gestohlene Waar wieder gebracht werde, so soll er wieder zu ihm kommen, u. es ihm anzeigen; wo aber nicht, so soll er nur zu Hause bleiben. In ein paar Tagen darauf seyen die gestohlenen Sachen zurük gebracht, u. auf seines Bruders Heügaden unter vier Wellen Stroh gelegt worden: da haben sie dieselben gefunden: u. gerade an diesem Ort sey heüte das Feüer ausgebrochen. Was ich nun meyne, obs nicht wahrscheinlich sey, daß die Dieben aus Taübe,2181Mundartl. für: Wut.schliessen
daß sie die Waar wieder zurük bringen mussten, ihm das Haus angezündet haben?" Ich stuzte über diese ganze Geschichte, u. bekümmerte mich in meinem Herzen, daß ein solcher Aberglauben noch in meiner Gemeine herrsche. Ich machte den Mann auf das aufmerksam, daß die Diebe es wol inne geworden, daß er in den rothen Thurm hinein gegangen, u. so aus Furcht, daß ihnen etwas geschehen könne, die Waare wieder zurük gebracht haben? wo zwar dann die Wahrscheinlichkeit gleich bleibe, daß sie aus boshafter Raache ihm Feüer eingeleget haben. Zugleich ermahnte ich den Mann, daß, wenn Morgen der Herr Unterstadthalter2182
Johann Wild, von Richterswil, Unterstatthalter des Bezirks Horgen 1803/04; HBLS VII, 533.schliessen
hieher komme, u. er den allfälligen Ursachen der Entstehung dieses Brandes nachfrage, er nur alles haarklein aufrichtig u. redlich erzählen solle. /was er aber nicht gethan, indem man ihm das abgerathen, weil er sich der Gefahr ausseze, gestraft zuwerden/ Noch zeigten mir die Leüte ihr weniges Gerettetes, u. auch einige Sachen, die sie schon geschenkt bekommen haben. Weil es heüte Donnstag war, so schrieb ich hinten in unsern Briefen an unsre Lieben in der Stadt nur mit wenigem, daß wir heüte einen Brand in unsrer Gemeine gehabt haben. Weitlaüftig konnt ich izt nicht darüber schreiben.
